Klimafreundliches BauenAbschied von Energiedinosauriern
Photovoltaikanlagen an der Fassade und auf dem Dach, eine hochwärmedämmende Gebäudehülle und eine Kombination von Erdwärme und Solarthermie: Das Rathaus Freiburg im Stadtteil Stühlinger gilt als erstes öffentliches Netto-Plusenergie-Bürogebäude der Welt. Da das Rathaus sogar mehr Energie erzeugt, als es selbst benötigt, wird der überschüssige Strom in das städtische Netz eingespeist. Das Rathaus Freiburg funktioniert somit wie ein Kraftwerk im Kleinformat. Noch ist die Zahl solcher Plusenergiehäuser in Deutschland relativ gering. Ganz im Gegenteil: Die meisten Gebäude sind sogar Energiefresser – zu schlecht die Dämmung, und zu alt die Wärme- und Kältetechnikanlagen. Hinzu kommen die fossilen Energieträger und Geräte mit hohem Energieverbrauch, die in vielen Immobilien immer noch zum Standard gehören. In Vergangenheit wenig Anreiz In der Vergangenheit haben verhältnismäßig günstige Gas- und Öl-Heizanlagen und vergleichsweise teure Strompreise wenig Anreiz gegeben, Heizanlagen umzurüsten. Dass Investitionen sich durchaus rechnen und ein nachhaltiges und energieeffizientes Gebäude Zukunftsfähigkeit bedeutet, ist vielen Bauherren und Immobilienbetreibern noch nicht bewusst. Zum Beispiel amortisieren sich Geothermieanlagen, die im Winter mit einer Wärmepumpe zum Heizen und im Sommer zum direkten Kühlen des Gebäudes genutzt werden, nach zehn bis zwölf Jahren. Während Länder wie Dänemark oder Schweden bereits vor Jahren anfingen, sich mit klimafreundlichen Heizungstechnologien zu beschäftigten und fossile Heizungen zu verbieten, setzte man hierzulande lange auf Freiwilligkeit bei der Wahl der Wärmeerzeugung. Dementsprechend mangelt es jetzt an Wissen und Erfahrungswerten in Bezug auf Wärmepumpen. Diesen Rückstand gilt es aufzuholen. Bestand bleibt Sorgenkind Um das zu schaffen, ist deutlich mehr Expertise darüber notwendig, wie Wärmepumpensysteme gerade im Bestand am sinnvollsten einzubinden sind und wie effiziente Lösungen mit einer wirtschaftlichen Wärmequelle für den Bestand aussehen können. Dieses Fachwissen fehlt vielen nicht nur bei großen Immobilien, sondern auch bei Ein- und Mehrfamilienhäusern. Des Weiteren muss dieses Wissen den Planerinnen und Planern, Energieberaterinnen und Energieberatern sowie den ausführenden Firmen zugänglich gemacht werden. Derzeit wird die Entscheidung, ob und wann eine Wärmepumpe sinnvoll und wirtschaftlich ist, von vielen noch aufgeschoben oder auf eigene Faust getroffen. Das Ergebnis ist oft eine ineffiziente Lösung, die sich bei genauerer Betrachtung als unwirtschaftlich herausstellt. Die gute Nachricht: Die einzelnen notwendigen technischen Komponenten und Tools sind bereits vorhanden, und es liegen auch entsprechende Betriebserfahrungen vor. Im Neubaubereich gehören Wärmepumpen fast schon zum Standard bei der Auswahl der Heizungstechnik. Anders sieht die Lage jedoch im Bestand aus: Hier fehlen noch ausreichende Auslegungs- und Betriebserfahrungen zu sinnvollen und wirtschaftlichen Systemlösungen je nach Bestandssituation. Individuelle Analysen Die größte Herausforderung für die Altbauten insbesondere im Wohnungsbereich besteht darin, für jede Bestandssituation die passende wirtschaftliche Lösung zu entwickeln. Individuelle Analysen und Konzeptentwicklungen für jedes einzelne Bestandsgebäude sind jedoch zu aufwendig – und vor allem im Bereich Einfamilien- und Mehrfamilienhäuser sicherlich zu kostspielig. Daher braucht es so schnell wie möglich standardisierte Vorgehensweisen und speziell für den Bestand von Ein- und Mehrfamilienhäusern entwickelte standardisierte Lösungen für ähnliche Gebäude, beispielsweise geclustert nach Baualtersklassen oder nach Energieeffizienzklassen in Kombination mit den typischen Bestandsheizsystemen der jeweiligen Zeit. Durch eine Art Standardkatalog mit Empfehlungscharakter für drei bis vier Varianten in Abhängigkeit der gängigen Gebäude je nach Baualtersklasse oder Energieeffizienzklasse kann vermieden werden, dass jeder Marktteilnehmer versucht‚ das Rad neu zu erfinden. Nur so wird man die notwendige Geschwindigkeit in der Transformation des Bestands erreichen. Gleichzeitig wäre es falsch, die Wärmepumpe als eine Nonplusultra-Lösung zu betrachten, da ihre Wirtschaftlichkeit im Bestand von sehr vielen Randbedingungen abhängt. Daher ist es sinnvoll, in der Gesamtbetrachtung