BiomethanKostengünstige erneuerbare Gasoption
Biogas ist ein Sorgenkind in der Direktvermarktung. Es herrscht ein intensiver Verdrängungswettbewerb und viele Biogasanlagenbetreiber sehen keine Zukunftsperspektive. Die immer häufiger auftretenden Negativpreise sind insbesondere für Anlagen schädlich, die nicht flexibel steuerbar sind.
Hinzu kam eine Erschütterung des Vertrauens der Energiewirtschaft in die Branche. Einer der großen Biomethanlieferanten, bmp greengas, hatte 2022 Insolvenz angemeldet. Dies hatte erhebliche Auswirkungen auf die Stadtwerke, die auf die Lieferungen von bmp greengas angewiesen waren. Viele Stadtwerke, die Biomethan im Rahmen ihrer Ökoenergie-Initiative einsetzten, standen vor Lieferengpässen und mussten sich nach alternativen Lieferanten umsehen. Schließlich sprang der bisherige Miteigentümer Energie Baden-Württemberg (EnBW) ein und übertrug die komplette Tochter schuldenfrei an die eigene Erdgastochter VNG aus Leipzig. Damit war das Unternehmen vorerst gerettet.
Doch damit nicht genug. Auch den Konkurrenten Landwärme erwischte es im August 2024. Hier soll die Rettung ebenfalls in Eigenregie gelingen. Landwärme wirft der Politik vor, den Handel mit THG-Zertifikaten nicht ausreichend kontrolliert zu haben, was zu einem Preisverfall geführt habe – zum Leidwesen der deutschen Biogasproduzenten, die damit ein finanzielles Standbein verloren haben. Doch die Branche sucht weiter nach Lösungen: Mitte September ging der deutschlandweit erste Online-Marktplatz für Biomethan an den Start, betrieben von Green Navigation, einem Beratungsunternehmen aus dem nordrhein-westfälischen Unna. Auf dem neuen Marktplatz sollen sich Produzenten und Nutzer von Biomethan vernetzen können.
Trotz allem günstig
Trotz aller Schwierigkeiten ist Biomethan derzeit die kostengünstigste und am besten skalierbare erneuerbare Gasoption. Es ist chemisch identisch mit Erdgas, sodass die bestehende Infrastruktur genutzt werden kann. Die Anwendungsmöglichkeiten reichen von Wärme über Mobilität bis hin zur stofflichen Nutzung. Im Verkehrssektor dient Biomethan vor allem als fortschrittlicher Biokraftstoff aus Abfall- und Reststoffen und hat das Potenzial, den Schwerlastverkehr zu dekarbonisieren. Im Wärmesektor könnten neue gesetzliche Rahmenbedingungen den Anteil von Biomethan bis zum Ende des Jahrzehnts deutlich erhöhen, sodass sich die Nachfrage bis 2030 mehr als verdoppeln könnte.
Dennoch sind die Herausforderungen für Produktion und Handel groß. An erster Stelle sind politische Hemmnisse zu nennen: Die Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) beschleunigte den Anlagenzubau bis 2014, danach folgte ein Einbruch. Erst mit den gesetzlichen Anpassungen ab 2018, insbesondere durch die Erneuerbare-Energien-Richtlinie II, stieg die Nachfrage nach Biomethan wieder an, was auch zu mehr neuen Anlagenprojekten führte. Im Jahr 2022 wurde in Deutschland ein Rekordabsatz von über elf Terawattstunden (TWh) erreicht. Dies ist jedoch hauptsächlich auf den Import von Biomethan zurückzuführen.
Unsichere Produktion
Die Deutsche Energie-Agentur (dena) stellt fest, dass genehmigungsrechtliche Hürden, Lieferengpässe und lange Bauzeiten von Anlagen die Marktentwicklung behindern. Gestiegene Anforderungen und Fachkräftemangel bei den Zertifizierungsstellen erschwerten den Betrieb zusätzlich. Die wirtschaftliche Produktion von Biomethan sei von Unsicherheiten geprägt, abhängig von der Biomassestrategie der Bundesregierung und den steigenden Anforderungen an Substrate und Treibhausgaseinsparungen.
