Mecklenburg-VorpommernModellregion für Erdwärmenutzung
Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern hat sich das Ziel gesetzt, bis spätestens 2040 klimaneutral zu werden und bis 2035 rechnerisch den gesamten Energiebedarf des Landes aus erneuerbaren Quellen zu decken. Das ist zu schaffen, denn Mecklenburg-Vorpommern verfügt als windreiches Küstenbundesland über hervorragende Voraussetzungen für die klimafreundliche Stromproduktion. Bereits jetzt wird mehr als das Zweieinhalbfache des Strombedarfs aus erneuerbaren Energien erzeugt. Aber: Erst knapp 20 Prozent des Gesamtenergieverbrauchs für Strom, Wärme und Mobilität werden im Land durch erneuerbare Energien gedeckt. Der Anteil der erneuerbaren Wärme am gesamten Wärmeverbrauch beträgt weniger als 20 Prozent.
Vor diesem Hintergrund ist insbesondere die Dekarbonisierung der Wärmeversorgung eine der zentralen Aufgaben der nächsten Jahre und Jahrzehnte. Der kommunalen Wärmeplanung kommt dabei eine entscheidende Rolle zu, deren Umsetzung stellt die Kommunen in Mecklenburg-Vorpommern jedoch vor große Herausforderungen. Gleichzeitig bietet dieser Transformationsprozess große Chancen, die im Land vorhandenen energetischen Potenziale zu heben und so Mecklenburg-Vorpommerns Energielandschaft weiterzuentwickeln. So verfügt das ostdeutsche Bundesland beispielsweise über mehr Fernwärmenetze als viele westdeutsche Bundesländer, welche die Wärmewende erleichtern können. Darüber hinaus bieten sich hier herausragende geothermische Potenziale, die nur darauf warten, für die kommunale Wärmeversorgung erschlossen zu werden.
Gute Voraussetzungen
Die Geothermie kann einen maßgeblichen Beitrag zur kommunalen Wärmewende in Mecklenburg-Vorpommern leisten. Das Bundesland ist Vorreiter der Geothermie und verfügt über jahrzehntelange Erfahrungen in der Erdwärmenutzung. Hier liegt der Ursprung der geothermischen Erkundung und Nutzung in Deutschland. Diese Rolle wollen wir behaupten und festigen.
In Mecklenburg-Vorpommern ist die Erdwärmenutzung relativ konfliktarm und nahezu flächendeckend möglich. Der Flächenbedarf der Anlagen ist äußerst gering. Das Land liegt im so genannten Norddeutschen Becken, eine der bedeutendsten Lagerstätten geothermischer Energie in Deutschland. Die geologischen Voraussetzungen für die geothermische Nutzung sind dementsprechend sehr gut im Vergleich zu Gesamtdeutschland. Des Weiteren verfügt Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der teils sehr hohen Dichte an Tiefenbohrungen über einen guten Kenntnisstand des geologischen Untergrunds. Darüber hinaus ist das Fündigkeitsrisiko, also das Risiko, ein geothermisches Reservoir mit einer (oder mehreren) Bohrung(en) in nicht ausreichender Quantität oder Qualität zu erschließen, vergleichsweise gering.
78 Prozent der Landesfläche Mecklenburg-Vorpommerns sind uneingeschränkt für die oberflächennahe Geothermie nutzbar. Insgesamt 60 Prozent der Bevölkerung leben in Gemeinden, die für den flächendeckenden Ausbau der mitteltiefen Geothermie infrage kommen. Durch die Erschließung dieser Potenziale könnte ein erheblicher Anteil des Energiebedarfs des Bundeslands durch geothermische Energie auf mittlerem oder niedrigem Temperaturniveau gedeckt werden.
Projekte mit Leuchtturmwirkung
Im April dieses Jahres wurde eine hochmoderne Anlage für Mitteltiefe Geothermie in Schwerin eingeweiht. Diese Anlage wird zukünftig etwa 15 Prozent des Fernwärmebedarfs der Landeshauptstadt abdecken. Aufgrund der sehr guten geologischen und hydraulischen Bedingungen ist eine umfangreiche Ausweitung der geothermischen Fernwärmeversorgung geplant. Dazu wurde ein Verbundvorhaben (De-CarbSN – DeCarbonisierung der Wärmeversorgung am Geothermie-Modellstandort Schwerin) im Rahmen des Energieforschungsprogramms der Bundesregierung gestartet. Hier liegt Potenzial, ein bundesweites Demonstrationsprojekt mit Leuchtturmwirkung zu entwickeln.
