Samstag, 23. November 2024

Kraft-Wärme-KopplungHeute Erdgas, morgen Wasserstoff

[27.09.2021] Wasserstoff macht regenerative Energien bedarfsgerecht nutzbar. Blockheizkraftwerke können somit zum Rückgrat eines klimaneutralen Energiesektors werden. Die Anlagen von 2G Energy sind darauf vorbereitet und lassen sich nun sogar komplett mit Wasserstoff betreiben.

Um fluktuierende erneuerbare Ener­gien besser nutzen zu können, braucht es ein Energiespeichersys­tem, das den zeitlichen Versatz zwischen Erzeugung und Verbrauch überbrückt. Wasserstoff kann das leisten. Denn per Elektrolyseverfahren können große Mengen überschüssig erzeugter Energie in Wasserstoff umgewandelt und für die spätere Nutzung in diversen Anwendungen gespeichert werden. Bereits heute wird an vielen Standorten in Europa dem Erdgasnetz Wasserstoff beigemischt. Und auch die Hersteller von Blockheizkraftwerken (BHKW), in denen Erdgas durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) hocheffizient genutzt wird, stellen sich auf ein steigendes Mischungsverhältnis ein. Dem Hersteller 2G Energy ist es gelungen, seine Produkte nicht nur für den Betrieb mit anteiligem Wasserstoff zu ertüchtigen, er bietet sogar eine ganze Produktreihe für den Betrieb mit hundertprozentigem Wasserstoff an. Vor mehr als zehn Jahren startete bei 2G die Entwicklung solcher BHKW. Nun haben sie die technische Marktreife erreicht.
Sämtliche Hauptkomponenten wie Generator, Wärmetauscher und Pumpen sind beim wasserstoffgetriebenen BHKW nahezu identisch mit denen einer erd- oder biogasbetriebenen Anlage. Selbst der Motor basiert auf Erdgasvarianten, die 2G weltweit tausendfach installiert hat. Somit sind auch die Fertigungsprozesse fast identisch und die Kosten für ein Wasserstoff-BHKW übersteigen nur in geringem Maße die einer Erd- oder Biogasvariante. Um das Verdichtungsverhältnis anzupassen, werden andere Kolben genutzt. Der wesentliche Unterschied besteht aber im Prozess der Gemischbildung vor der Verbrennung. Während im Erd- oder Biogasbetrieb die externe Gemischbildung im Gasmischer und vor der Verdichtung stattfindet, erfolgt sie im Wasserstoffbetrieb erst direkt vor dem Brennraum. Dazu wird der Wasserstoff über einen Gasinjektor in den Ansaugtrakt geleitet, bevor das zündfertige Gemisch dem Brennraum zugeführt wird – die so genannte Saugrohrdirekteinblasung. Im Wasserstoffbetrieb wird also nur die Luft verdichtet und gekühlt.

Wasserstoff assoziieren viele mit Gefahr

Wasserstoff weist eine höhere Zündfreudigkeit und eine schnellere laminare Flammengeschwindigkeit auf. Die verdichtete Luft wird erst kurz vor der Verbrennung mit dem Wasserstoff ver­mischt, um unkontrollierte Zündungen zu vermeiden. Im Unterschied zum Erdgasbetrieb wird der Motor bei Wasserstoff mit einem Luftverhältnis größer drei sehr mager gefahren. Die theoretische Zündenergie ist im direkten Vergleich nahezu gleich. „Bei Wasserstoff denken viele an den Chemieunterricht in der Schule und das Knallgasexperiment. Sie assoziieren damit Gefahr“, sagt Frank Grewe, Chief Technology Officer (CTO) bei 2G Energy. „Beim Umgang mit Gasen ist ein gewisser Respekt natürlich immer geboten – von einer latenten Gefahr durch Wasserstoff im BHKW kann aber keinesfalls die Rede sein.“ Die veränderte Gemischbildung verhindert das Eindringen eines zündfähigen Gemisches in andere Teile als den Ansaugtrakt. Außerdem ist die in den BHKW vorhandene Gaswarntechnik an den Betrieb mit Wasserstoff angepasst.
Die Vermeidung von CO2-Emissionen und die hohe Gesamteffizienz von KWK-Anlagen macht Wasserstoff für die Verbrennung in BHKW besonders attraktiv. Dank der weiten Zündgrenzen von Wasserstoff und der speziellen Konzeptionierung des Motors wird ein Gas-Luft-Gemisch mit hohem Luftüberschuss verbrannt. Dadurch sind niedrige Abgasemissionen bei maximaler Motorleistung möglich. Ohne aufwendige Abgasnachbehandlung werden innermotorisch die Stickoxidemissionen auf geringste Werte nahe der Nachweisgrenze reduziert. Das magere Gemisch senkt außerdem die Temperatur bei der Verbrennung des Wasserstoffs, die bei gleichem Luftverhältnis wie bei der Erdgasverbrennung wesentlich höher wären.

