Kraft-Wärme-KopplungAlte Weisheit gilt nicht mehr
Wie wirken sich die Maßnahmen des Klimapakets der Bundesregierung auf die Wirtschaftlichkeit von Anlagen der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) aus? Dieser Frage ist das Beratungsunternehmen BET nachgegangen. Dabei wurde vor allem die Einführung eines CO2-Preises für Gebäude und Verkehr sowie Anlagen, die nicht dem EU-Emissionshandel unterliegen, betrachtet.
Für die Jahre 2021 bis 2025 waren im Klimapaket zunächst Preise von 10 bis 35 Euro pro Tonne (€/t) im Sinne einer Steuer festgelegt, die vom Vermittlungsausschuss auf eine Spanne von 25 bis 55 €/t erhöht worden sind. Danach sollen von 2026 bis 2030 Versteigerungen mit einem Preiskorridor zwischen 55 und 65 €/t CO2 erfolgen. Die weiteren Festlegungen des Klimapakets, wie Ausbau des Ökostroms, Ölheizungen und Gebäudesanierung, Regelungen im Verkehr, soziale Kompensationen, Finanzierung und Kontrolle der Wirksamkeit sind für die Fragestellung nicht maßgeblich.
Drei Szenarien
BET erstellt in regelmäßigen Updates Energiemarktszenarien auf der Basis von Daten des World Energy Outlooks (WEO) der IEA und eines eigenen Fundamental-Modells, das den westeuropäischen Kraftwerkspark abbildet. Nach WEO gibt es drei Szenarien, die den BET-Szenarien zugrundeliegen: Current Policy, New Policy und Sustainable Development.
Das Szenario Current Policy schreibt die derzeitige Entwicklung fort und führt zu 60 Prozent CO2-Einsparung gegenüber dem Jahr 1990. Das Szenario New Policy unterstellt stark zunehmende politische Klimaschutzmaßnahmen und führt zu 80 Prozent CO2-Einsparung. Nur das Szenario Substainable Development hält die Vereinbarungen des Pariser Klimaabkommens aus dem Jahr 2015 ein. Die Festlegungen des Klimapakets wurden in das gewählte Szenario New Policy integriert, wobei angenommen wurde, dass der nationale und der EU-Emissionshandel nach 2030 zusammengefasst werden. Es wurde eine Inflation von 1,5 Prozent pro Jahr angenommen.
Energiemarktszenarien werden oft mit Spreads bewertet, die das Rohertragspotenzial bestimmter Kraftwerkstypen darstellen. In die Clean Spreads gehen nur die Stromerlöse, die Brennstoff- und CO2-Kosten ohne Nebeneffekte ein. Die Wirtschaftlichkeit von konkreten Kraftwerken muss immer gesondert berechnet werden. Für die Bewertung von Energiemarktszenarien haben sich Clean Spark Spreads und Clean Dark Spreads herausgebildet. Die für diese Untersuchung relevanten Spark Spreads liegen langfrisitig im Szenario New Policy durchgängig unter denen des Szenarios Current Policy, gleiches gilt für die Dark Spreads. Eine aktive Klimaschutzpolitik (New Policy) wird also die Milieubedingungen von fossilen KWK-Kraftwerken verschlechtern.
CO-Generation Index
Als KWK-Spread wurde der Wirtschaftlichkeitsindikator COGIX (Clean CO-Generation Index) vorgeschlagen, bei dem eine erzielbare Wärmegutschrift integriert wird. Als erzielbarer Wärmepreis wurden die 1,3-fachen Brennstoff- und CO2-Kosten vorgeschlagen, was ungefähr den Wärmekosten von Kesseln inklusive Steuer und CO2 entspricht. In den COGIX gehen KWK-Zuschlag, Stromsteuervorteil, vermiedene Netzentgelte (vNE) und weitere Nebeneffekte nicht ein. Der COGIX New Policy mit integriertem Klimapaket läuft ab 2030 etwa waagerecht und sinkt ab 2040 deutlich ab, was bedeutet, dass ab 2040 die Milieubedingungen für klassische KWK kritisch werden. Die kleineren KWK-Anlagen können ihren Stromnachteil durch ihren Wärmevorteil leicht überkompensieren.
