Freitag, 22. November 2024

WindenergiePerfekte Arbeitsgrundlage

[04.08.2023] Carsten Bovenschen bewertet die Windenergie-an-Land-Strategie der Bundesregierung positiv. Jetzt komme es darauf an, die Maßnahmen zügig in Gesetze und Verordnungen umzusetzen, sagt der Chef der Juwi-Gruppe im stadt+werk-Interview.
Carsten Bovenschen

Carsten Bovenschen

(Bildquelle: JUWI GmbH)

Herr Bovenschen, Sie haben an den beiden Windgipfeln des Bundeswirtschaftsministeriums teilgenommen. Wie bewerten Sie das Format?

Es war genau das richtige Format zur richtigen Zeit. Im ersten Jahr der neuen Bundesregierung sind viele wichtige Maßnahmen auf den Weg gebracht worden, zum Beispiel die große Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG), das Wind-an-Land-Gesetz mit verbindlichen Flächenzielen für jedes Bundesland und die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes. Viele dieser gesetzlichen Regelungen greifen ineinander, haben Wechselwirkungen und schaffen so die Voraussetzungen für die dringend notwendige Beschleunigung der Energiewende. Nach den vielen Gesetzesänderungen war man sich jedoch einig, dass nun eine konsolidierende Betrachtung aller beschlossenen Maßnahmen notwendig ist, um zu sehen, was bisher erreicht wurde und was noch auf den Weg gebracht werden muss. Als Fazit der beiden Windgipfel lässt sich aus meiner Sicht festhalten, dass sie den Prozess der Windstrategie an Land vom Entwurf bis zur Überarbeitung begleitet und die Einbindung der relevanten Akteure aus Bundesressorts, Ländern, Verbänden und Unternehmen sichergestellt haben. Dies ist vom Vorgehen her sehr zu begrüßen und aus meiner Sicht Best Practice, wie mit entscheidenden Fragen umgegangen werden sollte.

Was denken Sie, werden die von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck vorgestellten Maßnahmen der Windenergie-an-Land-Strategie dem Windkraftausbau genügend Schub geben?

Ein Jurist würde wahrscheinlich sagen: Es kommt darauf an. In der Tat hatten wir noch nie eine so gute Übersicht über die Herausforderungen und die notwendigen Maßnahmen für den Ausbau. Hier hat das Ministerium von Robert Habeck sehr gute Arbeit geleistet und den Input von Verbänden und Unternehmen sehr konzentriert aufbereitet und auf nur 20 Seiten zusammengefasst. Wir haben also mit der Strategie eine nahezu perfekte Arbeitsgrundlage. Jetzt kommt es darauf an, die Maßnahmen zügig und konsequent in Gesetze und Verordnungen umzusetzen und dann – und das ist besonders wichtig – die umsetzenden Ebenen durch konkrete Handlungsanweisungen zu begleiten.

Warum ist das so wichtig?

Derzeit haben wir die Situation, dass beispielsweise die Mitarbeiter in den Genehmigungsbehörden der Länder oft gar nicht wissen, wie sie die neuen Gesetze und Verordnungen auf ihren konkreten Fall anwenden sollen. Hier sind Hilfestellungen des Bundes erforderlich. Für die Umsetzung der EU-Notfallverordnung wird gerade ein solcher Vollzugsleitfaden erarbeitet, den wir auch für viele andere Bereiche brauchen. Wenn uns das gelingt, wir die Maßnahmen also zügig auf den Weg bringen und die Umsetzung begleiten, dann stehen die Chancen gut, dass der Ausbau der Windenergie an Land genügend Schub bekommt, um das Ziel von 160 Gigawatt installierter Leistung bis 2035 zu erreichen.

Wird es gelingen, dass genügend Flächen bereitgestellt werden?

„Das neue Denken muss auch in den Köpfen ankommen.“
Die Flächenbereitstellung ist mit dem Windflächenbedarfsgesetz auf den richtigen Weg gebracht worden. Allerdings sind die Ziele zeitlich nicht ambitioniert genug: 2027 für eine erste Überprüfung und 2032 für die bundesweite Flächenbereitstellung von zwei Prozent sind zu spät. Darauf haben wir als Unternehmen und auch die Branche frühzeitig hingewiesen. Leider gab es unter den Bundesländern keinen Konsens für ein engagierteres Ziel. Aber: Wir sehen, dass Länder wie Niedersachsen, Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen oder Sachsen ihre Ziele vorziehen, weil sie erkannt haben, dass es ihnen eigentlich nur Vorteile bringt, schneller zu sein.

Wie sieht es beim Thema Genehmigungsverfahren aus?

