Freitag, 22. November 2024

50HertzPV-Anlage direkt am Ü-Netz

[05.07.2024] Die größte Photovoltaikanlage Europas wurde im Energiepark Witznitz eingeweiht. Erstmals in Deutschland wurde dabei eine Freiflächen-PV-Anlage an das Übertragungsnetz angeschlossen.

Südlich von Leipzig wurde am 3. Juli 2024 die größte Photovoltaik-Freiflächenanlage Europas eingeweiht. Der Energiepark Witznitz hat eine Leistung von 650 Megawatt peak und ist an das Übertragungsnetz von 50Hertz angeschlossen. Es ist eine doppelte Premiere: Erstmals speist ein Solarkraftwerk direkt auf der Höchstspannungsebene Strom ein und erstmals trägt eine solche Anlage rund um die Uhr – also auch bei Dunkelheit – zur Netzstabilität bei. Auf der Basis eines Vertrags mit dem Projektentwickler Move On Energy liefern die mit einer zusätzlichen Software ausgestatteten 3.500 Wechselrichter des PV-Parks so genannte Blindleistung, die die Systemführung von 50Hertz bei Bedarf zur Spannungshaltung abrufen kann.

Strom von alter Kohlefläche

Der Energiepark Witznitz wurde in den vergangenen zwei Jahren auf einem früheren Braunkohletagebaugebiet auf insgesamt rund 500 Hektar Fläche in den Gemeinden Neukieritzsch, Böhlen und Rötha am Hainer See errichtet. Am Rande der Fläche führt eine 380 Kilovolt-Freileitung entlang, die über das Umspannwerk Pulgar zum Braunkohlekraftwerk Lippendorf führt. An diese Freileitung wurde die PV-Anlage über ein von Move On Energy errichtetes neues Umspannwerk netztechnisch angebunden. Da der Energiepark in mehreren Bauabschnitten realisiert wurde, wird bereits seit Dezember vorigen Jahres Strom eingespeist. Die volle Leistung steht jedoch erst seit wenigen Wochen zur Verfügung.
Stefan Kapferer, Vorsitzender der Geschäftsführung von 50Hertz, erklärt: „Die erneuerbaren Energien haben in den ersten Monaten dieses Jahres rund 75 Prozent des Strombedarfs im Osten Deutschlands und Hamburg gedeckt. Der Energiepark Witznitz hat dazu bereits beigetragen und zeigt, dass der Ausbau der Photovoltaik jetzt ganz neue Größenordnungen erreicht. 50Hertz ist Vorreiter bei der Systemintegration von erneuerbaren Energien. Mit dem Abruf von Blindleistung und der Einbeziehung des PV-Parks in unser Engpass-Management leisten wir erneut Pionierarbeit, so viel Strom aus erneuerbaren Energien wie netztechnisch möglich nutzbar zu machen.

Blindleistung nötig

Damit Strom beim Verbraucher ankommen kann, ist neben der eigentlichen Wirkleistung auch die Blindleistung erforderlich. Sie fungiert als eine Art Schmiermittel für den Transport und muss in Abhängigkeit von regionalen Einspeise- und Entnahmesituationen auf einzelnen Netzabschnitten regulierend eingesetzt werden. Zu viel oder zu wenig Blindleistung wirkt sich destabilisierend auf die genormte Spannung aus. Bisher liefern die Generatoren von Großkraftwerken Blindleistung während der Stromerzeugung mit, sie kann aber auch von den Systemführungen der Übertragungsnetzbetreiber (ÜNB) angefordert werden. Der Energiepark Witznitz wird zukünftig Blindleistung in einer Größenordnung von 150 Megavar (Mvar) bereitstellen und damit teilweise die Lieferung von Blindleistung aus dem benachbarten Braunkohlekraftwerk Lippendorf (2 mal 400 Mvar) ersetzen. Diese Abrufe sind auch dann möglich, wenn die Wechselrichter der PV-Anlage keinen Gleich- in Wechselstrom wandeln und einspeisen.
Stattdessen wird die in den Wechselrichtern verbaute Leistungselektronik mit Strom aus dem Übertragungsnetz gespeist, um die Blindleistung zu erzeugen. Der Energiepark Witznitz ist daher ein wichtiges Pilotvorhaben für 50Hertz, von dem weitere Projekte profitieren können. Ab 2026 müssen die ÜNB aufgrund einer EU-Richtlinie zum Elektrizitätsbinnenmarkt Blindleistung über ein Ausschreibungsverfahren am Markt beschaffen. Über ein entsprechendes Beschaffungskonzept der Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die 6. Beschlusskammer Ende Juni 2024 final entschieden.





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