DitzingenBeitrag zur lokalen Wertschöpfung
Herr Oberbürgermeister, Ditzingen hat seit August dieses Jahres eigene Stadtwerke. Welche Vorteile erwarten Sie für Stadt und Bürger?
Nachdem unsere Strom- und Gasangebote kalkuliert sind, zeigt der Vergleich, dass wir attraktive und wettbewerbsfähige Tarife haben, obwohl wir ausschließlich Ökostrom anbieten. Das heißt, bei den Kunden der Stadtwerke bleibt etwas im Portemonnaie übrig und sie leisten mit dem Ökotarif zudem einen Beitrag zum Umweltschutz. Hinzu kommt, dass unsere Bürger mit den neuen Stadtwerken einen Anbieter und Ansprechpartner direkt vor Ort haben, der mit der Stadt eng verbunden ist. Und natürlich wollen wir mit den Stadtwerken auch einen Beitrag zur lokalen Wertschöpfung leisten. Die erwirtschafteten Erträge bleiben bei uns in Ditzingen und tragen dazu bei, die städtischen Strukturen weiter zu verbessern.
Gab es nennenswerte Hürden bei der Gründung der Stadtwerke Ditzingen, welche Erfahrungen haben Sie gemacht?
Bis zur Gründung und Büroeröffnung Mitte Oktober gab es selbstverständlich viele Hürden zu nehmen. Bereits im Dezember 2006 wurde im Bundesanzeiger bekannt gemacht, dass der Gas-Konzessionsvertrag mit der EnBW Ende 2008 ausläuft. Damit eröffneten wir eine mehrjährige Debatte im Gemeinderat der Stadt Ditzingen um die Rekommunalisierung der Energieversorgung auf lokaler Ebene. Zunächst wurden die energiepolitischen Zielsetzungen des Stadtrates in diesem Zusammenhang definiert, der sich mit großer Mehrheit für die Gründung eines kommunalen Stadtwerks mit einem strategischen Partner aussprach. In einem aufwändigen Prozess wurden die nach der Ausschreibung eingegangenen Bewerbungen für eine solche strategische Partnerschaft in einem transparenten und diskriminierungsfreien Verfahren ausgewertet, verglichen und zu einer Entscheidung geführt. Am Ende dieses Prozesses hat sich der Ditzinger Stadtrat für die EnBW als Beteiligungspartner entschieden.
Dabei ist es aber nicht geblieben.
Wir konnten die Verhandlungen über die Gesellschaftsverträge nicht wie geplant bis Ende 2010 abschließen. Es zeigte sich, dass neben vielen Details speziell in der Frage der Entflechtung und der Übertragung der gemischtgenutzten Versorgungsleitungen erhebliches Konfliktpotenzial steckte. Nachdem auch nach monatelangem Ringen in diesen Fragen keine Einigung mit der EnBW erzielt werden konnte, wurden im März 2011 die Gespräche endgültig abgebrochen und die Verhandlungen mit der KommunalPartner Beteiligungsgesellschaft, KPB, wieder aufgenommen, die ihre Bewerbung um eine Partnerschaft aufrechterhalten hatte. Am Ende eines viermonatigen Verhandlungsmarathons mit der KPB beschloss der Gemeinderat am 12. Juli 2011 die Stadtwerke-Gründung mit der KPB als Beteiligungspartner. Wenige Wochen später konnten dann die Stadtwerke Ditzingen GmbH & Co. KG gegründet werden, die zunächst mit der Sparte Energievertrieb den Betrieb aufnehmen werden.
„Wir sprechen mit der EnBW über den Erwerb der Gas- und Stromverteilnetze im Gemeindegebiet.“
Wie sehen das Geschäftsmodell und die Gesellschafterstruktur des neuen Unternehmens aus?
Die Stadtwerke Ditzingen sollen schrittweise zu einem Unternehmen entwickelt werden, das die Bevölkerung und die Firmen mit Wasser, Strom, Gas, Wärme und Energiedienstleistungen aus einer Hand versorgt. An der Gesellschaft sind die Stadt Ditzingen mit 76 Prozent und die KPB mit 24 Prozent beteiligt. Noch in diesem Jahr werden wir die Gespräche mit der EnBW über den Erwerb der Gas- und Stromverteilnetze im Gemeindegebiet Ditzingen aufnehmen. Im Zuge der Verhandlungen über die Ende des Jahres 2012 auslaufenden Stromkonzessionen in der Region Stuttgart sind wir offen für die Beteiligung benachbarter Kommunen oder kommunaler Unternehmen, sofern diese den angestrebten Geschäftszweck unterstützen.