Die Bundesregierung hat bereits einige kleinere Maßnahmen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren umgesetzt. Eine Novellierung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren und wird hoffentlich zügig nach der Sommerpause abgeschlossen. Wichtig ist, dass die neuen gesetzlichen Regelungen auch tatsächlich sehr kurzfristig durch Vollzugshinweise umgesetzt werden. Und über das Konkrete hinaus: Wir brauchen eine grundsätzliche Ermöglichungshaltung bei den Genehmigungsbehörden. Wir haben es leider noch viel zu oft mit einer behördlichen Verhinderungsmentalität zu tun.

Wie können die Bedenken der Bürger ausgeräumt werden?

Transparenz über den Nutzen der erneuerbaren Energien in Verbindung mit der Beteiligung an den Projekten sind hier die Schlüsselfaktoren. Noch immer kursieren zu viele Stammtischparolen, welche die Machbarkeit der Energiewende infrage stellen. Was die konkrete Bürgerbeteiligung anbelangt, so werden die Kommunen in Zukunft mit steigendem Ausbau der erneuerbaren Energien auch immer mehr finanzielle Mittel erhalten. Das ist immens wichtig, denn die Vorteile des EE-Ausbaus müssen vor Ort erlebbar sein. Als Projektentwickler konzipieren wir alle unsere Vorhaben so, dass die Mittel auch tatsächlich bei den Kommunen ankommen. Wir verstehen uns hier als Partner der Kommunen. Über diese gesetzliche Möglichkeit hinaus prüfen wir im konkreten Projekt vor Ort die Möglichkeiten weiterer Maßnahmen, wie vergünstigte Stromtarife für die Anwohner, Sparbriefe in Zusammenarbeit mit regionalen Finanzinstituten bis hin zu konkreten Beteiligungsmöglichkeiten der Anwohner an den Anlagen.

Welche Kritikpunkte haben Sie als Projektentwickler?

Wir haben eine umfassende Stellungnahme zur Strategie Wind an Land mit zehn prioritären Punkten eingereicht. Aktuell geht es weiterhin um die zügige Flächenbereitstellung und die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Darüber hinaus brauchen wir eine Anpassung der Realisierungsfristen im EEG, schließlich haben sich die Lieferzeiten für wesentliche Komponenten massiv verlängert. Zudem ist eine sinnvolle Anschlussregelung für die Entwicklung der Höchst­werte in den Ausschreibungen notwendig. Bei der Flächensicherung ist eine Duldungspflicht für Netzanbindungsleitungen sowie die Nutzung von Wegen wichtig, natürlich gegen eine angemessene finanzielle Entschädigung. Bereits genehmigte Projekte dürfen nicht an der Kabelverlegung scheitern oder daran, dass wir die Anlagen nicht auf die Baustelle bekommen. Last but not least brauchen wir im Artenschutz noch pragmatischere und praktikablere Lösungen. Die Novelle des Bundesnaturschutzgesetzes wirft an vielen Stellen mehr Fragen auf, als sie beantwortet.

Im Interview: Carsten Bovenschen

Bovenschen, CarstenCarsten Bovenschen ist seit 2021 Vorsitzender der Geschäftsführung der JUWI GmbH mit Sitz in Wörrstadt. Der Diplom-Kaufmann war zuvor in leitenden Positionen bei verschiedenen Unternehmen beschäftigt, unter anderem als Finanzvorstand bei der Akasol AG in Darmstadt, einem Hersteller von Hochleistungsbatteriesystemen.

Stichwörter: Windenergie, juwi,


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Windenergie

Stadtwerke Amberg/VSB Deutschland: Gemeinsames Windenergieprojekt bei Köfering

[21.11.2024] Die Stadtwerke Amberg und VSB Deutschland haben jetzt den Startschuss für ein Windenergieprojekt südlich von Köfering nahe der A6 gegeben. mehr...

Das Bild zeigt eine Windkraftanlage im Bau. Der Turm steht bereits, im Vordergrund liegen die Rotoren auf dem Boden.

BWE: Ausschreibungen auf Rekordniveau

[05.11.2024] Der Ausbau der Windenergie an Land erreicht neue Höhen. Mit einem Ausschreibungsvolumen von über 4.000 Megawatt und einer robusten Genehmigungslage nähert sich Deutschland seinem Ziel von 10.000 Megawatt Windenergiezubau pro Jahr. mehr...

Rheinland-Pfalz: Neues Onlineportal für Windkraftausbau

[31.10.2024] Ab dem 1. November 2024 können interessierte Nutzer in Rheinland-Pfalz auf ein neues Flächenportal zugreifen, das den Ausbau der Windenergie im Land voranbringen soll. Das von Innenminister Michael Ebling und der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD Nord) entwickelte Tool stellt umfangreiche Daten zu potenziellen Windkraftflächen bereit und ermöglicht eine detaillierte Planung. mehr...

