InterviewAus der Praxis für die Praxis
Herr Brian, bereits zum vierten Mal findet der Kongress Energieautonome Kommunen in Freiburg statt. Mit welchem Konzept sind Sie gestartet?
Ende des vergangenen Jahrzehnts kam in vielen Gemeinden die Idee auf, die Energieerzeugung und -verteilung wieder verstärkt in die eigene Hand zu nehmen und damit ein Stück Autonomie und Gestaltungsfreiheit zurück zu gewinnen. Auslöser hierfür war sicher unter anderem, dass eine ganze Reihe von Konzessionsverträgen mit den großen Energieversorgern ausliefen und viele Gemeinden sich überlegt haben, eigene Stadtwerke zu gründen oder zumindest an Unternehmen zu vergeben, die mehr als nur Leitungen legen und Strom liefern. Mit unserem Kongress wollen wir diesen Gemeinden eine Plattform bieten, sich innerhalb weniger Tage einen Überblick zu verschaffen, welche Themen im Bereich der kommunalen Energiewende aktuell wichtig sind, welche Wege andere Gemeinden bei ihrer Umsetzung gehen und welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Immer mit Bezug zu aktuellen Fragestellungen in den Gemeinden und immer mit klarem praktischem Bezug, also: aus der Praxis für die Praxis.
Wie hat sich die Veranstaltung entwickelt?
Wir haben bereits für den ersten Kongress über 200 Teilnehmer gewinnen können und haben uns jetzt auf etwa 250 Teilnehmer eingependelt. Um den Praxisbezug weiter zu stärken, haben wir dem eigentlichen Kongresstag noch einen Workshop-Tag vorangestellt, wo in kleineren Gruppen Themen vertiefter behandelt werden können als im Rahmen einer reinen Vortragsveranstaltung. Dieses Konzept und die Entwicklung der Veranstaltung überzeugt offenbar auch viele Verbände und Netzwerke, die sich inzwischen als Kooperationspartner dem Kongress angeschlossen haben.
Was unterscheidet den Kongress von den vielen anderen Veranstaltungen zur Energiewende?
Mit den verschiendenen Formaten, also Workshops, Intensivseminaren, Diskussionsforen und Exkursionen und den verschienden Themen, die an den drei Tagen bespielt werden, sind wir sehr breit aufgestellt, sodass sich ganz viele kommunale Vertreter mit ihren Themen bei uns wiederfinden und sich eben in verschiedener Art und Weise damit beschäftigen können. Dazu gehört natürlich auch, dass man sich sein Programm ganz individuell zusammenstellen und nur das buchen kann, was einen wirklich interessiert. Ein anderer wichtiger Unterschied ist sicherlich das Ambiente des Kongresses. Das Konzerthaus Freiburg bietet mit seinem großzügigen und hellen Foyer eine sehr angenehme Atmosphäre, die zum Austausch mit anderen Teilnehmern oder Ausstellern einlädt und zudem ausreichend Möglichkeiten bietet, sich mal mit Gesprächspartnern etwas zurückzuziehen.
„Die Energiewende kann heuzutage nicht mehr von oben übergestülpt werden.“
Während die Politik diskutiert, findet die Energiewende in den Kommunen und Regionen längst statt. Welche Beispiele für die Energiewende von unten werden auf dem Kongress vorgestellt?
Unter anderem werden Beispiele aus den Orten Endingen, Großbardorf und Efringen-Kirchen vorgestellt und diskutiert. In Großbardorf beispielsweise ist eine sehr rege Bürgerenergiegenossenschaft aktiv. Sie finanziert und betreibt Gemeinschaftsanlagen, Photovoltaikanlagen auf öffentlichen und privaten Dächern und ein Nahwärmenetz, an das rund 150 Haushalte angeschlossen sind. 2012 ist Großbardorf vom Bundeslandwirtschaftsministerium als eines von drei vorbildlichsten Bioenergiedörfern Deutschlands ausgezeichnet worden. Aus Endingen wird Bürgermeister Hans-Joachim Schwarz berichten, wie man als Kommunalverwaltung Impulse aus der Bürgerschaft zur kommunalen Energiewende aufnehmen, verstärken und damit zum Erfolg führen kann.
Welche weiteren Programm-Highlights würden Sie hervorheben?
Wir haben dieses Mal auch verstärkt internationale Gäste im Programm, die auf Einladung des Städte-Netzwerks ICLEI als Redner zu unserem Kongress kommen. So haben zum Beispiel Pierre Schmitt aus Luxemburg sowie Dagmar Gormsen aus Lund in Schweden ihr Kommen zugesagt. Dagmar Gomsen wird zur Bürgerbeteiligung in Energieaktionsplänen schwedischer Kommunen sprechen und damit den Teilnehmern einen interessanten Blick über den deutschen Tellerrand hinaus bieten. Aus politischer Sicht und vor dem Hintergrund der aktuellen EEG-Novelle sicherlich spannend wird die Begrüßungsrede des baden-württembergischen Umweltministers Franz Untersteller. Nicht zuletzt bietet der Kongress am dritten und letzten Tag ja auch Exkursionen. Eine führt zum Beispiel nach Fischerbach. Hier baut die örtliche Bürgerenergiegenossenschaft ein in dieser Form einzigartiges bidirektionales Kalt-Wärme-Netz. Ein Projekt, das man sicher nicht alle Tage zu sehen bekommt.
Was müssen Kommunen auf dem Weg in die Energieautonomie aus Ihrer Sicht beachten?
Sie sollten, wo immer möglich, früh die Bürger einbinden. Nicht nur um Akzeptanz für die Maßmnahmen vor Ort zu bekommen, sondern auch, um das Ideenpotenzial und die Bereitschaft zur Mitarbeit zu nutzen. Viele Projekte, gerade im Bereich Nahwärmenetze, wären ohne starkes bürgerschaftliches Engagement oftmals wirtschaftlich gar nicht darstellbar. Die Energiewende kann heutzutage nicht mehr von oben übergestülpt werden. Es ist ein gemeinschaftlicher Prozess nötig, der von einer Mehrheit mitgetragen werden muss – denn mit der Energiewende kommt die Energieerzeugung zurück in die Dörfer, Gemeinden und Städte: sichtbar, hörbar, fühlbar, riechbar. Und natürlich nicht zuletzt wichtig: Ohne intensives Engagement für mehr Energieeinsparung ist die Energiewende nicht zu schaffen, insbesondere im Bereich der Wärmeversorgung.
Dieses Interview ist in der März-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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