Donnerstag, 21. November 2024

BioenergieBedeutung von Biogas und Biomethan

[01.07.2024] Der Einsatz von Biogas und Biomethan bietet Stadtwerken eine Chance. Denn die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ist nicht nur schneller am Netz als große Kraftwerke, auch der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft wird deutlich früher gelingen.
Stadtwerke können das Rohbiogas ankaufen und damit in das Speicherkraftwerk investieren.

Stadtwerke können das Rohbiogas ankaufen und damit in das Speicherkraftwerk investieren.

(Bildquelle: Wolfgang Jargstorff/stock.adobe.com)

Aktuell kommt die kommunale Wärmeplanung in Gang. Entwicklung und Betrieb von Wärmenetzen sind ein willkommenes Geschäftsmodell für Stadtwerke. Gleichzeitig wird das Stromsystem umgebaut. Trotz des beschleunigten Zubaus der Wind- und Sonnenstromerzeugung schließt sich die Lücke zum Bedarf in wind- und sonnenarmen Zeiten nur sehr langsam und niemals vollständig. Die Lösung ist kleinteilig und resilient, ideal für Stadtwerke: Motorgetriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen sind flexible und effiziente Stromerzeuger und gleichzeitig eine attraktive und kostengünstige Abwärmequelle. Mit Biogas schafft das BHKW mindestens 80 Prozent Treibhausgasminderung.
Selbst wenn in einigen Jahren in Deutschland insgesamt mehr erneuerbarer Strom erzeugt als verbraucht wird, gibt es noch Zeiten ohne ausreichende Versorgung, die auch nicht aus Speichern gedeckt werden kann. Noch in den Vierzigerjahren werden steuerbare Kraftwerke benötigt, um diese Rest- oder Residuallast zu erzeugen. Großräumige Flauten und Kälteperioden bleiben insbesondere in sonnenarmen Zeiten eine Herausforderung. Es werden vor allem im Winter noch Kraftwerke laufen müssen, wenn Wärmepumpen zunehmend Strom für die Heizungen brauchen.

Regenerative Gase nutzen

Um dem Klimaschutz gerecht zu werden, sollte die Residuallast möglichst effizient und weitgehend mit regenerativen Gasen erzeugt werden. Strom aus Gas wird am effizientesten in modularen Motoren-Kraftwerken erzeugt. Deren Abwärme macht mehr als die Hälfte des nutzbaren Energiegehalts aus. Bei ausreichender räumlicher Nähe wird die Abwärme aus Motorkühlung und Abgaswärmetauschern zur kostengünstigen Energiequelle für lokale Wärmenetze.
Schon die Erdgas-KWK bringt diesen Effizienzvorteil. Wichtig aber für die Nachhaltigkeit: Um zukunftsfest zu sein, muss die Stromerzeugung auf weniger als 2.500 Stunden, idealerweise auf 1.000 bis 1.500 Jahresstunden ausgelegt werden. Die Betriebszeiten decken sich natürlich nicht genau mit dem Wärmebedarf im Netz. KWK-Anlagen brauchen daher immer einen Wärmepufferspeicher mit mehreren Tagen Reichweite. Je größer, desto günstiger, desto geringer die Wärmeverluste.
Immer mehr Biogasanlagen kommen an das Ende ihrer EEG-Förderung. Ihre Bewerbungen um eine weitere Förderperiode hatten die Ausschreibung Ende 2023 dreifach überzeichnet. In der Summe können flexible Biogasanlagen den absehbaren Kraftwerksbedarf zu einem großen Teil decken und Back-up-Kraftwerke überflüssig machen. Doch die knapp 10.000 Biogas-BHKW in Deutschland laufen bisher mit einer mittleren Erzeugung von knapp vier Gigawatt (GW). Die installierte BHKW-Leistung liegt bei sechs GW (Anfang 2024), wird also theoretisch in knapp 6.000 Stunden ausgelastet. Das ist weder zukunftsfest flexibel, noch wird das Abwärmepotenzial vollständig genutzt. Im flexiblen Betrieb würde Biogas nur noch in einem Drittel dieser Zeit verstromt. Die gleichbleibende Biogasmenge könnte in dieser kürzeren Laufzeit die dreifache Leistung liefern – bei gleichem Substrateinsatz.

