Sonntag, 22. Dezember 2024

BreitbandGlasfaser und Fernsehen Hand in Hand

[12.07.2023] Im Bereich Glasfaserausbau und Internet-Versorgung sind Kooperationen zwischen Wohnungswirtschaft und Stadtwerken nicht die Regel. Dabei könnten beide Seiten von einer solchen Zusammenarbeit profitieren. Brisant wird das Thema durch den Wegfall des Nebenkostenprivilegs.
Stadtwerke als TV- und Internet-Anbieter.

Stadtwerke als TV- und Internet-Anbieter.

(Bildquelle: Alextype/stock.adobe.com)

Traditionell haben Stadtwerke und Unternehmen der Wohnungswirtschaft (WoWi) im Bereich Strom, Gas und Wärme eine enge Verbindung. Nicht flächendeckend üblich sind hingegen Kooperationen im Bereich des Glasfaserausbaus und der Internet-Versorgung. Dabei können auch hier beide Seiten von einer Zusammenarbeit profitieren.

Ideale Partnerschaft

WoWi-Unternehmen sind zuverlässige und professionelle Geschäftspartner, die sich langfristige Planbarkeit wünschen. Sie sind am flächendeckenden Glasfaserausbau interessiert, da dies die Attraktivität ihrer Immobilien steigert. Für Stadtwerke bieten sie ideale Bedingungen für einen wirtschaftlichen Breitbandausbau. Denn mit einer hohen Kundenanzahl auf relativ kleinem Raum können Planung, Bau, Vertrieb und Marketing äußerst effizient durchgeführt werden. Zudem haben die bereits mit Highspeed-Internet und gegebenenfalls digitalem Kabelfernsehen (DVB-C) ausgestatteten Liegenschaften häufig eine Vorbildwirkung und überzeugen auch umliegende Immobilienbesitzer von einem Vertragsabschluss.
Brisanz gewinnt die Idee der Zusammenarbeit durch die Abschaffung des Nebenkostenprivilegs zum 30. Juni 2024. Die gesetzliche Regelung erlaubte es Vermietenden, Kosten für einen Kabelanschluss auf die Nebenkosten umzulegen. Nun müssen sie entweder separate Regelungen mit den Mietenden finden oder diese ihren Kabelanbieter frei wählen lassen. Zeitgleich verpflichtet die im Jahr 2021 erfolgte Novellierung des Telekommunikationsgesetzes bei Neubauten und Renovierungen zum Glasfaserausbau bis auf Netz­ebene 4 (im Gebäude). Um diesen FTTH-Ausbau (Fibre to the Home) zu fördern, soll neue Glasfaserinfrastruktur in Gebäuden auch künftig noch für fünf Jahre mit maximal fünf Euro auf die Nebenkosten umgelegt werden können. Nach Erfahrungen des Unternehmens tktVivax sind die Bedingungen für die Weiterberechnung der Kosten allerdings kritisch zu betrachten und sollten im Einzelfall geprüft werden. Empfehlenswert ist, dass Stadtwerke den Ausbau der Netzebene 4 kostenfrei für die Wohnungsgesellschaften durchführen.

Auf der Suche nach Partnern

Die Wohnungsgesellschaften suchen nach Partnern, mit denen sich die gesetzeskonforme Internet- und TV-Versorgung rechtzeitig umsetzen lässt. Die kommunalen Versorgungsunternehmen punkten hier als lokale Partner, die den WoWi-Unternehmen eine leistungsstarke und zukunftsfähige Infrastruktur ohne Investitionskosten bei minimalem Verwaltungsaufwand bieten. Die WoWi-Unternehmen steigern so den Wert ihrer Objekte nachhaltig, ihre Mietenden profitieren von höchstmöglichen Übertragungsraten und einer stabilen Internet-Verbindung. Beim Ausbau als Open-Access-Netz steht den Bewohnenden eine große Auswahl an Internet-Anbietern zur Verfügung und auch den TV-Anbieter können sie frei wählen. Wird kein TV-Anschluss benötigt, entfallen diese Kosten für die Mietenden. Ein weiterer Vorteil ist die räumliche Nähe der Stadtwerke.
Vorab sollten die Stadtwerke allerdings genau kalkulieren, ob die hohen Anfangsinvestitionen tatsächlich amortisiert werden können und beispielsweise die verhältnismäßig geringen Margen im TV-Bereich ausreichend sind. Wie hoch ist außerdem die Take-Rate für Basis-TV-Angebote, wenn Mietende die Wahl haben? Wie lange wird der DVB-C-Standard überhaupt noch relevant sein? Sollte man schon jetzt vollständig auf IPTV setzen? Dann müssten die Mietenden aber eventuell neue Endgeräte anschaffen, und auch der Teletext funktioniert nicht mehr. Zuletzt kann außerdem der Vertrieb, insbesondere der Door-to-Door-Vertrieb, herausfordernd sein. Denn im Gegensatz zu Wohngebieten mit Einfamilienhäusern ist die demografische Zusammensetzung und Einkommensstruktur in großen Wohnobjekten meist deutlich komplexer.

