LEW WasserkraftRegelenergie vom Unteren Lech
Von auf drei Megawatt (MW) in weniger als 30 Sekunden: Als das europäische Stromverbundnetz am 8. Januar 2021 kurz vor einem großflächigen Blackout stand, musste das neue Wasserkraft-Batteriespeicher-Hybridsystem von LEW Wasserkraft am Unteren Lech in Bayern seine volle Leistungsfähigkeit beweisen. Vier Laufwasserkraftwerke hat der Kraftwerksbetreiber dort mit einem Hochleistungsbatteriespeicher vernetzt. Diese können auf Abruf bis zu vier Megawatt Primärregelenergie liefern. Wie vorgesehen konnte der Verbund die dem Übertragungsnetzbetreiber vorab zugesicherte Primärregelleistung in vollem Umfang liefern. Darüber hinaus minimiert das Hybridsystem den Verschleiß an der Turbinentechnik und die Auswirkungen auf das Flusssystem.
Dreh- und Angelpunkt des Hybridkraftwerks ist sein Lithium-Ionen-Batteriespeicher. Das Hochleistungssystem mit einer Speicherkapazität von mehr als 1.600 Kilowattstunden hat LEW Wasserkraft, eine Tochtergesellschaft der Lechwerke aus Augsburg, auf dem Gelände des Laufwasserkraftwerks in Rain am Lech installiert und mit dem Wasserkraftwerk gekoppelt (wir berichteten). Über diese Anbindung wird die Batterie mit dem Strom aus den Wasserkraftturbinen gespeist. In das Speichersystem integriert sind eine Messeinrichtung zur kontinuierlichen Bestimmung der aktuellen Netzfrequenz des Übertragungsnetzes sowie ein spezielles Energie-Management-System. Dieses steuert nicht nur die Bereitstellung von Regelenergie durch das Speichersystem, sondern kann über eine Datenverbindung zur Steuerung des Wasserkraftwerks auch dessen Stromproduktion an den jeweils aktuellen Bedarf anpassen.
Schnelle und flexible Reaktion auf Abweichungen
Das Hybridkraftwerk kann jederzeit schnell und flexibel auf die regelmäßig auftretenden Abweichungen vom Sollwert der Netzfrequenz von 50 Hertz (Hz) reagieren. Meldet der Frequenzmesser eine entsprechende Abweichung, startet das Energie-Management-System augenblicklich die Primärregelung und aktiviert die Leistung des Hybridkraftwerks proportional zu den Abweichungen der Netzfrequenz. Wird mehr Strom benötigt, wird Energie aus der Batterie eingespeist. Muss das Netz schnell entlastet werden, nimmt die Batterie Strom auf. Erst wenn Batteriekapazität und -leistung nicht ausreichen, um die aus dem Hybridkraftwerk vermarktete Regelleistung abzudecken, wird die Leistung der Wasserkraftturbinen angepasst.
Seit Anfang vergangenen Jahres stellt der Verbund aus Batteriespeicher und Wasserkraftwerk in Rain am Lech Primärregelenergie bereit. Nach und nach hat LEW die schwäbischen Laufwasserkraftwerke in Ellgau, Oberpeiching und Feldheim in das Hybridsystem integriert. Seit März 2021 sind nun alle Kraftwerke am Unteren Lech über Datenanbindungen an das Energie-Management-System des Hybridkraftwerks gekoppelt. Als Primärregelenergie vermarktet wird von LEW derzeit eine Gesamtleistung von bis zu vier MW. Der Batteriespeicher allein kann unter Berücksichtigung einer entsprechenden Pufferkapazität mindestens ein MW Leistung übernehmen. Jedes angebundene Kraftwerk stellt ein weiteres Megawatt zur Verfügung, wobei jeweils nur drei der vier Kraftwerke gleichzeitig an der Bereitstellung von Regelleistung beteiligt werden. Die Regelleistung des Hybridkraftwerks vermarkten die Lechwerke als präqualifizierter Regelleistungsanbieter zusammen mit Erzeugern, Verbrauchern und Speichern unter anderem von Stadtwerken und Industriekunden. Damit nimmt LEW regelmäßig an den Ausschreibungen der deutschen Übertragungsnetzbetreiber teil und stellt sowohl positive als auch negative Regelenergie bereit.
