Dienstag, 24. Dezember 2024

EnergiespeicherungBatteriekraftwerk für Systemstabilität

[11.10.2019] Dass auch bei einem kompletten Umstieg auf erneuerbare Energien eine stabile Stromversorgung möglich ist, zeigt das Batteriekraftwerk der Versorgungsbetriebe Bordesholm.
Im Batteriekraftwerk der Versorgungsbetriebe Bordesholm wurden insgesamt 47.256 Lithium-Ionen-Zellen verbaut.

Im Batteriekraftwerk der Versorgungsbetriebe Bordesholm wurden insgesamt 47.256 Lithium-Ionen-Zellen verbaut.

(Bildquelle: Versorgungsbetriebe Bordesholm)

Ein viel diskutiertes Problem der Energiewende ist die Frage, was passiert, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, Wind- und Photovoltaikanlagen also keinen Strom produzieren. Eine untergeordnete Rolle hat dabei bisher gespielt, dass dies bei einer Vernetzung über ganz Deutschland oder sogar Europa nur extrem selten vorkommt. Doch wenn, dann werden bislang noch konventionelle Kraftwerke benötigt, um die Systemstabilität des Verbundstromnetzes zu jedem Zeitpunkt sicherstellen zu können. Der nächste Einwand gegen erneuerbare Energien lautet, dass diese einfach zu teuer sind. Ein Blick auf die Ergebnisse der veröffentlichten EEG-Ausschreibungsverfahren für Wind- und Photovoltaik-Eignungsgebiete aus der jüngsten Zeit zeigt, dass die Windkraft bei Kosten von etwa 5,5 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) und die Photovoltaik zwischen rund 3,3 und 5,5 ct/kWh liegt. Kohlestrom kostet dagegen mindestens 9,5 ct/kWh und Atomstrom – nehmen wir zum Vergleich das neue, staatlich geförderte Atomkraftwerk Hinkley-Point C in England – sogar bis zu 35 ct/kWh. Dabei sind die Umweltfolgen und die eine Million Jahre lang anstehende Atommülllagerung noch gar nicht eingepreist, während bei erneuerbaren Energien eine Vollkostenrechnung zugrunde liegt.

Übergangszeit kurzgehalten

Eine Zukunft aus 100 Prozent erneuerbarer Energie ist also heute schon deutlich preiswerter als die Stromerzeugung aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Zumal die zu erwartenden erheblichen Beeinträchtigungen aus dem Klimawandel und die damit einhergehenden enormen volkswirtschaftlichen Kosten bei der konventionellen Energieerzeugung ebenfalls noch nicht eingepreist sind.
Was den Strom aktuell teuer macht, ist das parallele Fahren eines konventionellen und eines erneuerbaren Energiesystems. Beide schränken sich gegenseitig ein. Da konventionelle Kraftwerke derzeit noch für die Systemstabilität der Stromnetze benötigt werden, und ihr Abschaltprozess oft mehrere Tage in Anspruch nimmt, werden beim Erreichen der Strombedarfsdeckung unter anderem Windkraftanlagen abgeschaltet. Der Stromkunde muss dann 95 Prozent der entgangenen Einspeisevergütung an den betroffenen Anlagenbetreiber bezahlen, obwohl der Strom gar nicht eingespeist wurde. Die aktuelle Übergangszeit ist bei der Systemumstellung hin zu erneuerbaren Energien zwar unvermeidbar, sollte aus Kostengründen aber möglichst kurzgehalten werden.

Inselbetrieb sichergestellt

Aber was ist mit der Systemstabilität bei einer rein auf Erneuerbaren basierenden Energieversorgung? Hier kommt das 2019 fertiggestellte Batteriekraftwerk der Versorgungsbetriebe Bordesholm ins Spiel. Dessen Batteriehalle besteht aus 179 Einschubracks mit je zwölf Einschüben – insgesamt also 2.148 Stück – und je einem Steuerteil. Jeder Einschub beherbergt wiederum 22 Lithium-Ionen-Zellen von SAMSUNG-SDI mit je einer Kapazität von 96 Amperestunden (Ah). Insgesamt wurden in dem Batteriekraftwerk somit 47.256 Lithium-Ionen-Zellen verbaut. Die Leistung des Speichers beträgt maximal 17,5 Megavoltampere (MVA) mit einer vermarktbaren Leistung am Primärregelenergiemarkt von zehn Megawatt (MW). Die Speicherkapazität beträgt 15 Megawattstunden (MWh). Zum Vergleich: Die rund 7.500 Einwohner zählende Gemeinde Bordesholm hat eine Leistungsspitze von maximal 4,4 Megawatt.
Die Batterieumgebung ist in sieben Line-ups unterteilt, mit je einem 2,5-MVA-Wechselrichter und je einem 2,5-MVA-Öltransformator. Der Speicher ist an das 20.000-Volt-Mittelspannungsnetz angeschlossen. Von dort aus wird der Strom im Transformator auf 550 Volt heruntertransformiert und fließt dann durch den jeweiligen Wechselrichter, der je nach Ladezustand der Batterie eine Gleichspannung in Höhe von 850 bis 1.100 Volt in Richtung Batterie schickt.