Stadtwerke Tübingen: Neuer Solarpark in Bayern

[28.10.2024] Die Stadtwerke Tübingen beliefern die Universität und das Universitätsklinikum künftig direkt mit selbst erzeugtem Ökostrom aus ihrem neuen Solarpark in Bayern. Die langfristige Zusammenarbeit im Rahmen eines zehnjährigen Power-Purchase-Agreements soll die regionale Energiewende stärken und bei den beteiligten Partnern für Preisstabilität und Klimaschutz sorgen. mehr...

WindGISKI: Standorte für Windkraft mit KI identifizieren

[25.10.2024] Das Forschungsprojekt WindGISKI der Leibniz Universität Hannover hat erste Ergebnisse zur Nutzung von Künstlicher Intelligenz in der Planung von Windenergieanlagen vorgestellt. Ziel des Projekts ist es, mithilfe eines KI-gestützten Geo-Informationssystems Standorte für Windkraft effizienter und konfliktfreier zu identifizieren. mehr...

Windpark im Schwarzwald: Baden-Württemberg will erneuerbare Energien dynamisch ausbauen.

Baden-Württemberg: Vorranggebiete für Windenergie in Planung

[17.10.2024] Der Ausbau der Windenergie geht in Baden-Württemberg nur langsam voran – beschleunigen soll ihn die Windenergieregionalplanung. Ende September 2025 soll die Planung abgeschlossen sein und dann die Vorranggebiete für Windkraft feststehen. mehr...

Windrad mit Blick auf den Soonwald© Doris Becker

Rhein-Hunsrück-Kreis: Grüne Stromproduktion auf neuem Höchststand

[15.10.2024] 
Die erneuerbare Stromproduktion hat im Rhein-Hunsrück-Kreis im Jahr 2023 einen neuen Höchststand erreicht. Insbesondere bei der Windkraft konnte der Stromertrag durch Repowering deutlich gesteigert werden. mehr...

Dußlingens Bürgermeister Thomas Hölsch und Hanno Brühl, Prokurist der Stadtwerke Tübingen, beim Unterzeichnen des Pachtvertrags.

Stadtwerke Tübingen / Dußlingen: Pachtvertrag für Windpark unterzeichnet

[11.10.2024] Auf der Gemarkung Dußlingen sollen sich künftig Windräder drehen. Der Gestattung kommunaler Flächen für den interkommunalen Windpark hat die Gemeinde bereits im Mai zugestimmt. Nun wurde auch der Pachtvertrag mit den Stadtwerken Tübingen unterzeichnet. mehr...

Die kommunale Beteiligung an Windenergieprojekten bringt Schwung in den Ausbau der erneuerbaren Energien.

Windenergie: Kommunen finanziell beteiligen

[07.10.2024] Das Erneuerbare-Energien-Gesetz beteiligt Kommunen seit dem Jahr 2023 an Windenergieprojekten. Dadurch werden die Vorteile der Energiewende vor Ort erfahrbar. Auch die Projektentwickler begrüßen die neue Möglichkeit der finanziellen Beteiligung und wenden sie konsequent an. mehr...

Saarland: Neue Förderrichtlinie für Windkraft

[25.09.2024] Das Saarland führt eine neue Förderrichtlinie ein, um den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen. Kommunen können ab sofort finanzielle Unterstützung für die Flächenplanung erhalten. mehr...

Der Windpark Olsberg-Mannstein im nordrheinwestfälischen Hochsauerlandkreis wird von MVV betrieben.

MVV: Windpark im Hochsauerland startet

[25.09.2024] MVV nimmt den Windpark Olsberg-Mannstein im Hochsauerland in Betrieb. Sieben Windenergieanlagen mit Gesamtleistung von über 24 Megawatt können Strom für 25.000 Haushalte liefern. mehr...

JUWI: Mehr als 3.000 MW Windkraft

[19.09.2024] Mit dem Bau von zwei Windparks im Hochsauerlandkreis in Nordrhein-Westfalen überschreitet JUWI die 3.000 Megawatt-Schwelle. mehr...

Das Bild zeigt einen Windpark in Nordfriesland.

Bundesnetzagentur: Windkraft mit Rekordzuschlägen

[18.09.2024] Die Bundesnetzagentur hat die aktuellen Ausschreibungsergebnisse für Windenergie an Land veröffentlicht. Mit einem Volumen von knapp drei Gigawatt wurde das jährliche Ausbauziel deutlich übertroffen. Die meisten Zuschläge gingen nach Nordrhein-Westfalen. mehr...

WindEurope-Bericht für das erste Halbjahr 2024

WindEurope-Bericht: Deutschland treibt Ausbau voran

[13.09.2024] Der europäische Windenergieverband WindEurope hat seinen Bericht für das erste Halbjahr 2024 veröffentlicht. Vor allem Deutschland sticht mit einem Rekordwachstum hervor. mehr...

eno energy: Thüringer Wind für Heidenheim

[13.09.2024] eno energy verkauft einen schlüsselfertigen Windpark in Thüringen an die Stadtwerke Heidenheim. mehr...