auch Alternativen, wie Anschlussmöglichkeiten an regenerativ betriebene Nahwärme- und Fernwärmesysteme, zu prüfen und zu bewerten. Die kommunale Wärmeplanung wird hier sicherlich an verschiedenen Stellen solche Angebote ermöglichen. Fassaden unter Strom Neben der effizienten Nutzung von Wärme ist die regenerative Stromerzeugung ein weiterer Eckpfeiler von Plusenergiehäusern. Ziel ist es, den Strombedarf durch erneuerbare Energiequellen zu decken und darüber hinaus Überschüsse zu produzieren, die entweder in eigene Stromspeicher oder ins öffentliche Netz eingespeist werden können. Große Hoffnungen liegen dabei auf der Solarenergie: Nach Plänen der Bundesregierung soll der Solaranteil bis zum Jahr 2030 auf 200 Gigawatt vervielfacht werden. Möglich wird dieses ambitionierte Ziel durch technologische Neuerungen, denn Photovoltaikmodule lassen sich längst nicht nur auf Dächern anbringen. Wie das geht, zeigt neben dem Freiburger Rathaus der Drees & Sommer-Neubau OWP 12 in Stuttgart. Gemeinsam mit dem Fassadenbauunternehmen FKN hat das auf Bau und Immobilien spezialisierte Beratungsunternehmen eine neuartige Außenhülle mit PV-Elementen entwickelt. Insgesamt wird auf knapp 700 Quadratmetern Fassadenfläche ein Ertrag von rund 70 Megawattstunden im Jahr gewonnen. Dank der innovativen Fassadenkonstruktion, die zudem sehr hohen Anforderungen an Schallschutz und Wärmedämmung standhält, ist die Fassade in Kombination mit den PV-Elementen mit 210 Millimetern sogar dünner als herkömmliche Aufbauten und spart damit Platz, wodurch wiederum die vermietbare Fläche vergrößert werden konnte. Eine Win-win-Situation für alle. Smart Grids bieten Vorteile Die Integration von Plusenergiehäusern stellt herkömmliche Stromnetze vor große Herausforderungen, da sie nicht auf dezentrale Einspeisung ausgelegt sind. Smart Grids bieten hier entscheidende Vorteile, indem sie die Einspeisung und Nutzung erneuerbarer Energien organisieren und damit optimieren. Durch den Einsatz von Sensoren, intelligenten Zählern und Steuerungssystemen können diese Netze den Energieverbrauch in Echtzeit überwachen und steuern. Diese Daten helfen, Lastspitzen zu vermeiden und den Energieverbrauch zu glätten, was sowohl die Netzstabilität erhöht als auch den Bedarf an fossilen Reservekraftwerken reduziert. Seit Januar 2020 gibt es für alle Haushalte mit einem jährlichen Stromverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden (kWh) die Pflicht, Smart Meter einbauen zu lassen. Solche digitalen, intelligenten Messsysteme sind Teil des Smart Grids und kommunizieren den Stromverbrauch und damit den Strombedarf in Echtzeit an die Netzbetreiber. Auch der Verbraucher erhält in Echtzeit Transparenz darüber, wie viel Strom er gerade benötigt. Mit dem neuen Energiewirtschaftsgesetz will das Wirtschaftsministerium dafür sorgen, dass dynamische Stromtarife in Verbindung mit Smart Metern flächendeckend auf den Markt kommen. Sie passen sich preislich der Nachfrage und dem Angebot im Netz an und sollen so Verbraucher und Klima entlasten. KI-basierte Energie-Management-Systeme können heute bereits solche variablen Preise für wirtschaftliche Betriebsführungsstrategien nutzen. Hin zum Campusgedanken Um das Potenzial der Gebäude als Kraftwerke voll auszuschöpfen, ist ein weiterer Aspekt der Vernetzung entscheidend: weg von der einzelnen Betrachtung der Gebäude hin zum Campusgedanken. Nur wenn Immobilien als Teil eines großen Netzwerks aus Gebäuden, Straßen und grünen Energiequellen gesehen werden, kann die Vision von einer klimapositiven Zukunft wahr werden. So verbraucht zum Beispiel ein Logistikgebäude vergleichsweise wenig Energie, bietet dafür aber sehr große Flächen für Photovoltaikanlagen und kann dementsprechend auch einen Überschuss produzieren. Diesen kann wiederum das nah gelegene Wohngebäude nutzen, das vielleicht selbst nicht genügend Energie erzeugen kann oder über wenig Speicherkapazität verfügt. Für Gebiete, wo es nicht so viele Abnehmer gibt, wird bereits überlegt, den überschüssigen Strom in Wasserstoff umzuwandeln, um diesen dann für die Transportkette bereitzustellen. Damit entsteht hier eine Sektorkopplung. Dabei werden verschiedene Sektoren wie Wohnquartiere, Gewerbe- und Industriestandorte, Logistikstandorte, einzelne Gebäude und Mobilität gekoppelt, um die gegenseitige Erzeugung und Nutzung erneuerbarer Energien voranzubringen.