Beitrag zur Sicherung der Stromversorgung
Technisch ist jedes Laufwasserkraftwerk in der Lage, Schwankungen im Stromangebot des Netzes auszugleichen. Durch das Verändern des Turbinendurchflusses lässt sich die Stromerzeugung jederzeit kurzfristig verringern oder erhöhen. Dank dieser Flexibilität leisten die von LEW Wasserkraft betriebenen Anlagen seit Jahren einen wichtigen Beitrag für die Sicherheit der Stromversorgung im Bereich der Sekundärregelung und der Tertiärregelung (Minutenreserve). Bei der Sekundärregelung wird die Leistung innerhalb von fünf Minuten so angepasst, dass das Kraftwerk je nach Zustand des Netzes mehr oder weniger Strom einspeist. Bei der Tertiärregelung geschieht dies binnen 15 Minuten.
Deutlich schnellere Reaktionen erfordert die Primärregelung. Hier muss das Kraftwerk oder der Kraftwerksverbund innerhalb von 30 Sekunden auf Netzschwankungen reagieren – und das variabel in sehr kurzen Zeitabständen. Wollte man dies ausschließlich mit den technischen Möglichkeiten eines klassisch gesteuerten Wasserkraftwerks erreichen, müsste die Leistung des Kraftwerks immer wieder und schnell angepasst werden – entsprechend hoch wäre der Verschleiß der Mechanik an den Turbinen. Anders funktioniert das Hybridkonzept der Lechwerke. Denn der überwiegende Anteil der Primärregelleistung wird allein durch den Batteriespeicher erbracht. Eingriffe in die Turbinensteuerung und der damit verbundene Verschleiß der mechanischen Kraftwerkskomponenten werden weitgehend vermieden. Wegweisend ist das vor allem bei den häufig nötigen kleineren Frequenzanpassungen. Ohne Batteriespeicher wären für den Primärregelbeitrag der Kraftwerke am Unteren Lech jährlich etwa drei Millionen Stellbefehle erforderlich. Im Hybridsystem sind pro Jahr nur noch wenige tausend Eingriffe in die Turbinensteuerung nötig.
Hohe Ausfallsicherheit
Ein bedeutender Mehrwert des Hybridkonzepts ist seine hohe Ausfallsicherheit. Selbst bei einem Komplettausfall des Batteriespeichers oder einer Unterbrechung der Datenkommunikation zwischen den vier Kraftwerksstandorten ist die Bereitstellung der Regelenergie gewährleistet. Dafür haben die LEW-Experten jedes der vier Wasserkraftwerke unter anderem mit einem separaten Frequenzmesssystem am Netzzugang ausgestattet. Sollte das gemeinsame Energie-Management-System nicht sofort auf eine Frequenzabweichung im Stromnetz reagieren, springen die Wasserkraftwerke ein und nehmen die erforderlichen Anpassungen ihrer Kraftwerksleistung eigenständig vor. Das Zusammenspiel sämtlicher Komponenten des Hybridsystems haben die Fachleute im Vorfeld ausgiebig getestet und im Rahmen einer Präqualifizierung zertifiziert.
Mit einer Gesamtleistung von mehr als 40 MW sind die vier Wasserkraftwerke am Unteren Lech ein wichtiger Baustein für die Energiewende in der Region. Zusammen liefern sie jedes Jahr mehr als 220 Millionen Kilowattstunden Strom. Zusätzlich tragen sie nun mit Primärregelleistung dazu bei, die Stabilität der Stromnetze zukunftssicher zu gewährleisten. Dabei konnte der Verschleiß an den Turbinen durch die Kopplung mit der Batterie erfolgreich reduziert werden, sodass keine Mehrkosten durch zusätzliche Revisionen und Instandsetzungsmaßnahmen zu erwarten sind. Der neuartige Anlagenverbund hat die Erwartungen voll erfüllt, sodass LEW Wasserkraft bereits an einer Machbarkeitsstudie für den Aufbau eines weiteren Hybridsystems arbeitet.
Dieser Beitrag ist im Titel der Ausgabe September/Oktober 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
Strommarktdesign: BDW fordert Wasserkraftstrategie
[27.09.2024] Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) appelliert an die Bundesregierung, die Potenziale der Wasserkraft stärker zu nutzen und fordert eine umfassende Wasserkraftstrategie, um ungenutzte Kapazitäten zu erschließen. mehr...