Die flächendeckenden geothermischen Potenziale in Mecklenburg-Vorpommern möchten wir nutzen und die Geothermie als tragende Säule der zukünftigen Wärmeversorgung in unserem Bundesland ausbauen. Um den strukturellen Gegebenheiten in Mecklenburg-Vorpommern gerecht zu werden und das gesamte geothermische Potenzial auszuschöpfen, wird der Ausbau der Mitteltiefen und der Tiefengeothermie sowie der Fernwärmeversorgung forciert. Zusätzlich wird die oberflächennahe Geothermie als dezentrale Versorgungsoption ausgebaut.
Räume freihalten
Der strategische Ausbau der mitteltiefen und tiefen Erdwärmenutzung hat dabei Priorität. Dafür müssen entsprechende Räume freigehalten und geeignete Flächen bereitgestellt werden. Zur räumlichen Vorsorge und Steuerung werden im Rahmen der aktuellen Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms Mecklenburg-Vorpommern Anpassungsbedarfe geprüft und umgesetzt. Oberflächennahe Einzellösungen sollen nur in ländlichen Räumen und in städtischen Bereichen, in denen eine Erschließung mit Fernwärme unwirtschaftlich ist, unterstützt werden. Eine bevorzugte Lösung ist ein Zusammenschluss mehrerer Abnehmer; auch eine Kombination mit weiteren erneuerbaren Energien zur dezentralen Versorgung ist anzustreben.
Aufgrund der exzellenten geologischen Bedingungen und dem guten Erkundungsgrad bieten sich in Mecklenburg-Vorpommern deutschlandweit einzigartige Chancen für die Versorgung vieler mittlerer und großer Gemeinden mit Erdwärme. Diese natürlichen Gegebenheiten sollen nicht ungenutzt bleiben. Mecklenburg-Vorpommern möchte zur Modellregion für die Erdwärmenutzung in Deutschland werden. Die Vorzeigeprojekte in Waren, Neustadt-Glewe, Neubrandenburg und Schwerin sind bereits wichtige Bausteine der strategischen Wärmeplanung im Land. In den Modellregionen sollen neue Konzepte und Verfahren erprobt und der Erfahrungsaustausch mit anderen Bundesländern gefördert werden.
Landeskonzept in Arbeit
Um die Entwicklung Mecklenburg-Vorpommerns zu einer Modellregion der Erdwärmenutzung zu forcieren und die Wärmewende im Land voranzubringen, wird aktuell unter Federführung des Wirtschaftsministeriums ressortübergreifend ein Landeskonzept erarbeitet. Das Geothermiekonzept wird Maßnahmen in verschiedenen Handlungsfeldern aufzeigen und damit das Fundament für den flächendeckenden Ausbau der Geothermie in Mecklenburg-Vorpommern legen.
Die wesentlichen Eckpunkte umfassen zum einen die strategische Wärmeplanung sowie die Entwicklung und Förderung von Modellprojekten; zum anderen wird die Frage der Vereinfachung von Planungs- und Genehmigungsverfahren bearbeitet, um damit die Entwicklung von Geothermieprojekten zu beschleunigen. Um eine spürbare Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren zu erreichen, werden Anpassungen im Bundesberggesetz und Vereinfachungen im Bau- und Wasserrecht sowie bei Umweltprüfungen angestrebt. Des Weiteren sind im Geothermiekonzept flankierende Maßnahmen zur Information, zum Austausch und zur Unterstützung vor Ort als wichtige Instrumente zur Erhöhung der gesellschaftlichen Akzeptanz vorgesehen.
Darüber hinaus setzt sich das Land für bundesweite Instrumente zur Risikoabsicherung und für die Verbesserung der Förderquoten von Geothermieprojekten sowie für mehr Kumulationsmöglichkeiten von Bundes- und Landesmitteln ein. Die Umsetzung von Projekten der Mitteltiefen und der Tiefengeothermie erfordert hohe Anfangsinvestitionen, die von den Kommunen und kommunalen Energieversorgern in Mecklenburg-Vorpommern nur sehr schwer zu stemmen sind. Das Fündigkeitsrisiko ist dabei ein zentrales Investitionshemmnis. Nur durch eine Abmilderung dieses Risikos und eine höhere finanzielle Unterstützung der kommunalen Akteure bei der Umsetzung von Geothermieprojekten können die Ausbauziele der Erdwärmekampagne der Bundesregierung erreicht und die klimaneutrale Transformation der Wärmeversorgung eine Erfolgsgeschichte werden. Daran arbeiten wir.
Dieser Beitrag ist im Schwerpunkt Geothermie der Ausgabe Januar/Februar 2024 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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