EnergiespeicherungBatteriekraftwerk für Systemstabilität
Ein viel diskutiertes Problem der Energiewende ist die Frage, was passiert, wenn der Wind nicht weht und die Sonne nicht scheint, Wind- und Photovoltaikanlagen also keinen Strom produzieren. Eine untergeordnete Rolle hat dabei bisher gespielt, dass dies bei einer Vernetzung über ganz Deutschland oder sogar Europa nur extrem selten vorkommt. Doch wenn, dann werden bislang noch konventionelle Kraftwerke benötigt, um die Systemstabilität des Verbundstromnetzes zu jedem Zeitpunkt sicherstellen zu können. Der nächste Einwand gegen erneuerbare Energien lautet, dass diese einfach zu teuer sind. Ein Blick auf die Ergebnisse der veröffentlichten EEG-Ausschreibungsverfahren für Wind- und Photovoltaik-Eignungsgebiete aus der jüngsten Zeit zeigt, dass die Windkraft bei Kosten von etwa 5,5 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) und die Photovoltaik zwischen rund 3,3 und 5,5 ct/kWh liegt. Kohlestrom kostet dagegen mindestens 9,5 ct/kWh und Atomstrom – nehmen wir zum Vergleich das neue, staatlich geförderte Atomkraftwerk Hinkley-Point C in England – sogar bis zu 35 ct/kWh. Dabei sind die Umweltfolgen und die eine Million Jahre lang anstehende Atommülllagerung noch gar nicht eingepreist, während bei erneuerbaren Energien eine Vollkostenrechnung zugrunde liegt.
Übergangszeit kurzgehalten
Eine Zukunft aus 100 Prozent erneuerbarer Energie ist also heute schon deutlich preiswerter als die Stromerzeugung aus der Verbrennung fossiler Energieträger. Zumal die zu erwartenden erheblichen Beeinträchtigungen aus dem Klimawandel und die damit einhergehenden enormen volkswirtschaftlichen Kosten bei der konventionellen Energieerzeugung ebenfalls noch nicht eingepreist sind.
Was den Strom aktuell teuer macht, ist das parallele Fahren eines konventionellen und eines erneuerbaren Energiesystems. Beide schränken sich gegenseitig ein. Da konventionelle Kraftwerke derzeit noch für die Systemstabilität der Stromnetze benötigt werden, und ihr Abschaltprozess oft mehrere Tage in Anspruch nimmt, werden beim Erreichen der Strombedarfsdeckung unter anderem Windkraftanlagen abgeschaltet. Der Stromkunde muss dann 95 Prozent der entgangenen Einspeisevergütung an den betroffenen Anlagenbetreiber bezahlen, obwohl der Strom gar nicht eingespeist wurde. Die aktuelle Übergangszeit ist bei der Systemumstellung hin zu erneuerbaren Energien zwar unvermeidbar, sollte aus Kostengründen aber möglichst kurzgehalten werden.
Inselbetrieb sichergestellt
Aber was ist mit der Systemstabilität bei einer rein auf Erneuerbaren basierenden Energieversorgung? Hier kommt das 2019 fertiggestellte Batteriekraftwerk der Versorgungsbetriebe Bordesholm ins Spiel. Dessen Batteriehalle besteht aus 179 Einschubracks mit je zwölf Einschüben – insgesamt also 2.148 Stück – und je einem Steuerteil. Jeder Einschub beherbergt wiederum 22 Lithium-Ionen-Zellen von SAMSUNG-SDI mit je einer Kapazität von 96 Amperestunden (Ah). Insgesamt wurden in dem Batteriekraftwerk somit 47.256 Lithium-Ionen-Zellen verbaut. Die Leistung des Speichers beträgt maximal 17,5 Megavoltampere (MVA) mit einer vermarktbaren Leistung am Primärregelenergiemarkt von zehn Megawatt (MW). Die Speicherkapazität beträgt 15 Megawattstunden (MWh). Zum Vergleich: Die rund 7.500 Einwohner zählende Gemeinde Bordesholm hat eine Leistungsspitze von maximal 4,4 Megawatt.
Die Batterieumgebung ist in sieben Line-ups unterteilt, mit je einem 2,5-MVA-Wechselrichter und je einem 2,5-MVA-Öltransformator. Der Speicher ist an das 20.000-Volt-Mittelspannungsnetz angeschlossen. Von dort aus wird der Strom im Transformator auf 550 Volt heruntertransformiert und fließt dann durch den jeweiligen Wechselrichter, der je nach Ladezustand der Batterie eine Gleichspannung in Höhe von 850 bis 1.100 Volt in Richtung Batterie schickt.
Einzigartige Zusatzfunktion
Das Batteriekraftwerk ist so unter anderem in der Lage, die Frequenz im Verbundbetrieb sowie im so genannten Inselnetzbetrieb schnell und stabil bei 50 Hertz zu halten. Ist zu viel Energie im Netz, nimmt das Batteriekraftwerk Energie auf, bei zu wenig Energie gibt die Batterie wieder Energie ab. Ein Vorteil der Anlage ist die enorme Geschwindigkeit, mit der auf Frequenzschwankungen reagiert werden kann: Die Reaktionszeit liegt zwischen 20 und 200 Millisekunden. Damit ist das Kraftwerk geeignet, bei einem Ausfall des vorgelagerten Übertragungsnetzes für ganz Bordesholm einen Inselnetzbetrieb auf unbestimmte Zeit sicherzustellen. Dabei muss die Einspeisung aus erneuerbaren Energien zwar in einem bestimmten Zeitraum von zwei bis drei Stunden dem Verbrauch entsprechen, den physikalisch notwendigen genauen Ausgleich im Millisekundenbereich übernimmt aber das Batteriekraftwerk. Diese bisher in Europa einzigartige Zusatzfunktion zur Herstellung einer Inselnetzfähigkeit für ein öffentliches Stromnetz wurde von der EU mit rund 1,5 Millionen Euro gefördert.
Systemstabilität bewiesen
Das Batteriekraftwerk kann somit den Beweis antreten, dass eine dauerhaft systemstabile Stromversorgung rein mit erneuerbaren Energien möglich ist und konventionelle Kraftwerke in Zukunft hierfür nicht mehr benötigt werden. Allerdings steht noch ein Folgeprojekt an, denn es gibt noch ein paar übergeordnete technische Probleme, die dann etwa auch die tatsächlich ungeplante Umschaltung in den Inselnetzbetrieb ermöglichen. Dazu sind unter anderem noch einige regulatorische Veränderungen notwendig.
Zur Refinanzierung der Baukosten in Höhe von knapp zehn Millionen Euro stehen verschiedene Vermarktungsmöglichkeiten des Speichers zur Verfügung. Die momentan anspruchsvollste und daher wohl auch am besten vergütete Vermarktungsmöglichkeit liegt im Primärregelenergiemarkt. Die Versorgungsbetriebe Bordesholm rechnen mit einem Return on Investment von etwa 15 Jahren.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe September/Oktober 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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