Sonntag, 22. Dezember 2024

NetzarchitekturAktive oder passive Glasfasertechnik?

[21.01.2019] Ziel der Bundesregierung ist es, in Deutschland bis zum Jahr 2025 ein flächendeckendes Gigabit-Netz zu errichten. Die Netzbetreiber haben beim Breitband-Ausbau die Wahl zwischen aktiver und passiver Glasfasertechnik – doch wo liegen die Unterschiede?
Eine Passive-Optical-Network-Architektur für FTTH/B.

Eine Passive-Optical-Network-Architektur für FTTH/B.

(Bildquelle: KEYMILE)

Weltweit hat die Telekommunikationsindustrie seit nunmehr Jahrzehnten umfangreiche Erfahrungen mit aktiven und passiven optischen Netzen gesammelt. Seitdem wurden intensive Diskussionen über deren Vor- und Nachteile geführt. Übereinstimmendes Ziel optischer Netze ist es, die Glasfaser bis in die Gebäude und Wohnungen zu bringen, denn der FTTH/FTTB (Fibre-to-the-Home-/ Fibre-to-the-Building-)-Ansatz ist bezüglich der Bandbreite perspektivisch die beste Variante.
Technisch betrachtet unterscheidet sich die passive Zugangstechnologie durch die Nutzung eines Splitters von den aktiven optischen Netzen. Das optische Signal wird an einem Splitter-Standort passiv aufgeteilt und dann zu den optischen Netzabschlüssen (ONT, Optical Network Termination) bei den einzelnen Teilnehmern übertragen. Der ONT empfängt den gesamten verschlüsselten Downstream-Datenstrom und filtert den für ihn bestimmten Anteil aus dem Gesamtsignal heraus. In Upstream-Richtung sendet der ONT in einem ihm zugeteilten Zeitfenster seine Daten in Richtung des zentralen Zugangsknotens (OLT, Optical Line Termination). Zwischen Splitter und OLT findet somit eine Mehrfachnutzung der Glasfaserstrecke statt. Bei der aktiven Zugangstechnologie – auch als Punkt-zu-Punkt-Netzstruktur (P2P-Netzstruktur) bezeichnet – besteht eine dedizierte Glasfaserstrecke zwischen Netzabschluss beim Teilnehmer (ONT) und dem zentralen Zugangsknoten (OLT). Anders ausgedrückt: In einer P2P-Netzstruktur eines aktiven Glasfasernetzes erhält jeder Teilnehmer eine eigene Glasfaser.

Anzahl optischer Anschlüsse

Bislang haben sowohl die Stadtwerke als auch regionale Energieversorger einen Großteil der Glasfaseranschlüsse in Deutschland errichtet. Sie werden auch künftig eine entscheidende Rolle spielen, wenn es bis Mitte des nächsten Jahrzehnts ein flächendeckendes Glasfaser-Gigabit-Netz geben soll. Bei Neuinvestitionen gilt es, bei der Entscheidung zwischen aktiver und passiver Technologie eine Reihe von Kriterien zu berücksichtigen.
Ein erster Aspekt ist die Zahl der optischen Anschlüsse pro Netzknoten. In einer passiven Architektur können Betreiber einige hundert bis zu mehreren tausend Teilnehmer anschließen. So genügt ein voll ausgebauter Netzwerkknoten, um vor allem in städtischen, dicht bebauten Gebieten mehr als 10.000 Teilnehmer zu versorgen. Im Gegensatz dazu ist die aktive Glasfasertechnologie häufig bei geringeren Bevölkerungsdichten und ländlichen Strukturen die bevorzugte Wahl. Als grobe Richtlinie gilt: Die Passive-Optical-Network-Architektur (PON-Architektur) eignet sich vor allem für Telekommunikationsunternehmen, die mit einem Netzknoten eine möglichst große Teilnehmerzahl in einem Stadtteil mit hoher Einwohnerdichte abdecken wollen. Komplementär dazu gilt für die aktive Glasfasertechnologie, dass diese vor allem in kleinen bis mittelgroßen Ausbaugebieten mit einigen hundert bis mehreren tausend Teilnehmern bevorzugt wird.

Bandbreite pro Anschluss

Ist eine Festlegung bezüglich der Zahl der optischen Anschlüsse pro Netzknoten getroffen, geht es im nächsten Schritt um die Bandbreite pro Anschluss. Bei einer PON-Architektur ist die Bandbreite variabel und von mehreren Faktoren abhängig: erstens von der eingesetzten PON-Technologie, wie etwa GPON oder den Nachfolgetechnologien XGS-PON und NG-PON2; zweitens vom Splitting-Faktor – so können beispielsweise mit einer Faser 32, 64 oder bis zu 128 Teilnehmer angeschlossen werden – und drittens der gewählten Überbuchung. Hier können Netzbetreiber an mehreren Stellschrauben drehen, um die beim Endkunden ankommende Bandbreite festzulegen.
Mit dem aktuell weit verbreiteten GPON lassen sich im Downstream 2,5 Gigabit pro Sekunde (Gbit/s) und im Upstream 1,25 Gbit/s erzielen, bei XGS-PON sind es symmetrisch maximal 10 Gbit/s. Die symmetrische Bandbreite ist aber auch bereits jetzt mit aktiver P2P-Technologie realisierbar. Genutzt werden die 10 Gbit/s in erster Linie von Unternehmen, die einen besonders hohen Bandbreitenbedarf haben. Bei der aktiven Glasfasertechnologie wird jeder Teilnehmer mit einer eigenen Glasfaser aufgeschaltet. Damit können Bandbreiten zwischen 100 Megabit pro Sekunde (Mbit/s) und 10 Gbit/s pro Haushalt oder Unternehmen realisiert werden.

Kostenfaktor berücksichtigen

Als letzten Aspekt müssen Netzbetreiber eine detaillierte Kostenbetrachtung vornehmen. Vereinfacht ausgedrückt: Lässt sich mit einem Zugangsknoten – und zwar ohne Berücksichtigung und weiterer Gewichtung anderer Faktoren – eine große Zahl von Teilnehmern anschließen, entscheiden sich Netzbetreiber in den meisten Fällen für die passive Glasfasertechnologie. Lokale Energieversorger oder regionale Anbieter, die in Kleinstädten und dünn besiedelten ländlichen Gebieten tätig sind, nutzen vorwiegend aktive Technologie.
Diese Kriterien sollen zunächst als erste Orientierungshilfe dienen.Die gute Nachricht: Nicht immer müssen Netzbetreiber eine eindeutige Entscheidung für oder gegen aktive beziehungsweise passive Technologie treffen. Es gibt auch die Möglichkeit eines parallelen Betriebs von P2P- und PON-Karten in einem einzigen Zugangsknoten. Mit aktiver Technik werden Siedlungen mit Einfamilienhäusern adressiert, mit passiver optischer Technik eher städtisch strukturierte Gebiete mit Mehrfamilienhäusern. Durch diese Kombination eröffnen sich für Netzbetreiber neue, attraktive Optionen.

Jürgen Aschmies ist Pre-Sales-Ingenieur bei der Keymile GmbH, Hannover.


Stichwörter: Breitband, Keymile, Glasfaser


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