Was sind die nächsten Schritte aus?
Die neuen Stadtwerke Ditzingen sollen zeitnah die kritische Masse an Geschäftsvolumen für einen rentablen Geschäftsbetrieb erreichen. Hierzu wird in den ersten 18 Monaten ein Kern-Team aus etwa fünf bis sechs Mitarbeitern aufgebaut, welches in der Anlaufphase von erfahrenen Mitarbeitern der Stadtwerke Bietigheim-Bissingen unterstützt wird. Damit werden die Stadtwerke Ditzingen in die Lage versetzt, sehr schnell operativ tätig zu werden, mit dem Ziel, nach fünf Jahren den Grundversorgerstatus zu erreichen.
Wie wollen Sie die Bürger überzeugen, Kunden der Stadtwerke zu werden?
Die Nähe zum Kunden vor Ort, das Vertrauen zu einem Tochterunternehmen der eigenen Stadt sowie konkurrenzfähige und ökologische Produkte sind die wesentlichen Argumente im Wettbewerb mit anderen Marktteilnehmern. Hierbei hilft uns natürlich das neue Kundenzentrum der Stadtwerke Ditzingen. Anstatt anonymer Call Center stehen hier unsere fünf Servicemitarbeiter als direkte Ansprechpartner zur Verfügung.
Welche energiepolitischen Weichen will die Stadt Ditzingen gemeinsam mit den Stadtwerken künftig stellen?
Die gewerblichen und privaten Energieverbraucher in Ditzingen sollen bei der Einsparung von Energie und der effizienten Nutzung der Energieträger Strom, Gas und Wärme unterstützt werden. Die Nutzung regenerativer Energien für die Erzeugung von Wärme und Strom in Ditzingen und der Region soll ausgebaut werden. Den Anfang hierzu haben wir mit der Inbetriebnahme von drei Blockheizkraftwerken in städtischen Gebäuden gemacht. Darüber hinaus können bereits heute rund 120 Haushalte mit dem selbsterzeugten Strom unserer Photovoltaikanlagen versorgt werden. Es ist vorgesehen, den Bestand an Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung weiter auszubauen. Die Stadtwerke sollen sich zu einem leistungsfähigen Unternehmen entwickeln, das weitere Infrastruktur- und Versorgungsaufgaben in Ditzingen übernehmen kann. Als Betreiberin wesentlicher Infrastruktureinrichtungen sollen die Stadtwerke dazu beitragen, dass der Wirtschaftsstandort Ditzingen auf Dauer attraktiv ist.
Welchen Ratschlag geben Sie Amtskollegen, die über die Gründung eigener Stadtwerke nachdenken?
Zweifellos sind funktionierende Stadtwerke der Schlüssel zur Umsetzung der energiepolitischen Ziele einer Kommune und bieten zahlreiche Chancen. Da, wie bei jeder unternehmerischen Betätigung, auch mögliche Risiken abgewogen werden müssen, ist ein rechtzeitig beginnender und breit angelegter kommunalpolitischer Willensbildungsprozess über die Ziele und Absichten der Kommune, die diese im Zuge der Konzessionsvergabe verfolgen möchte, obligatorisch. Aufgrund der Komplexität der Sachverhalte sollten dabei erfahrene externe Berater eingebunden werden. Der erstmalige Aufbau eines Stadtwerkes setzt zudem ein hohes Maß an energiewirtschaftlicher Expertise voraus. Ist diese in der Kommune nicht vorhanden, kann solch ein Vorhaben nur mit der Unterstützung eines kompetenten und engagierten Partners aus der Energiewirtschaft gelingen, der gleichgerichtete Interessen verfolgt. Dazu muss selbstverständlich eine entsprechende Einflussnahme der Kommune auf das Stadtwerk und dessen Ausrichtung im Zuge der Gesellschaftsgründung sichergestellt werden. Ich halte eine intensive Auseinandersetzung mit diesem Thema auf jeden Fall für lohnend, da für Kommunen nur alle 20 Jahre überhaupt die Möglichkeit besteht, sich im Zuge der Neukonzessionierung in dieses Aufgabenfeld hinein zu entwickeln.
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