Viele ältere Biogasanlagen, die derzeit nach 20 Jahren aus der EEG-Förderung fallen, erhalten keine Anschlussvergütung. Um dies zu verhindern, fordern die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg (PEE BW) und der Fachverband Biogas, dass die Bundesregierung die Ausschreibungsmengen von zweimal 250 Megawatt pro Jahr auf insgesamt 1.800 Megawatt erhöht, den Flexibilitätszuschlag von 65 auf 120 Euro pro Kilowatt anhebt und bestehende Restriktionen beim Flexibilitätsbonus aufhebt. Betreiber, die an den Ausschreibungen teilnehmen, können eine neue Einspeisevergütung für zehn Jahre nach dem EEG erhalten. Problematisch ist die geringe Ausschreibungsmenge. Im ersten Halbjahr 2024 wurden für 240 Megawatt 788 Gebote mit einem Volumen von 742 Megawatt abgegeben, also gut dreimal so viel.
Dabei sind die Potenziale schon heute beachtlich: Umgerechnet versorgen Biogasanlagen über 21.000 Haushalte, 51 Schwimmbäder, 124 Schulen und Kindergärten und viele weitere Einrichtungen mit Wärme. Hochgerechnet auf die 9.900 Biogasanlagen in Deutschland wären das fast 390.000 Haushalte und zahlreiche öffentliche Gebäude. Die kommunale Wärmeplanung wird teilweise auf die Nutzung von Biogaswärme angewiesen sein. Wärmenetze sind insbesondere für ältere Gebäude und Gewerbebetriebe mit hohem Wärmebedarf interessant, da sie eine schnelle Umstellung auf erneuerbare Wärme ermöglichen.
Potenzial von 40 bis 71 TWh
Das Deutsche Biomasseforschungszentrum (DBFZ) schätzt das wirtschaftlich nutzbare Potenzial auf 50 TWh, vor allem durch die verstärkte Nutzung von Abfall- und Reststoffen sowie tierischen Exkrementen. Andere Studien, wie die des Umweltbundesamtes (UBA), gehen von etwa 30 TWh aus. Weitere zehn bis 21 TWh könnten durch die Nachrüstung bestehender Biogasanlagen hinzukommen, sodass sich ein Gesamtpotenzial von 40 bis 71 TWh ergibt. Zum Vergleich: Der gesamte Erdgasverbrauch in Deutschland liegt bei etwas über 800 TWh mit sinkender Tendenz.
Und die Stadtwerke? Alexander Hauk vom Verband kommunaler Unternehmen (VKU) erklärt: „Durch den Einsatz in KWK-Anlagen kann klimaneutrale Wärme erzeugt und über Wärmenetze an Haushalte und Gewerbebetriebe geliefert werden. Allerdings müssen die Regeln für den Netzanschluss von Biogasanlagen angepasst werden. Netzbetreiber sollten in bestimmten Situationen das Recht haben, Anschlüsse zu kündigen und neue Anschlussbegehren abzulehnen.“ Zudem müsse sichergestellt werden, dass Anlagenbetreiber auch nach der Umstellung auf Wasserstoff die technischen Anforderungen erfüllen können. Um die lokalen Biomethanpotenziale wirtschaftlich zu nutzen, sollte der Bund Fördermittel bereitstellen, welche die volkswirtschaftlich günstigste Lösung unterstützen.
„Das Potenzial für Biomethan aus Bioabfällen ist noch nicht ausgeschöpft, aber begrenzt. Biomasse, die speziell für die Energiegewinnung angebaut wird, stößt an die Grenzen des Anbauflächenbedarfs. Daher wird der Anteil von Biomethan am Energieverbrauch in Deutschland aufgrund dieser Mengenbegrenzungen und Nutzungskonkurrenzen begrenzt bleiben“, bleibt Hauk skeptisch.
Keine Rolle im Wärmemarkt
Bereits heute spielt Biomethan im Wärmemarkt kaum eine Rolle. In Baden-Württemberg wird der Einsatz von Biomethan bei Sanierungen zwar zu zwei Dritteln anerkannt, ein großer Markt entsteht dadurch aber nicht. In anderen Bundesländern fehlen entsprechende Regelungen. Das Gebäudeenergiegesetz ermöglicht nun bundesweit den Einsatz von Biomethan. Für den Anteil von 65 Prozent erneuerbarer Energien im Neubau gilt Biomethan als Erfüllungsoption, was aber kaum Einfluss auf Verfügbarkeit und Preise hat.
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