Im Folgenden sollen KWK-Anlagenklassen mit 0,5 Megawatt elektrisch (MWel), zwei MWel und zehn MWel mit Stromnetzeinspeisung und typischer Versorgung eines Wärmenetzes mit Spitzenkesseln untersucht werden. Eigenbedarfsanlagen, die in der Regel wirtschaftlicher sind, werden nicht betrachtet. Für die Anlagen wurde eine Einsatzsimulation im Stundenraster von 2020 bis 2050 zur Optimierung der variablen Deckungsbeiträge durchgeführt (Spiegelung am Spotmarkt).
Eingeschränkte Wirtschaftlichkeit
Für die Anlagen, die an der KWK-Ausschreibung teilnehmen müssen (zwei und zehn MW), wurde in Anlehnung an die letzte Ausschreibung ein Zuschlag von 40 Euro pro Megawattstunde (€/MWh) angenommen, keine vermiedenen Netzentgelte und der KWK-Zuschlag nur für 3.500 Betriebsstunden pro Jahr. Für die Anlage 500 kW wurde ein KWK-Zuschlag von 51 €/MWh nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) angesetzt. Weiterhin wurde angenommen, dass die KWK-Förderung nach 2025 ausläuft. Der Stromsteuervorteil für die Anlagen 500 kW und zwei MW wurde als dauerhaft angesehen. Die vermiedenen Netzentgelte wurden für die Anlage mit 500 kW mit 50 Prozent Leistungskomponente und ohne Netzreservekapazität angenommen.
Die Vollkosten der Wärmeerzeugung der KWK-Systeme bewegen sich nach der KWK-Förderung nur noch gering unter den Kosten von Kesselanlagen. Die KWK-Laufzeiten bewegen sich von 4.000 bis 4.500 bis 2035 auf 2.500 Betriebsstunden pro Jahr im Jahr 2050 zu. Die wirtschaftlich kritische Situation der KWK-Systeme ist auf den stärkeren Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung im Energiemarktszenario New Policy und auf die Festlegungen des Klimapakets zurückzuführen.
Das Klimapaket beinhaltet nur die Verteuerung von Brennstoff, der Strom als Koppelprodukt der KWK ist im Emissionshandel und deshalb außerhalb des Klimapakets. Dies führt zu einer Benachteiligung der KWK gegenüber Kesselanlagen. Das Szenario New Policy und das Klimapaket schränken die Wirtschaftlichkeit der KWK deutlich ein. Für die Wirtschaftlichkeit der KWK wäre eine längere Fortschreibung des KWK-Gesetzes wünschenswert.
KWK wird benachteiligt
Die BET-Untersuchung zeigt, dass eine aktive Klimapolitik (Szenario New Policy) und die CO2-Bepreisung im nationalen Klimapaket die wirtschaftliche Substanz der Effizienztechnologie KWK zunehmend bedrängt. Die Befürchtung, dass das deutsche Klimapaket mit seinen diskutierten Forderungen die Wirtschaftlichkeit von KWK im Vergleich zu Kesselkosten gefährdet, ist mit dem Vorschlag des Vermittlungsausschusses zur CO2-Bepreisung im Klimapaket nochmal gestiegen.
Die alte Weisheit, dass die Integration von Umweltkosten die umweltfreundlichen Technologien wie KWK wirtschaftlich begünstigt, bestätigt sich nicht, weil der Strom nicht in das Klimapaket einbezogen ist. Es sollte trotzdem im Sinne des Klimaschutzes das Ziel bleiben, dass 100 Prozent der Residuallast von KWK-Anlagen gedeckt wird, auch wenn man das Ziel wahrscheinlich nicht erreichen wird. KWK-Anlagen sind schlicht effizienter als Kondensationskraftwerke und entlasten die Umwelt. KWK ist eine geeignete Übergangstechnologie zu erneuerbarer Stromerzeugung und sollte entsprechend wie erforderlich gefördert werden.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Januar/Februar 2020 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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