InterviewAufholjagd in Rheinland-Pfalz
Frau Ministerpräsidentin, Digitalisierung steht ganz oben auf der Agenda Ihrer Regierung. Warum haben Sie das Thema zur Chefsache gemacht?
Die Digitalisierung betrifft uns alle. Sie spielt inzwischen in fast allen Bereichen unseres Lebens eine Rolle und bietet neue Chancen, um allen Bürgern und Bürgerinnen Teilhabe zu ermöglichen, unsere Wirtschaft zu stärken, den demografischen Wandel zu gestalten und die Verwaltung zu modernisieren. Die Digitalisierung ist auch ein wichtiger Wegbereiter für eine zukunftsfähige und sichere Energieversorgung. In diesen Entwicklungen sehe ich großen Fortschritt und Raum für viele neue Impulse. Daher gestalten wir als Landesregierung den digitalen Wandel aktiv mit.
Sie haben sogar das bundesweit erste Digitalisierungskabinett eingerichtet. Was sprach für ein solches Gremium – und welche Aufgaben hat es?
Im Digitalisierungskabinett bespreche ich mit allen meinen Ministern und Ministerinnen die gemeinsamen Schritte in Richtung einer guten digitalen Gesellschaft. Digitalisierung passt als Querschnittsaufgabe nicht in nur ein zuständiges Ressort. Ich habe daher das Digitalisierungskabinett eingerichtet, um der Vielfalt der Lebensbereiche, in die der digitale Wandel hineinspielt, gerecht zu werden. Um die vielfältigen Themenfelder in ganzer Breite zu erfassen, sind bei uns alle Ministerien beteiligt und die Staatskanzlei koordiniert die Digitalisierungsaktivitäten.
Eine Digitale Strategie Rheinland-Pfalz wurde bereits skizziert. Was sind die wesentlichen Punkte?
Mir ist es sehr wichtig, dass wir die Bürger und Bürgerinnen bei der Digitalisierung mitnehmen. Die Landesregierung hat daher mit dem Digital-Dialog im Netz und in vielen Veranstaltungen einen offenen Dialogprozess zur Entwicklung unserer Digitalstrategie durchgeführt. Dies hat gezeigt: Die Bürger und Bürgerinnen wollen den digitalen Wandel mitgestalten und ihre Ideen und Vorstellungen einbringen. Die Digitalstrategie wollen wir im Frühjahr nächsten Jahres vorstellen. Sie wird die verschiedenen Lebensbereiche, in denen die Digitalisierung eine Rolle spielt, abbilden. Dabei ist klar, dass die Digitalisierung niemals Selbstzweck ist. Digitale Anwendungen sind vielmehr ein Instrument, um die Lebensqualität der Menschen vor Ort konkret zu verbessern.
Welche Ziele verfolgt die Landesregierung mit der Strategie?
Die Landesregierung ist in vielen Bereichen bereits aktiv, um positive Antworten auf die umwälzenden Veränderungen zu finden. Grundlage aller digitalen Anwendungen ist natürlich der Breitband-Ausbau, also eine zukunftsfähige, digitale Infrastruktur. Daneben wollen wir den demografischen Wandel gestalten und unsere ländlichen Räume entwickeln. Mit unserem Modellprojekt Digitale Dörfer erarbeiten wir zum Beispiel Zukunftskonzepte für das Leben auf dem Land. Wir wollen unsere Wirtschaft nachhaltig und wettbewerbsfähig halten und das Arbeiten in der digitalen Welt ermöglichen. Wichtig ist es natürlich auch, die Veränderungen in den Bereichen der Wissenschaft, Gesundheit, der Energiewende und des Verbraucher- und Datenschutzes zu begleiten und zu gestalten. Wir wollen die Verwaltung in Rheinland-Pfalz digital aufstellen und Antworten auf die wachsenden Herausforderungen der IT-Sicherheit finden. Voraussetzung für den Erfolg ist aber, dass wir alle Menschen für die digitale Welt fit machen. Die digitale Bildung ist daher für mich ein ganz wichtiger und zentraler Teil der Strategie. Wir wollen die digitale Bildung in der gesamten Bildungskette von der Kita zur Hochschule bis hin zum lebenslangen Lernen verankern.
Das Fundament für die Digitalisierung sind Breitband-Netze. Wie ist der Ausbaustand im Land?
Wir haben in den vergangenen Jahren eine regelrechte Aufholjagd erlebt. Im Jahr 2011 verfügten gerade einmal 27,2 Prozent der Haushalte im Land über Bandbreiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde (Mbit/s). Gemeinsam mit den Kommunen und der Wirtschaft haben wir es geschafft, dass heute, Mitte des Jahres 2017, bereits 76,7 Prozent der Haushalte auf diese Bandbreiten zurückgreifen können. 62 Prozent der Haushalte können sogar bereits auf Bandbreiten von mindestens 100 Mbit/s zurückgreifen.
„Grundlage aller digitalen Anwendungen ist der Breitband-Ausbau.”
Wie unterstützt das Land die Städte und Gemeinden beim Breitband-Ausbau?
