Freitag, 22. November 2024

BürgerbeteiligungEnergie bringt Zinsen

[21.02.2022] Die Beteiligung der Bürger an der Finanzierung von Erneuerbare-Energien-Projekten stärkt deren Akzeptanz. Mit den verschiedenen Modellen können Stadtwerke auch die Urbanisierung der Energiewende aktiv umsetzen.

Erneuerbare Stromerzeugung ist vor allem ein Thema für ländliche Regionen, für Freiflächen und Offshore? Eine Aussage, die so schon lange nicht mehr stimmt. Der Solar­ausbau in den Städten nimmt zu und wird durch die Solarpflicht in einigen Bundesländern zusätzlich beschleunigt. Baden-Württemberg, Berlin und Hamburg haben die Installation von Photovoltaikanlagen bei Neubauten oder Dachsanierungen zur Pflicht gemacht. Bis 2030 sollen 80 Prozent des Bruttostromverbrauchs in Deutschland aus erneuerbaren Energien geliefert werden. Die neue Ampel-Regierung plant, die Installation von Solar­anlagen für gewerbliche Neubauten bundesweit zu beschließen, bürokratische Hürden abzubauen und die „Bürgerenergie“ weiter zu stärken.

Urbanisierung der Energiewende

Die Urbanisierung der Energiewende bietet für Stadtwerke enorme Chancen: Die vergangenen Jahre haben gezeigt, wie sehr das Gelingen der Energiewende von bürgerlicher Akzeptanz abhängig ist. In ihrer Rolle als regionale Versorger sind Stadtwerke dicht an den Menschen. Sie können hier ihr Know-how im Bereich der Solarstrom­erzeugung und -vermarktung einbringen und dabei den Regional­bezug stärken.
Immer mehr Stadtwerke verbinden den Solarausbau in der Stadt mit einer Bürgerbeteiligung. Insbesondere im Bereich der finanziellen Beteiligung ist aktuell viel in Bewegung und diverse neue Projekte werden angestoßen. Dabei liegen die Vorteile einer finanziellen Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort auf der Hand: Betroffene werden zu Beteiligten, sie werden aktiv eingebunden statt nur informiert. Die Finanzierung wird auf mehrere Standbeine gestellt und die Investitionskosten verteilt. Für die Bürger dient die Beteiligung zugleich als Geldanlage mit einer ansprechenden Verzinsung.
Eine finanzielle Bürgerbeteiligung lässt sich je nach Projekt und örtlichen Gegebenheiten ganz unterschiedlich ausgestalten. Am Markt lassen sich aktuell diverse Formen von Beteiligungen beobachten. Neben dem Genossenschaftsmodell und Kommanditgesellschaften gewinnen auch Crowdfunding (Schwarmfinanzierung) und Beteiligungsmöglichkeiten über Sparbriefe immer mehr an Beliebtheit. Mit einem eigenen Kompetenzzentrum für Bürgerbeteiligung unterstützt die Deutsche Kreditbank (DKB) seit dem Jahr 2013 nachhaltige Projekte mit Bürgerbeteiligungen etwa in den Bereichen Energie und Wohnen. Über 165 Bürger­beteiligungsprojekte hat die DKB bereits erfolgreich begleitet.

Ideelle Beteiligung

Sparbriefe, wie das DKB-Bürgersparen, sind eine indirekte und ideelle Beteiligung der Bürger an einem Investitionsvorhaben in Form einer laufzeitgebundenen und festverzinsten Spareinlage. Die Bürger können sich risikolos und unabhängig vom eigentlichen Projekterfolg beteiligen. Die Stadt­werke als Vorhabenspartner realisieren das Projekt und erhöhen durch die risikolose Geldanlage die Akzeptanz vor Ort.
Bei dieser Form der Bürgerbeteiligung ist vom Stadtwerk zu berücksichtigen, dass das Geld der Bürger auf dem Sparkonto bei der Bank verwahrt wird und nicht als Finanzierungsbaustein für das Projekt verwendet werden kann. Es dient der Refinanzierung des Darlehns und ist somit projektgebunden. Im Gegensatz zu anderen Beteiligungsformen besteht keine Prospektpflicht und der eigene operative Aufwand für die Organisation und Verwaltung der Bürgerbeteiligung ist gering.