Einzigartige Zusatzfunktion

Das Batteriekraftwerk ist so unter anderem in der Lage, die Frequenz im Verbundbetrieb sowie im so genannten Inselnetzbetrieb schnell und stabil bei 50 Hertz zu halten. Ist zu viel Energie im Netz, nimmt das Batteriekraftwerk Energie auf, bei zu wenig Energie gibt die Batterie wieder Energie ab. Ein Vorteil der Anlage ist die enorme Geschwindigkeit, mit der auf Frequenzschwankungen reagiert werden kann: Die Reaktionszeit liegt zwischen 20 und 200 Millisekunden. Damit ist das Kraftwerk geeignet, bei einem Ausfall des vorgelagerten Übertragungsnetzes für ganz Bordesholm einen Inselnetzbetrieb auf unbestimmte Zeit sicherzustellen. Dabei muss die Einspeisung aus erneuerbaren Energien zwar in einem bestimmten Zeitraum von zwei bis drei Stunden dem Verbrauch entsprechen, den physikalisch notwendigen genauen Ausgleich im Millisekundenbereich übernimmt aber das Batteriekraftwerk. Diese bisher in Europa einzigartige Zusatzfunktion zur Herstellung einer Inselnetzfähigkeit für ein öffentliches Stromnetz wurde von der EU mit rund 1,5 Millionen Euro gefördert.

Systemstabilität bewiesen

Das Batteriekraftwerk kann somit den Beweis antreten, dass eine dauerhaft systemstabile Stromversorgung rein mit erneuerbaren Energien möglich ist und konventionelle Kraftwerke in Zukunft hierfür nicht mehr benötigt werden. Allerdings steht noch ein Folgeprojekt an, denn es gibt noch ein paar übergeordnete technische Probleme, die dann etwa auch die tatsächlich ungeplante Umschaltung in den Inselnetzbetrieb ermöglichen. Dazu sind unter anderem noch einige regulatorische Veränderungen notwendig.
Zur Refinanzierung der Baukosten in Höhe von knapp zehn Millionen Euro stehen verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten des Speichers zur Verfügung. Die momentan anspruchsvollste und daher wohl auch am besten vergütete Vermarktungsmöglichkeit liegt im Primärregelenergiemarkt. Die Versorgungsbetriebe Bordesholm rechnen mit einem Return on Investment von etwa 15 Jahren.

Frank Günther

Günther, FrankFrank Günther ist Geschäftsführer der Versorgungsbetriebe Bordesholm sowie Geschäftsführer des Tochterunternehmens KNÖV-NetT (Breitband). Zuvor war der Diplom-Ingenieur Elektrotechnik unter anderem bei den Stadtwerken Witten und der Energieversorgung Sylt tätig.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Energiespeicher
Stadtwerke Münster und Verbund planen ein gemeinsames Batteriespeicher-Projekt. Foto: Stadtwerke Münster

Stadtwerke Münster: Großbatterie für mehr Flexibilität

[13.12.2024] Die Stadtwerke Münster und der österreichische Versorger Verbund planen einen Batteriespeicher für mehr Flexibilität im Stromnetz. mehr...

Der Batteriespeicher in Untersteinach wird eine Leistung von 10,35 Megawatt und eine Kapazität von 22 Megawattstunden haben. Foto: terralayr

Terralayr: Großbatterie für Oberfranken

[27.11.2024] terralayr errichtet einen neuen Batteriespeicher in Bayern. Die Anlage wird eine Leistung von 10,35 MW und eine Kapazität von 22 MWh haben. mehr...

Iqony: Batteriespeicher für Bahn

[15.11.2024] Ab 2026 wird die Deutsche Bahn den Iqony-Batteriespeicher „Steady Green Energy“ in Duisburg-Walsum nutzen, um ihr Ökostromportfolio zu flexibilisieren. Der 200-Megawattstunden-Speicher wird von Fluence, einem Joint Venture von Siemens und AES, gebaut. mehr...

Einer der größten Batteriespeicher Deutschlands wurde am 8. November in Arzberg eingeweiht Der bayerische Ministerpräsident Dr. Markus Söder sowie weiteren Gästen aus Politik und Wirtschaft bei der Einweihung. Foto: C. Fröhlich

Landkreis Wunsiedel: Mega-Batteriespeicher startet

[11.11.2024] Im Landkreis Wunsiedel wurde einer der größten Batteriespeicher Deutschlands eingeweiht. Es ist ein weiteres Projekt des WUNsiedler Wegs Energie. mehr...

