MannheimAbwasser wärmt
Die EU-Gebäuderichtlinie von 2010 verpflichtet die Mitgliedsstaaten, ab 2021 nur noch Neubauten zuzulassen, die eine sehr hohe Gesamt-energieeffizienz aufweisen. Der Energiebedarf der so genannten Niedrigstenergiegebäude soll dabei zu einem wesentlichen Teil durch erneuerbare Energien abgedeckt werden. Der Kanalanschluss, das letzte große Wärmeleck in Gebäuden, wird durch die bisherige Fassung der Energieeinsparverordnung (EnEV) 2009 nicht geschlossen – obwohl an dieser Stelle etwa 15 Prozent der Wärmeenergie eines Hauses älterer Bauart verloren gehen.
Bereits im Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) wurde Wärme aus Abwasser als förderwürdig eingestuft, jedoch nicht als erneuerbare Energie. Demnach ist die Nutzung von Abwärme eine Ersatzmaßnahme, wenn der Wärme-
energiebedarf zu mindestens 50 Prozent aus Anlagen zu ihrer Nutzung gedeckt wird.
Das Pumpwerk Ochsenpferch ist mit Baujahr 1908 Mannheims älteste, noch im ursprünglichen Betriebszustand erhaltene Anlage ihrer Art. Für die Umrüstung in den Jahren 2010 bis 2011 hat die Stadtentwässerung Mannheim die Bauingenieurin Tanja Teichert beauftragt. Für eine angemessene Raumtemperatur war insbesondere die Abwärmenutzung interessant. Das Pumpwerk wurde damit zum ersten derartigen Objekt der Stadt. Deutschlandweit gibt es 40 solcher Objekte. Eine Besonderheit des Mannheimer Vorhabens ist, dass Tiefbau und Heizungstechnik gemeinsam vergeben wurden. Teichert: „Wir wollten wegen der Gewährleistung keine Schnittstelle; auch, damit der Anbieter die aus seiner Sicht bestmögliche Kombination realisieren kann.“
Klima- und Denkmalschutz zu berücksichtigen
Da das Pumpwerk unter Denkmalschutz steht, durften keine die Bausubstanz verändernden Maßnahmen wie etwa Wärmeschutz durchgeführt werden. Wenig klimaschonend war zudem die Ölheizung aus dem Jahr 1998. Abwasser hingegen ist eine ganzjährig zuverlässige, lokal vorhandene Energiequelle mit einem konstanten Temperaturniveau zwischen 12 und 20 Grad Celsius. Dank einer Wärmebedarfsberechnung ist das Mannheimer Projekt mit 22.000 Euro vom Land Baden-Württemberg aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung bezuschusst worden. Laut Berechnung liegt der Heizbedarf im Pumpwerk Ochsenpferch bei 137,5 Kilowatt. Die Heizungstechnik ist bivalent ausgelegt, das heißt, die alte Ölheizung bleibt für den Spitzenbedarf als Reserve einsatzbereit, nur die Grundlast wird durch die Kanal-Abwärme gedeckt. So konnte mit der Installation der Wärmeübertrager im Kanal und der Wärmepumpe im Gebäude eine Einsparung von 11.000 Euro pro Jahr veranschlagt werden. Das führt zu einer Amortisationszeit von voraussichtlich sieben bis acht Jahren. Mark Biesalski, Geschäftsführer des Auftragnehmers Uhrig Kanaltechnik: „Wir haben eine Anlage mit langer Lebensdauer und besonders niedrigen Betriebskosten konzipiert.“
Preisgünstige Lösung
Im Abwasserkanal konnten die Wärmeübertrager-Elemente bequem nachträglich eingebaut und zu einer 15 Meter langen Strecke zusammengesetzt werden. Die Entzugsleistung beträgt hier 110 Kilowatt bei der vorhandenen Wassertemperatur von 14 bis 17 Grad Celsius und einem Trockenwetterabfluss von 400 Litern pro Sekunde. Die auf der Kanalsohle befestigten Wärmeübertrager sind durch einen geschlossenen Leitungskreis mit der Wärmepumpe im Gebäude verbunden. Die Eintrittstemperatur des Transportmediums Wasser am Therm-Liner-System beträgt fünf, die Austrittstemperatur neun Grad Celsius. Ideal ist eine Abwassertemperatur von mehr als zehn Grad. So werden dem Abwasser circa zwei bis vier Grad Temperatur entzogen. Eine Wärmepumpe verdichtet die Abwasserwärme anschließend auf die für die Heizung erforderliche Temperatur von 50 Grad. Das ist unter Berücksichtigung der Vollkosten für die Wärmepumpe deutlich preisgünstiger als die bisherige Heizung mit ihrem Ölbedarf von mehreren tausend Litern pro Jahr.
Der Auftragnehmer hat auch das so genannte Fouling, das Entstehen von Ablagerung und Sielhaut auf den vom Abwasser überströmten Wärmeübertragern, berücksichtigt. Es kann durch die unerwünscht dämmende Wirkung bis zu 40 Prozent des Wärmeertrags kosten. Beim Pumpwerk Ochsenpferch ist diese Wirkung bei der Bemessung der Anlagengröße berücksichtigt worden. Das heißt, die zu erwartende Verschmutzung der nachträglich auf der Kanalsohle eingesetzten Edelstahlelemente wurde durch Überdimensionierung kompensiert, sodass keine Reinigung nötig ist. Dank der Abwärmenutzung spart das Pumpwerk Ochsenpferch jetzt jährlich mehr als 30 Tonnen CO2 ein.
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