Grenzach-Wyhlen: Spatenstich für Power-to-Gas-Anlage
[17.06.2024] Der Bau einer zweiten Power-to-Gas-Anlage am Wasserkraftwerk Wyhlen hat begonnen, um die Produktion von grünem Wasserstoff bis Ende 2025 um fünf Megawatt zu erweitern. Dieses Projekt ist Teil des staatlich geförderten Reallabors H2-Wyhlen und wird mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. mehr...
Niedersachsen: Thesenpapier zur kleinen Wasserkraft
[11.06.2024] In einem Thesenpapier hat das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz jetzt die kleine Wasserkraft kritisiert. Angesichts der ökologischen Schäden ist sie oft nicht sinnvoll. mehr...
Branchenverbände: Mehr Wasserkraft im Winter
[29.04.2024] Die bayerischen Wasserkraftverbände prognostizieren einen Anstieg der Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund vermehrter Niederschläge in den Wintermonaten. Dies stärkt die Rolle der Wasserkraftwerke für die Energiewende und die Netzstabilität. mehr...
Bayern: Flusswärme als Heizquelle
[26.04.2024] Eine neue Studie zeigt, dass Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung und den Klimaschutz spielen kann. Mindestens die Hälfte der bayerischen Städte und Gemeinden könnte ihre Gebäude damit beheizen. mehr...
Wasserkraft: Unterschätzte Wärmequelle
[25.03.2024] Die flächendeckend in Deutschland zur Verfügung stehenden Fließgewässer bergen ein bislang wenig beachtetes Potenzial für die grüne Wärmegewinnung. Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergäben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft. mehr...
Studie: Wasserkraft als Gamechanger
[25.03.2024] Die Energy Watch Group stellt eine Studie vor, die Wasserkraftwerke als zentrale Kraft im Kampf gegen den Klimawandel sieht. Das Potenzial zur Energieerzeugung liegt bei über sieben Gigawatt. mehr...
Pumpspeicher: Starkes Leistungsplus aus Forbach
[07.11.2023] Seit über 100 Jahren erzeugt das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach mit Wasserkraft Energie. Nun wird der Standort zum leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerk ausgebaut. Da Technik und Speicher in Kavernen verlagert werden, sind die Auswirkungen auf die Umgebung gering. mehr...
Bayern: Wasserkraft mit viel Potenzial
[19.10.2023] Unterschätzte Potenziale der Wasserkraft wurden auf dem diesjährigen Seminar der beiden bayerischen Fachverbände aufgespürt. mehr...
Anwenderforum Kleinwasserkrafte: Praxisorientierter Austausch
[05.09.2023] Beim diesjährigen Anwenderforum Kleinwasserkraft stehen unter anderem die Themen Cyber-Sicherheit, Planung und Finanzierung von Kleinwasserkraftwerken im Mittelpunkt. Die Veranstaltung findet am 28. und 29. September in Rosenheim statt. mehr...
EnBW: 280 Millionen für Wasserkraft
[19.05.2023] Das Unternehmen EnBW investiert jetzt in den Um- und Ausbau des Rudolf-Fettweis-Werks in Forbach. mehr...
Wasserkraft: Grünstrom und Primärregelleistung
[25.04.2023] Im Wasserkraftwerk Wallsee-Mitterkirchen ist die mit Abstand größte Kraftwerksbatterie Österreichs verbaut. Als so genannter BlueBattery-Standort liefert es nun nicht mehr nur Strom, sondern kann auch kurzfristig Primärregelleistung zur Verfügung stellen. mehr...
Wasserkraft: Potenziale naturverträglich nutzen
[04.04.2023] In Nordrhein-Westfalen könnte aus der Wasserkraft noch mehr Energie erzeugt werden. Bestehende Anlagen sollten modernisiert und an vorhandenen Staustufen neue Kraftwerke errichtet werden. Hemmnisse und Hürden erschweren aber entsprechende Vorhaben bis hin zur Aufgabe. mehr...
EnBW: Wasserkraftwerk kann erweitert werden
[16.03.2023] Das Laufwasser- und Speicherkraftwerk in Forbach im Schwarzwald soll umgebaut und erweitert werden. Dafür hat EnBW jetzt die behördliche Genehmigung erhalten. mehr...
Wasserkraft: Potenziale rechtlich neu bewertet
[15.03.2023] Ein vom Wasserkraftverband Mitteldeutschland in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die neuen Gewichtungsvorgaben nach § 2 EEG 2023 bei allen behördlichen Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Dies würde einen erheblichen Schub für Wasserkraftprojekte bedeuten. mehr...