Beimischung verursacht keine Probleme

Die Beimischung von Wasserstoff in das Erdgasnetz verursacht bei den Energieumwandlungseinheiten in der Regel keine Probleme. 2G hat seine Standardprodukte sogar bis zu einem Mischungsverhältnis von 40 Prozent Wasserstoff freigegeben, ohne dass wesentliche Änderungen an der Hardware vorgenommen werden müssen. CTO Grewe verweist hier auf die langjährige Entwicklungserfahrung: „Die Anpassung eines Verbrennungsmotors an veränderte Gasqualitäten oder die Nutzung komplett anderer Gasarten erfordert eine Vielzahl von Einzelmaßnahmen. Auch abseits wesentlicher Änderungen wie der unterschiedlichen Brennstoffzufuhr kommt es auf Kleinigkeiten an. Dies reicht von der Anpassung der Zündzeitpunkte über optimierte Turboladerkennfelder bis hin zu individuellen Steuerungs- und Software-Lösungen, die wir nahezu vollständig inhouse entwickeln.“ Diese technische Flexibilität ermögliche es, den Wasserstoffanteil im laufenden Betrieb zu verändern.

Nachträglich umrüsten

Bei erwarteten Wasserstoffanteilen von mehr als 40 Prozent wird der Motor als komplette Wasserstoffvariante ausgeliefert, die unter geringfügigen Wirkungsgradverlusten auch mit Erdgas betrieben werden kann. „Viele unserer Kunden erarbeiten selbst innovative Konzepte für ihre Energieversorgung. Wir unterstützen hier gerne als Projektpartner und passen die Parametrierung des BHKW individuell zum Beispiel an die saisonale Verfügbarkeit von Wasserstoff an“, sagt Grewe. Außerdem können bestehende erd- oder biogasbetriebene Anlagen nachträglich umgerüstet werden. „Das gilt für nahezu jedes heute installierte BHKW“, sagt der CTO. „Wir raten daher: Heute ein Erdgas-BHKW installieren – morgen auf Wasserstoff umrüsten.“
BHKW unterliegen strukturierten Wartungs- und Serviceplänen. Wesentliche Komponenten sollten zu den immer gleichen Zeitpunkten getauscht werden. Werden die Wartungs- und Umrüstungspläne intelligent verknüpft, können beispielsweise Kolben, die nach 32.000 Stunden Betrieb ohnehin getauscht werden müssten, direkt als Wasserstoffvariante verbaut werden. „Je nach Zeitpunkt der Umrüstung und der technischen Situation vor Ort kalkulieren wir mit Kosten von circa 15 Prozent bezogen auf das ursprüngliche Investment in das BHKW“, erklärt Grewe. Das beinhalte den Wechsel der Brennstoffzufuhr, der Brennraumkomponenten sowie die Anpassung von Anlagensteuerung und Software.
2G konnte bislang fünf BHKW in Leistungsklassen zwischen 100 und 400 Kilowattstunden für den Betrieb mit reinem Wasserstoff ausliefern. „Nun gilt es, die Leistungsausbeute der Motoren zu verbessern“, sagt CTO Grewe. „Aktuell haben wir unsere Wasserstoffmotoren mit bis zu 14 bar Mitteldruck im Vergleich zu 18 bar Mitteldruck für die Erdgasreihe freigegeben, wodurch die Leistung etwas reduziert wird. Am Entwicklungsprüfstand fahren wir Wasserstoff jedoch bereits mit 18 bar, sodass mittelfristig auch die Leistung identisch sein wird.“

Stefan Liesner ist Head of Public Affairs/Public Relations bei der 2G Energy AG.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Kraft-Wärme-Kopplung

BEE: Grüne KWK stärken

[05.11.2024] Der BEE fordert eine Verlängerung des KWKG bis 2035 nach einer Reform ab 2026. Vorab soll das Fördersystem auf zukunftsfähige, grüne Anlagenkonzepte ausgerichtet werden. mehr...

BHKW-Kompaktmodul FG 95 und Gas­fackel auf der Deponie Reesberg.

Kirchlengern: Deponie liefert grüne Energie

[17.10.2024] Auf der Deponie Reesberg in Kirchlengern erzeugt seit Mai 2024 ein Blockheizkraftwerk (BHKW) des Unternehmens Sokratherm umweltfreundlich Strom und Wärme. Betrieben wird es ausschließlich mit Deponiegas, das beim Zerfall der deponierten Abfälle entsteht. mehr...

B.KWK-Kongress: Garant für Energiewende

[16.10.2024] Der B.KWK-Kongress findet am 11. und 12. November 2024 in Berlin statt. Motto ist „Kraft-Wärme-Kopplung – Garant der Energiewende“. mehr...