Die Landesregierung setzt auf den Breitband-Ausbau innerhalb von Kreis-Clustern, um kleinteiliges Vorgehen und weiße Flecken der Unterversorgung zu vermeiden. Die Landesregierung hat dafür Machbarkeitsstudien in Höhe von insgesamt 800.000 Euro gefördert. Auf dieser Grundlage kann in allen Landkreisen, die sich um eine Verbesserung der Breitband-Infrastruktur bemühen, durch die Förderung mit entsprechenden Landes- und Bundesmitteln der landkreisweite Breitband-Ausbau zukunftssicher realisiert werden. In den kommenden Monaten werden nun überall im Land die Bagger rollen, um rund 7.800 Kilometer neue Glasfaser-Infrastrukturen zu verlegen. Dafür haben wir frühzeitig verbindliche Kofinanzierungszusagen gemacht und stellen allein bis zum Jahr 2020 124,7 Millionen Euro für den Breitband-Ausbau bereit.
Mitte des Jahres haben Sie ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, um den Breitband-Ausbau im Land noch weiter voranzubringen. Welche Partner sollen wie dazu beitragen?
Wir haben uns bereits in unserem Koalitionsvertrag sehr früh, auch im Vergleich zu den übrigen Bundesländern, auf den Netz-Infrastrukturwandel hin zu Glasfaser-Infrastrukturen, verpflichtet. Das ist ein Mammutprojekt. Hinsichtlich der hierfür notwendigen Baumaßnahmen, aber auch hinsichtlich der Kosten, die auf Bund, Land, Kommunen und die Wirtschaft zukommen. Mittlerweile hat sich durch die Fördermittel des Landes und des Bundes und das stetige Engagement der Wirtschaft viel getan. Mit dem Memorandum of Understanding hat die Landesregierung zusammen mit Telekommunikationsunternehmen, Verbänden sowie den Kammern und den kommunalen Spitzenverbänden vereinbart, den Breitband-Ausbau im Land noch weiter voranzubringen. Entscheidend hierfür wird sein, dass weiterhin erhebliche Investitionen in den Auf- und Ausbau glasfaserbasierter Gigabit-Infrastrukturen fließen. Hierauf haben sich alle im Netzbündnis verständigt.
Welche Rolle spielen die Stadtwerke beim Aufbau der Glasfaser-Infrastruktur?
In den kommenden Jahren wird es verstärkt darauf ankommen, die Glasfaser-Infrastrukturen weiter in die Orte und Gemeinden sowie den ländlichen Raum zu bringen. Stadtwerke können hierbei eine ganz wesentliche Rolle übernehmen. Denn niemand kennt die Infrastruktur vor Ort so gut wie sie. Wir müssen die Stadtwerke und die Gemeinden dahingehend sensibilisieren, dass bei allen Straßenbaumaßnahmen konsequent geprüft wird, ob eine Mitverlegung von passiver Glasfaser-Infrastruktur sinnvoll ist – das DigiNetzG schreibt dies ohnehin vor. Hierzu bedarf es natürlich detaillierter Netzplanungen.
Wie können gerade kleinere Gemeinden mit Glasfaser angebunden werden und wie wird der Bau flächendeckender Gigabit-Netze finanziert?
Unsere Erfahrungen im Land haben gezeigt, dass es sinnvoll ist, größere Ausbaueinheiten auf Landkreisebene zu schaffen. Ein solches Vorgehen ermöglicht es, auch weniger wirtschaftlich attraktive Gemeinden verpflichtend mit auszubauen, was sich im Verbund aller auszubauenden Gemeinden wiederum rechnen kann. So vermeiden wir in Rheinland-Pfalz beim weiteren Breitband-Ausbau, dass weiße Flecken zurückbleiben. In den kommenden Monaten werden wir genau beobachten, wie sich eine neue Bundesregierung im Bereich des Breitband-Ausbaus aufstellen wird. Alle Parteien haben in ihren Wahlprogrammen versprochen, die finanzielle Ausstattung des Breitband-Ausbaus zu verbessern und zu verstetigen. Wenn wir erkennen können, was der Bund plant, werden wir als Land uns daraufhin ausrichten, um so für unsere Kommunen eine bestmögliche Verzahnung von Bundes- und Landesmitteln sicherzustellen.
Wie ist Ihre Vorstellung vom künftigen digitalen Musterland Rheinland-Pfalz?
Im digitalen Musterland Rheinland-Pfalz leben wir vernetzt, denn nur durch eine intelligente Vernetzung der Akteure, der zahlreichen Projekte und Bedarfe, können wir die Chancen der Digitalisierung nutzen. Wir haben unglaublich tolle Initiativen und innovative Bürger und Bürgerinnen in unserem Land. Mich berät beispielsweise mein Landesrat für digitale Entwicklung und Kultur, in dem Experten aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Digitalisierung sitzen. Ich habe außerdem vor Kurzem Preise für das Ehrenamt 4.0 vergeben. Da waren sehr vielfältige Ideen dabei, wie das Ehrenamt sich digitale Anwendungen zunutze machen kann und wie umgekehrt die Digitalisierung das Ehrenamt im Netz unterstützen kann. Gut konnte man die Vernetzung auch auf dem Digitalgipfel der Bundesregierung sehen, der in diesem Jahr in Rheinland-Pfalz, in der Metropolregion Rhein-Neckar stattgefunden hat. Wissenschaft, Unternehmen und die Zivilgesellschaft leisten in der Metropolregion einen großartigen Austausch untereinander.
Dieser Beitrag ist in der November-/Dezember-Ausgabe 2017 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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