Zwei Geschäftsmodelle

Entscheidet sich der Kommunalbetrieb dazu, kein Basis-TV anzubieten, bleibt die bereits vorhandene Koaxial-Infrastruktur bestehen, das Fernsehsignal kommt weiterhin vom bisherigen Anbieter. Die Glasfaserleitungen verlegen die Stadtwerke parallel auf der Netzebene 4. Dies sollte nach der Erfahrung von Vivax Consulting und der tktVivax Group auf jeden Fall kostenfrei und mit Open Access erfolgen. Das Glasfasernetz befindet sich dann im Eigentum der Stadtwerke, wodurch diese direkt vom hohen Absatzpotenzial und guter Netzauslastung profitieren.
Allerdings ist bei dieser Variante die Take-Rate geringer, während die Ausbaukosten relativ hoch sind. Bei Open Access gibt es keine Garantie, dass sich Mietende für die Produkte der Stadtwerke entscheiden. Außerdem sorgt die parallele Vertragsbeziehung mit dem jeweiligen Koax-Anbieter für organisatorischen Mehraufwand und Unsicherheit aufseiten der Wohnungswirtschaft.
Möchte das EVU die Wohnungswirtschaft mit linearem Fernsehen (das typische DVB-C Basis-TV) versorgen, ist dies über das neu ausgebaute Glasfasernetz möglich. Damit das TV-Signal zum Endgerät gelangt, können entweder in jeder einzelnen Wohneinheit so genannte ONT-Geräte (Optical Network Termination) installiert werden, die das Lichtsignal aus der Glasfaser umwandeln und für die Fernsehgeräte nutzbar machen. Bestehende Koax-Kabel im Gebäude werden dann gar nicht mehr genutzt. Oder es wird nur ein ONT-Gerät pro Gebäude verbaut. Den Rest des Wegs legt das TV-Signal über die vorhandene und somit weiter genutzte Koaxial-Infrastruktur zurück.

Enormes Absatzpotenzial

In beiden Fällen besteht aufgrund geringerer Konkurrenz enormes Absatzpotenzial. Es lässt sich eine besonders hohe Netzauslastung erreichen, was wiederum höhere Einnahmen bedeutet. Dank Open Access können Mietende bei ihrem bisherigen Basis-TV-Anbieter bleiben. Die WoWi-Unternehmen haben außerdem einen zentralen Ansprechpartner für Internet und Fernsehen. Allerdings sind bei diesem Geschäftsmodell die Anfangsinvestitionen noch höher, während die Margen für TV-Produkte gering bleiben. Möglichst effiziente Prozesse sind also absolute Grundvoraussetzung. Auch könnten Mieter mit der veränderten Situation bezüglich ihres TV- und Internet-Anbieters unzufrieden sein und zur Konkurrenz wechseln – insbesondere, wenn diese ein günstigeres Angebot macht.
Auf welches Geschäftsmodell sollten sich Stadtwerke also festlegen? Die Antwort lautet: auf keines. Anstatt starr eine Vorgehensweise zu fokussieren, empfiehlt es sich, flexibel zu bleiben. Da die Anforderungen der WoWi-Unternehmen, abhängig etwa von deren Mieterstruktur oder Gebäudestand sehr unterschiedlich ausfallen können, müssen Kommunalbetriebe von Fall zu Fall entscheiden. Eine Prozessschablone dafür sieht wie folgt aus: Im ersten Schritt sollten Stadtwerke den direkten Kontakt zur Wohnungswirtschaft in ihrem Einzugsgebiet suchen – häufig besteht dieser bereits durch andere Kooperationen. Parallel startet die Analyse der individuellen Situation auf Basis der Auskünfte der Unternehmen und der Daten der Stadtwerke. Anschließend können sowohl eine Roadmap, an der sich alle weiteren Planungs- und Ausbauschritte orientieren, als auch konkrete Produkte für Internet und TV entwickelt werden. Steht dieses Gerüst, sollten zielführende Verhandlungen schnell zum Vertragsabschluss führen.

Erste Schritte einleiten

Spätestens am 30. Juni 2024 müssen dann alle Gebäude in Betrieb genommen werden, um Versorgungslücken bei den Mietern zu verhindern. Traditionelle Kabelnetzbetreiber und große Internet-Anbieter gehen schon verstärkt mit Angeboten auf die Wohnungswirtschaft zu. Auch interessierte Stadtwerke sollten nun die ersten Schritte einleiten. Unterstützung finden sie bei externen Partnern wie Vivax Consulting und der tktVivax Group.

Lisa Martens ist Geschäftsführerin der Vivax Consulting GmbH.




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