Das Bild zeigt Dr. Hansjörg Roll, Technikvorstand von MVV; Dr. Georg Müller, Vorstandsvorsitzender von MVV; Uwe Zickert, Geschäftsführer MVV Umwelt, vor dem Biomassekraftwerk.

MVV Energie: Biomassekraftwerk liefert grüne Wärme

[14.10.2024] MVV Energie hat ein Biomassekraftwerk zu einem Heizkraftwerk umgebaut. Rund die Hälfte der Mannheimer Haushalte kann nun mit grüner Wärme versorgt werden. mehr...

Hoher Wirkungsgrad

Serie Best Practice KWK: Mit Dampf Strom machen

[11.10.2024] Mikro-Dampfturbinen können auch kleine Dampfmengen energetisch nutzen. In der Müllverbrennungsanlage der GMVA Niederrhein sorgt eine solche Turbine dafür, dass der bereits zur Dampferzeugung eingesetzte Brennstoff-Abfall noch effizienter genutzt wird. mehr...

2G Energy: Preis für nachhaltige H2-Produktion

[27.09.2024] Das SoHyCal-Projekt in Kalifornien, das von der Firma H2B2 initiiert und von 2G Energy unterstützt wurde, ist von der Combined Heat and Power Alliance mit dem CHP Project of the Year Award 2024 ausgezeichnet worden. mehr...

Grubengasanlage am STEAG-Standort Völklingen-Fenne.

Iqony Energy: Grubengasmotoren modernisiert

[06.08.2024] Iqony Energies modernisiert acht Grubengasmotoren im Saarland und investiert dafür 26 Millionen Euro. Damit soll die Fernwärmeversorgung effizienter und umweltfreundlicher werden. mehr...

Zwei jeweils 1

Stadtwerke Duisburg: Wärmepumpen eingetroffen

[26.07.2024] In Duisburg sind die beiden Wärmepumpen für die neue innovative Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlage (iKWK) der Stadtwerke eingetroffen. Ende des Jahres soll der Probebetrieb starten. Der Elektrokessel hat letzteren bereits erfolgreich absolviert und durchläuft derzeit die Anmeldung für den Regelenergiemarkt. mehr...

Stadtwerke können das Rohbiogas ankaufen und damit in das Speicherkraftwerk investieren.
bericht

Bioenergie: Bedeutung von Biogas und Biomethan

[01.07.2024] Der Einsatz von Biogas und Biomethan bietet Stadtwerken eine Chance. Denn die dezentrale Kraft-Wärme-Kopplungsanlage ist nicht nur schneller am Netz als große Kraftwerke, auch der Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft wird deutlich früher gelingen. mehr...

Absichtserklärung unterzeichnet: Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden.

Energie SaarLorLux: Umstellung auf grünen Wasserstoff

[01.07.2024] Das Gasmotorenkraftwerk GAMOR in Saarbrücken soll auf den Betrieb mit Wasserstoff umgestellt werden. Dazu haben die INNIO-Gruppe und der Energieversorger Energie SaarLorLux eine Absichtserklärung unterzeichnet. mehr...

Podiumsdiskussion zur Zukunft der KWK in Duisburg.

KWK: Wichtige Säule im Klimaschutz

[25.06.2024] Die Branche diskutierte auf dem 22. Duisburger KWK-Symposium Potenziale und Herausforderungen. mehr...

Christian Grotholt
interview

Interview: KWK als grüner Teamplayer

[24.06.2024] In der Energiepolitik fehlt ein klares Bekenntnis zur Kraft-Wärme-Kopplung, sagt Christian Grotholt. stadt+werk sprach mit dem Chef des Anlagenherstellers 2G Energy über die Rolle der KWK im künftigen Energiesystem. mehr...

Mithilfe der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) lässt sich Primärenergie effizienter verwerten.
bericht

Kraft-Wärme-Kopplung: Wird die Renaissance eingeläutet?

[18.06.2024] Gemäß einer Entscheidung des EuG stellt das im Jahr 2020 novellierte KWK-Gesetz als umlagebasiertes Förderinstrument keine Beihilfe dar. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, eröffnet das der Kraft-Wärme-Kopplung neue Perspektiven. Auch einige Bremsklötze ließen sich beseitigen. mehr...

Direkt an der Lahn errichten die SWG ein Gebäude
bericht

Stadtwerke Gießen: Heizenergie aus der Lahn

[27.05.2024] Die Stadtwerke Gießen (SWG) engagieren sich seit langem für die Reduzierung von CO2-Emissionen bei der Wärmeerzeugung. Ihr aktuelles Großprojekt, die innovative Kraft-Wärme-Kopplungsanlage PowerLahn, nutzt das Wasser der Lahn als Wärmequelle. mehr...