Montag, 18. November 2024

Smart MeteringHöheren Nutzen schaffen

[01.07.2021] Der Smart Meter Roll-out nimmt Fahrt auf. Messstellenbetreiber wollen außerdem die weiteren Potenziale des Smart Metering erschließen. stadt+werk sprach darüber mit Martin Kloppenburg von Westfalen Weser Netz und Christian Unger vom Full-Service-Anbieter GWAdriga.
Martin Kloppenburg ist Leiter Ablesesteuerung beim kommunalen Netzbetreiber Westfalen Weser Netz mit Sitz in Paderborn.

Martin Kloppenburg ist Leiter Ablesesteuerung beim kommunalen Netzbetreiber Westfalen Weser Netz mit Sitz in Paderborn.

(Bildquelle: Privat)

Herr Kloppenburg, Herr Unger, bisher wird ja eher geklagt, dass die verfügbaren intelligenten Messsysteme (iMSys) noch zu wenig Funktionalität mitbringen. Dennoch gehen Sie erste Anwendungsfälle an, die über das reine Sammeln von Messdaten hinausgehen.

Christian Unger: Im ersten Betriebsjahr ging es darum, Basisfunktionalitäten mit den Geräten abzubilden, also erstmal die einfachen Messkonstrukte. Das ist gelungen und die Geschäftsprozesse laufen stabil, sowohl was die Geräte als auch die Applikationsseite angeht. In diesem Jahr kommen nun komplexere Anwendungsfälle bei unseren Kunden hinzu.

Martin Kloppenburg: Das ist beispielsweise die Adaptierung der Prozesse auf die iMSys-Plattform für Wandlermessungen bei den Gruppen, die Preisobergrenzen unterliegen und die sich einen höheren Mehrwert vom Einsatz der intelligenten Messsysteme versprechen. Die dadurch mögliche Transparenz beim Energieverbrauch und den Energiekosten kann bei dieser Zielgruppe zu echten Einsparungen führen. Der Schwerpunkt für die Umsetzung in diesem Jahr liegt auf jeden Fall auf den Einspeisern. Hier wird in Kürze voraussichtlich die gesetzliche Pflicht greifen, sodass wir damit dann produktiv sein müssen.

Wo liegen die besonderen Herausforderungen bei der Einspeisung?

Kloppenburg: Es gibt eine größere Bandbreite an Messkonstrukten. Natürlich fangen wir dort auch erst einmal mit den einfacheren an, aber wir beschäftigen uns im Projekt unmittelbar schon mit den komplexeren Anwendungsfällen. Erstmalig kommen wir mit Aspekten in Berührung, die sich in Richtung Netzdienlichkeit bewegen – also das, was sich hinter den neuen Tarifanwendungsfällen TAF9 und TAF10 verbirgt. Damit geht der Roll-out über den reinen Abrechnungszweck hinaus, nämlich ein deutlich höheres Nutzenpotenzial zu realisieren.

Unger: Davon wird übrigens der gesamte Geschäftsprozess berührt. Ein Beispiel: Baue ich einen Grid-Zähler ein oder nicht? In der Beschaffung des Geräts macht das wenige Euro Unterschied aus. Wenn ich allerdings erst später zu der Erkenntnis komme, dass ich eigentlich einen anderen Zähler bräuchte, dann habe ich eine Ersatzbeschaffung zu realisieren und muss den gesamten Prozess nochmal durchlaufen. Das Ergebnis ist ein signifikanter Kostennachteil. Da zahlt sich eine gute Vorausplanung schnell aus. Ein anderer Aspekt: Bei den Einspeisern geht es zunächst darum, erste netzdienliche Informationen zu erheben. Wenn man darüber nachdenkt, ist man aber sofort bei Themen wie Steuerbox und Con­trollable-Local-System-Schnittstelle.

„Eine gute Vorausplanung zahlt sich schnell aus.“
Kloppenburg: Deswegen machen wir uns bereits konzeptionelle Gedanken für die nächsten Schritte. Wir haben schon im Projekt Syn­ErgieOWL erste Erfahrungen mit der netzdienlichen Steuerung gesammelt. Jetzt wollen wir dieses Wissen einsetzen, um über die FFN-Steuerbox wie über den CLS-Kanal weitere Mehrwerte zu erschließen und damit den Pflicht-Roll-out zu flankieren. Dabei werden wir uns vor allem auf die Marktrolle Netzbetreiber konzentrieren, denn der ist ja für die steuernden Maßnahmen im Netz verantwortlich.