Geld von der Crowd

Zur Finanzierung von Solarprojekten kommt das Crowdinvesting infrage. Bei dieser Beteiligungsform können sich die Bürger vor Ort, aber auch überregional am Projekt beteiligen. Je nach Plattform variieren die möglichen Beiträge der Anlegerinnen und Anleger. In der Regel ist die Spanne sehr weit, um möglichst vielen potenziellen Anlegern mit unterschiedlichen finanziellen Hintergründen eine Chance zu geben. Bei der DKB-Crowd können Anleger beispielsweise Beträge zwischen 250 Euro und der gesetzlichen Obergrenze von 25.000 Euro investieren. Je nach Plattform ist die Projektsumme begrenzt. Über die DKB-Crowd können Unternehmen zwischen 100.000 und sechs Millionen Euro in Form von Nachrangdarlehen einwerben. Das Nachrangdarlehen ist hinsichtlich Laufzeit, Verzinsung und Tilgung frei gestaltbar. Aufgrund des Risikos eines Totalverlusts sollten die Zinsen entsprechend angepasst werden.
Ein umfassendes Bürgerbeteiligungsprojekt wird zurzeit von den Leipziger Stadtwerken umgesetzt: Von Oktober bis Dezember 2021 konnten die Kundinnen und Kunden der Stadtwerke eine Spareinlage an den regionalen und klima­freundlichen Projekten in Leipzig zeichnen. Das Geld der Anleger fließt in Photovoltaikanlagen für die Energieerzeugung auf den ­Dächern von Schulen und Kindergärten in Leipzig. Zeichnungsberechtigt waren dabei alle volljährigen Privatkunden der Leipziger Stadtwerke. Damit dient das DKB-Bürgersparen hier auch als Kundenbindungs- und Marketing-­Instrument.

Rendite von 1,5 Prozent

Das Projekt umfasst eine erste Tranche mit einer Laufzeit von fünf Jahren und einem Volumen von einer Million Euro, wobei die Beteiligung pro Kunde zwischen 1.000 und 5.000 Euro über diese Laufzeit beträgt. Die Beteiligten erhalten eine Rendite von 1,5 Prozent pro Jahr auf die Spareinlage. Die Auszahlung der Zinserträge erfolgt jährlich, die getätigte Einmalinvestition wird am Ende der Gesamtlaufzeit zurückgezahlt. Die DKB begleitet die Leipziger Stadtwerke bei diesem Projekt als Kooperationspartnerin und managt das Bürgersparen als Bankprodukt sowie die Vertragsabwicklung mit den Anlegern.
Insgesamt ist bei Stadtwerken ein steigendes Interesse an Bürgerbeteiligungen über Sparbriefe zu erkennen. Auch Crowdinvesting wird zunehmend populärer und von den Kunden der DKB, zu denen jedes zweite Stadtwerk in Deutschland gehört, angefragt. Aktuell zeigt sich, dass Mitarbeitendenkapazitäten in den Stadtwerken und die Phasen der Projektgenehmigungen teilweise Verzögerungen in der Umsetzung von Bürgerbeteiligungen darstellen können. Deshalb ist es notwendig, dass die neue Bundesregierung die aktuellen Hürden der Projektgenehmigung abbaut und den Prozess beschleunigt. Um die Klima- und Ausbauziele zu erreichen, müssen mehr Projekte schneller umgesetzt werden.
Mit den verschiedenen Modellen der finanziellen Bürgerbeteiligung stehen den Stadtwerken effiziente Instrumente zur Verfügung, um die Urbanisierung der Energiewende aktiv umzusetzen und die Erneuerbare-Energie-Erzeugung regional gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort zu gestalten.

Dustin Heinrich ist Leiter des Fachbereichs Energie und Versorgung bei der Deutschen Kreditbank AG (DKB). Er ist studierter Volkswirt und ausgebildeter Bankkaufmann. Seine Karriere bei der DKB begann er im Jahr 2012.




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