Dieser Beitrag ist im Schwerpunkt klimafreundliches Bauen der Ausgabe Juli/August 2024 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Freiburg: Stadt tauscht 3.500 Leuchten aus
[10.10.2024] Die Stadt Freiburg modernisiert ihre Straßenbeleuchtung. Ab dem 14. Oktober werden 3.500 Leuchten auf umweltfreundliche LED-Technik umgerüstet. Damit spart die Kommune 73 Prozent Strom und reduziert den CO₂-Ausstoß erheblich. mehr...
dena-Studie: Milliarden für klimaneutrale Sanierung
[11.09.2024] Die Deutsche Energie-Agentur (dena) hat in einer neuen Studie den Finanzierungsbedarf für die energetische Sanierung aller öffentlichen Gebäude in Deutschland auf ein klimaneutrales Niveau bis 2045 berechnet. Demnach werden jährlich rund sechs Milliarden Euro benötigt. mehr...
Rheinland-Pfalz: Eifelpipeline in Betrieb
[05.09.2024] Mit der offiziellen Inbetriebnahme des Regionalen Verbundnetzes Westeifel, auch bekannt als Eifelpipeline, wurde jetzt ein bundesweit einzigartiges Infrastrukturprojekt gestartet. Das Vorhaben integriert Trinkwasser- und Energieversorgung sowie Digitalisierung in einem System. mehr...
Effiziente Gebäude: Konferenz zum nachhaltigen Bauen
[03.09.2024] ZEBAU veranstaltet am 16. September 2024 die Fachkonferenz Effiziente Gebäude 2024 in Hamburg. Im Fokus stehen nachhaltige und energieeffiziente Baukonzepte, die zur Erreichung der Klimaziele beitragen sollen. mehr...
WE-EF Leuchten: Neue Solarleuchten vorgestellt
[09.08.2024] Mit der Erweiterung der AFL100-Serie um zwei innovative Solarlösungen bietet WE-EF Leuchten moderne und umweltfreundliche Beleuchtungslösungen für Städte und Gemeinden. Die neuen Modelle punkten mit Nachhaltigkeit, hoher Lichtqualität und einfacher Installation. mehr...
Gummersbach: Energie und Kosten sparen
[08.08.2024] Die Stadt Gummersbach will mit Unterstützung von Engie Deutschland den Energieverbrauch städtischer Gebäude senken und so rund 800.000 Euro einsparen. Das Energiespar-Contracting startet im Sommer 2025 und läuft über zehn Jahre. mehr...
Rheinland-Pfalz: Förderung für energetische Sanierung
[01.08.2024] Die Stadt Diez erhält rund 2,2 Millionen Euro Fördermittel für die umfassende energetische Sanierung einer Sporthalle. Die rheinland-pfälzische Klimaschutz- und Energieministerin Katrin Eder hat jetzt den Förderbescheid übergeben. mehr...
Bayreuth: Partnerschaft von Stadt und Umland
[31.07.2024] Die Agentur für Erneuerbare Energien zeichnet im Juli die Region Bayreuth als Energie-Kommune des Monats aus. mehr...
energielenker: Smarter Energiemanager
[11.07.2024] Das Unternehmen energielenker präsentiert mit Enbas einen selbstlernenden Energiemanager, der die Energieströme in Gebäuden optimal steuert. Dank integrierter KI-Algorithmen analysiert Enbas das Nutzungsverhalten und die Stromerzeugung. mehr...
enercity: Biomethan-BHKW für Kohleausstieg
[19.06.2024] enercity nimmt ein Biomethan-Heizkraftwerk in Betrieb. Damit rückt der Kohleausstieg in Hannover näher. Die hochflexible Anlage für Spitzenlast produziert erneuerbare Wärme und erneuerbaren Strom. mehr...
Trier: Einheitliche LEDs senken CO2-Ausstoß
[14.06.2024] Seit dem Jahr 2016 stellen die Stadtwerke in Trier die Straßenbeleuchtung auf LED um. Über 78 Prozent der vormals unterschiedlichsten Leuchtentypen sind mittlerweile umgerüstet, der Stromverbrauch hat sich dadurch mehr als halbiert. mehr...
Mainova: Marktstart für smartes Monitoring
[11.06.2024] Mainova AG und der ABG Frankfurt wollen mit Heatral für effiziente Heizanlagen sorgen. mehr...
ITC AG: Brühl nutzt Energie-Management
[30.05.2024] Bereits seit dem Jahr 2021 nutzt die Stadt Brühl die Energie-Managementsoftware von ITC. Mittlerweile hat die Stadt rund 500 Hauptzähler und deren Untermessungen in das Energie-Management eingebunden. mehr...
Wolfsburg: Auf den Blackout vorbereitet
[08.05.2024] Mit 38 Bevölkerungsschutzleuchttürmen ist die Stadt Wolfsburg jetzt auf das Szenario eines Blackouts vorbereitet. Mithilfe der Leuchttürme besteht die Möglichkeit, via Digitalfunk einen Notruf an die Feuerwehr, Polizei oder den Rettungsdienst abzusetzen. mehr...