Luftansicht eines Solarparks mit Batteriespeicher

ABO Energy: Zuschlag für Hybridprojekt

[18.10.2024] Das Unternehmen ABO Energy hat von der Bundesnetzagentur den Zuschlag für ein Hybridprojekt im baden-württembergischen Großrinderfeld erhalten, das eine Freiflächen-Photovoltaikanlage mit einem Batteriespeicher kombiniert. mehr...

Grafik zum Speicherpotenzial bidirektional-fähiger E-Autos

E.ON: Speicherpotenzial von E-Autos nutzen

[15.10.2024] Eine Schwarmbatterie aus Elektroautos, die vorbereitet sind für das bidirektionale Laden, könnte rechnerisch die Stromproduktion von mehreren Gaskraftwerken ersetzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Potenzialanalyse von E.ON Deutschland. mehr...

Zehn Jahre Batteriekraftwerk: Jubiläumsveranstaltung in Schwerin.

WEMAG: Pionier bei Batteriespeichern

[18.07.2024] Vor zehn Jahren hat die WEMAG ein Batteriekraftwerk in Betrieb genommen. Jetzt feierte der Schweriner Energieversorger das Jubiläum der Anlage. mehr...

Speichertechnologien ermöglichen Energieeffizienz
bericht

Energiespeicherung: Die Rolle von Großspeichern

[15.07.2024] So vielschichtig das Energiesystem ist, so vielschichtig sind auch die Speichertechnologien, die für die Energiewende benötigt werden. Sie ermöglichen Energieeffizienz, Versorgungssicherheit und Flexibilität auf allen Ebenen. Ein Überblick. mehr...

Ein Batteriespeicherkraftwerk mit einer Leistung von 30 Megawatt will das Wormser Unternehmen EWE bauen.

EWR: Batteriespeicher für Worms

[04.07.2024] Ein Batteriespeicherkraftwerk mit einer Leistung von 30 Megawatt will das Wormser Unternehmen EWR bauen und betreiben. Die Batteriemodule kommen von Tesvolt. mehr...

Blick in einen geöffneten Batteriespeicher-Container am Standort Schwabmünchen (Bayern

VERBUND: Großspeicher für Bayern und Hessen

[13.06.2024] Drei weitere VERBUND-Batteriegroßspeicher wurden in Bayern und Hessen in Betrieb genommen. mehr...

Blick von oben auf den Flensburger Wärmespeicher.

Stadtwerke Flensburg: Zweiter Speicher mit Elektrodenkessel

[07.06.2024] Die Stadtwerke Flensburg haben jetzt den zweiten Wärmespeicher und den zweiten Elektrodenkessel in Betrieb genommen. mehr...

Die Unternehmen Uniper und NGEN haben eine Partnerschaft zum Bau eines Batteriespeichers am Kraftwerksstandort Heyden in Nordrhein-Westfalen vereinbart.

Uniper: Batteriespeicher am Kraftwerk Heyden

[29.05.2024] Der Energiekonzern Uniper plant am Kraftwerksstandort Heyden in Petershagen den Bau eines Batteriespeichers mit einer Kapazität von 100 Megawattstunden. Das Projekt wird gemeinsam mit dem Speicherspezialisten NGEN umgesetzt. mehr...

In Münster hat die Deutsche Telekom jetzt zwei Batteriegroßspeicher in Betrieb genommen.

Deutsche Telekom: Batteriegroßspeicher in Betrieb

[07.05.2024] Im Münster hat die Deutsche Telekom jetzt mit seiner Tochtergesellschaft PASM die ersten Batteriegroßspeicher für die Integration erneuerbarer Energien in Betrieb genommen. mehr...

Die Optimierungssoftware von Kisters unterstützt Betreiber von Solar- und Windparks bei der Auswahl der richtigen Batterie und deren Einsatz.

Kisters: Batteriespeicher optimal vermarkten

[20.03.2024] Zusätzliche Erlöse durch die Optimierung von Batteriespeichern an Erzeugungsparks und Energiesystemen jeder Größe sind mit der Kisters-Optimierungssoftware möglich. mehr...

Trianel-Solarpark: Mit Batteriespeichern kann die zeitliche Verschiebung zwischen Erzeugung und Verbrauch gesteuert werden.
bericht

Hybridkraftwerke: Die kommunale Kraft der Energiewende

[28.02.2024] Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien gewinnen Speicherkapazitäten und Flexibilitätsoptionen an Bedeutung. Trianel stellt sich dieser Herausforderung mit Hybridkraftwerken und dem Bau eigener Umspannwerke. mehr...