Standort nah am Wärmebedarf

Ohne eine solche Weiterentwicklung zum Speicherkraftwerk oder ein Wärmenetz fehlen den Betreibenden die Erlöse für steigende Betriebskosten. Anlagen ganz ohne Leistungszubau müssen nach EEG-Vorgabe die Produktion auf 45 Prozent der installierten Leistung zurückfahren und verlieren damit auch über die Hälfte ihrer Einnahmen. Die zweite Förderperiode des EEG bietet auch nur eine Verlängerung für zehn Jahre – das ist nicht lang genug, um Zukunftsinvestitionen zu refinanzieren. Die Lösung liegt vielerorts in einem neuen Standort nah am Wärmebedarf. Dort wird ein Speicherkraftwerk installiert und per Gasleitung mit Rohbiogas aus der Biogasanlage beliefert. Diese befinden sich selten weiter als fünf bis acht Kilometer vom nächsten Ort entfernt, in dem ein Wärmenetz sinnvoll wäre. Am Ortsrand wird ein neues BHKW mit Großwärmepuffer zur Versorgung des Wärmenetzes installiert. Die bestehende Biogasanlage erhält einen zusätzlichen Gasspeicher und liefert einen Großteil des erzeugten Biogases bedarfsgerecht an das neue Speicherkraftwerk. Dieses erzeugt Strom, wenn die Residuallast am höchsten ist und am besten bezahlt wird. Im Fahrplanbetrieb, der nach Spotmarkt und Intraday-Handel gesteuert wird, können sich mehrere Tage Ruhezeit und etliche Stunden Betriebszeit abwechseln, im Mittel mit ein bis zwei Starts am Tag. Der Großpufferspeicher wird in der Betriebszeit aufgeladen und liefert die Wärme zeitlich unabhängig in das Nahwärmenetz.
Soweit vorhanden, kann der Speicher auch mit anderen regenerativen Wärmequellen beladen werden, die ohne einen solchen Puffer unerschlossen bleiben. In kalten Zeiten mit dennoch niedrigen Strompreisen, wenn das BHKW ruht, kann eine Wärmepumpe die Versorgung ergänzen. Soweit es im Ort weitere Abwärmequellen oder Erzeuger gibt, können diese ebenfalls zur Beladung des Speichers integriert werden und die Wärmeversorgung unterstützen.
Biogasanlagen sind zunehmend in der Lage, bei niedrigem Energiebedarf auch die Fütterung der Fermenter zu drosseln und die Gaserzeugung zurückzufahren. In besonders kalten Zeiten kann die Gaserzeugung deutlich über das mittlere Maß hinaus gesteigert werden. Für längere Dunkelflauten wird diese „dynamische Fütterung“ nicht ausreichen, deshalb kann auch eine Kombination mit Biomethanverstromung aus dem Erdgasnetz sinnvoll sein.

Die Kombination macht’s

Biogasanlagen in Deutschland versorgen seit Jahren erfolgreich hunderte Satelliten-BHKW. Auch einige hundert Speicherkraftwerke existieren bereits. Dies wird nun zunehmend auch kombiniert geplant und umgesetzt. Mit dem nahenden Ende der EEG-Förderung für tausende Biogasanlagen wird diese Perspektive interessant. Doch erst wenn die Förderung der installierten Leistung an die Inflation und höhere Zinsen angepasst ist, können die Betreibenden landwirtschaftlicher Anlagen die notwendigen Investitionen in Speicherkraftwerke allein refinanzieren. Eine Kooperation zwischen einem Stadtwerk und dem Biogasbetreiber kann die Voraussetzungen deutlich verbessern. Stadtwerke können durch den langfristigen Einkauf von Wärme aus einem Speicherkraftwerk zur Investitionssicherung beitragen und für den Eigenbetrieb eines Wärmenetzes günstig sichere regenerative Wärme beschaffen. Wenn der landwirtschaftliche Biogasbetrieb den Bau und Betrieb eines Speicherkraftwerks nicht selbst leisten will, können Stadtwerke das Rohbiogas ankaufen und damit in das Speicherkraftwerk investieren. Auch Mischformen und Kooperationen mit Wärmegenossenschaften haben sich in der Praxis bewährt.
Die dezentrale KWK ist nicht nur schneller am Netz als große Kraftwerke. Auch der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft wird deutlich früher gelingen: Ein Photovoltaik- oder Windpark speist einen Elek­trolyseur. Der erzeugte Wasserstoff wird mithilfe von Biogas biologisch methanisiert und ergänzt die Speicherreichweite der Biogasanlage und damit die verfügbare Strom- und Wärmemenge im Speicherkraftwerk. So geht Energiewende – kommunal und dezentral.

Uwe Welteke-Fabricius

Der Autor, Uwe Welteke-FabriciusUwe Welteke-Fabricius ist Sprecher der Flexperten, einem Netzwerk, das sich die nachhaltige Weiterentwicklung des Anlagenbestands von Biogas- und Erdgas-KWK zum Ziel gesetzt hat. Er ist zudem Mitglied im Präsidium des FvB e.V. sowie Vorstandsmitglied des BEE e.V.



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