Power-to-GasAus Strom wird Gas
Strom soll in Deutschland künftig überwiegend aus regenerativen Quellen stammen. Die Umstellung der Energieversorgung stellt neue Anforderungen an die Speicherung und bedarfsgerechte Bereitstellung des Ökostroms. Schreitet der Umbau der Energieversorgung wie geplant voran, müssen Langfristspeicher mit hohen Kapazitäten aufgebaut werden, um das Stromnetz zu stabilisieren und erneuerbaren Strom auch in Zeiten ohne Wind und Sonne bereitstellen zu können. Eine Lösung bietet das Power-to-Gas-Verfahren, bei dem Strom mittels Elektrolyse und Methanisierung in Methan umgewandelt wird, welches wiederum ins Erdgasnetz eingespeist und dann beispielsweise von Blockheizkraftwerken genutzt werden kann. Die Grundlagen für diese Technik hat das Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) entwickelt. Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES wird im Rahmen des Power-to-Gas-Projekts Simulationen durchführen, um den in Zukunft benötigten Speicherbedarf zu bewerten. Als industriellen Partner, welcher die spätere Markteinführung verantwortet, haben sich die beiden Forschungsinstitute die Firma SolarFuel ins Boot geholt.
Lösung für Langzeitspeicherung
„Die Idee hinter Power-to-Gas lautet, Strom- und Gasnetz zu verknüpfen“, erklärt Ulrich Zuberbühler, stellvertretender Leiter des Fachgebiets Regenerative Energieträger und Verfahren beim ZSW. „Denn im Erdgasnetz kann der Gasverbrauch von bis zu drei Monaten gespeichert werden. Für Strom existiert hingegen bislang kein saisonaler Speicher. Die Kapazität von Pumpspeicherkraftwerken etwa reicht gerade einmal aus, um soviel Strom zu speichern, wie in Deutschland in weniger als einer Stunde verbraucht wird.“
Für das Verfahren notwendig sind Wasserstoff und CO2. Der Wasserstoff wird mittels Elektrolyse gewonnen, das CO2 kann aus Biogasanlagen bereitgestellt werden. Denn diese produzieren ein Gemisch aus Methan und Kohlendioxid, welches nicht direkt ins Erdgasnetz eingespeist werden darf; hierfür muss zunächst das CO2 aus dem Biogas abgespalten werden. „Dieses nicht fossile Kohlendioxid, das aus Pflanzenwachstum stammt und welches wir für unser Verfahren nutzen können, würde ansonsten in die Atmosphäre entlassen“, erklärt Zuberbühler.
Um Power-to-Gas in der Praxis zu testen und die Technologie zu optimieren, hat das ZSW im Oktober 2012 in Stuttgart die bislang größte Demonstrationsanlage ihrer Art errichtet – mit einer Anschlussleistung von 250 Kilowatt und einer möglichen Methanproduktion von bis zu 300 Kubikmetern täglich ist die vom Bundesumweltministerium geförderte Anlage zehnmal stärker als die vor drei Jahren am ZSW entstandene Versuchsanlage. „Bei der Vorgängeranlage, welche in zwei Containern untergebracht war, kam es darauf an, die grundsätzliche Machbarkeit des Verfahrens zu demonstrieren“, sagt Ulrich Zuberbühler. „Die jetzige Anlage stellt hingegen schon einen Schritt in Richtung der kommerziellen Anwendung dar.“ So entspreche etwa die Steuerungs- und Regelungstechnik bereits derjenigen künftiger industrieller Großanlagen.
Gegenüber ihrer Vorgängerin zeichnet sich die neue Anlage zudem dadurch aus, dass sie dynamisch und intermittierend arbeitet. Zuberbühler: „Während bei der kleinen Container-Anlage alles mehr oder weniger manuell eingestellt werden musste, haben wir die Prozesse jetzt automatisiert.“ Die Anlage ist nun außerdem in der Lage, flexibel auf das schwankende Angebot an Strom aus Wind und Sonne sowie auf plötzliche Unterbrechungen zu reagieren. „Durch den modularen Aufbau können wir die Elektrolyse je nach Bedarf mit einem Wirkungsgrad von zehn bis hundert Prozent betreiben“, so der Projektleiter.
Politik gefordert
Das ZSW wird nun rund ein Jahr lang testen, wie der Wirkungsgrad des Power-to-Gas-Verfahrens optimiert werden kann, unter welchen Bedingungen die beste Gasqualität erzeugt wird und wie Investitionskosten bei Anschaffung und Betrieb von Power-to-Gas-Anlagen gesenkt werden können. Bis zur tatsächlichen Marktreife der Lösung werde es noch etwa drei bis fünf Jahre dauern, schätzt Ulrich Zuberbühler. „In diesem Zeitrahmen müsste es möglich sein, Ziele wie etwa die Kostensenkung der Technik zu erreichen, damit solche Anlagen wirtschaftlich betrieben werden können.“ Denn momentan gebe es für die Langzeitspeicherung von Strom keine Vergütung am Strommarkt. Während sich Pumpspeicherkraftwerke dadurch finanzieren, dass sie Strom nachts billig ein- und zu Spitzen-zeiten wieder verkaufen, existiert für saisonale Stromspeicher bislang kein vergleichbares wirtschaftliches Modell. Zuberbühler sieht daher auch die Politik in der Verantwortung, entsprechende Anreize zu schaffen, damit etwa Stadtwerke in Demonstrationsanlagen investieren. So könnte man diese beispielsweise von Endverbraucherabgaben befreien. „Selbst wenn nicht sofort ein akuter Bedarf an der neuen Speichertechnologie durch Power-to-Gas besteht, muss das Verfahren dennoch jetzt weiterentwickelt und dazu – trotz der derzeit noch nicht gegebenen Wirtschaftlichkeit – auch in Demonstrationsanlagen investiert werden“, betont Ulrich Zuberbühler.
Treiber Mobilität
Ein wesentlicher Treiber für die Weiterentwicklung des Power-to-Gas-Verfahrens könnte die Möglichkeit sein, damit Alternativen für die künftige Mobilität bereitzustellen. Denn das Methan kann nicht nur rückverstromt werden, aus dem System kann auch Kraftstoff für Brennstoffzellenfahrzeuge oder Erdgasautos bezogen werden. Dies nutzt etwa das Unternehmen Audi, welches Anfang 2013 das Projekt e-gas gestartet hat. Der Automobilkonzern hat sich dafür an einem Windpark im niedersächsischen Werlte beteiligt und das Unternehmen SolarFuel mit der Errichtung der ersten kommerziellen Power-to-Gas-Anlage beauftragt. Diese hat eine Anschlussleistung von sechs Megawatt und ist somit noch einmal um einiges größer als die Forschungsanlage des ZSW in Stuttgart. Kunden von Audi können sich dann künftig dafür entscheiden, mit CO2-neutralem Gas zu fahren. Tanken sie ihr Erdgasauto auf, wird dies registriert, und Audi verpflichtet sich, die gleiche Menge an erneuerbarem Erdgas in Werlte zu produzieren und ins Erdgasnetz einzuspeisen. In das e-gas-Projekt von Audi werden auch Erfahrungen aus der ZSW-Anlage einfließen.
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