Gibt es weitere Schwerpunkte in diesem Jahr?

Kloppenburg: Ein weiteres Projekt ist bereits abgeschlossen: Seit Mai sind wir in der Lage, ein Gateway mit derzeit bis zu acht Zählern zu koppeln. Auch das benötigen wir bei den Einspeisern, denn dort gibt es neben der Einspeise- vielfach auch eine Bezugsmessung oder komplexere Messkonstrukte, die beide mit einem intelligenten Messsystem angesteuert werden müssen. Wir sind über unsere Tochtergesellschaft ESW im Wärmemarkt tätig, die Mieterstrommodelle anbietet. Dafür sind solche Messkonstrukte zwingend notwendig, denn es müssen hier immer Werte aus mehreren Wohneinheiten über das Gateway laufen.

#bild2 Unger: Derzeit setzen wir noch auf kabelgebundene Zähler-/Gateway-Anbindungen. Im nächsten Schritt werden wir ebenso Wireless M-Bus unterstützen, um die Limitierung des Kabels aufzulösen. Das ist gleichzeitig die Voraussetzung für das Mehrsparten-Metering, denn Gas- und Wasserzähler sind nur sehr selten in unmittelbarer Nähe des Stromzählers zu finden, von der Wärmemengenzählung ganz zu schweigen.

Anders als bei eher kommunal geprägten Netzbetreibern ist Ihr Netzgebiet ausgesprochen weitläufig. Wie stellen Sie die Wirtschaftlichkeit des Roll-outs sicher?

Kloppenburg: Wir haben für das Störungsmanagement ein eigenes System aufgebaut, um auftretende Fehler einzelnen Objekten zuordnen zu können. Damit können wir Störungen, die aus den verschiedenen Systemen gemeldet werden, zu Clustern zusammenführen und gesammelt einer Lösungsfindung zuordnen. Bei den stark zunehmenden Mengen an Geräten, die wir ausrollen, wird uns das helfen, die Transparenz zu bewahren. Dieses System nutzen wir bereits produktiv. Im nächsten Schritt automatisieren wir nun die Schnittstellen, beispielsweise zu unserem Dienstleister GWAdriga. Dann werden wir auch aus deren Systemen die Störungsmeldungen automatisiert übernehmen. Ein wichtiger Meilenstein für die Wirtschaftlichkeit im intelligenten Messwesen.

Wo sind die Störungen bis jetzt aufgetreten?

Kloppenburg: 75 Prozent aller Fehler entstehen bereits bei der Inbetriebnahme, der geringe Rest im laufenden Betrieb. Die Hälfte davon waren wiederum Kommunikationsprobleme. Wir haben deswegen die Einbauvorschriften konkretisiert, dokumentieren nun die Empfangs- und Einbausituation beim Kunden viel feiner und messen schon vor der Installation Pegel und Empfangsqualität. Wir haben gelernt, dass die Anbindung der Gateways stabiler sein muss, als wir das aus der Vergangenheit bei Zählern für die registrierende Leistungsmessung kennen. Geräte mit dem Mobilfunkstandard CDMA450 bieten eine eindeutig bessere Durchdringung und einen stabileren Betrieb als LTE.

Unger: Westfalen Weser Netz hat sich früh für Funknetze im 450-MHz-Frequenzband entschieden, davon profitiert der Roll-out erheblich. Mit der Entscheidung der Bundesnetzagentur, die Frequenzen an die Energiewirtschaft zu vergeben, wird in absehbarer Zeit eine bundesweite 450-MHz-Infrastruktur zur Verfügung stehen – ein wichtiger Aspekt, um die Energiewende zum Erfolg zu führen. Wir rechnen zudem mit einer zügigen Verbreitung von LTE450, sodass die verfügbare Bandbreite deutlich zunehmen und für zusätzliche Use Cases auf Basis der iMSys zur Verfügung stehen wird.

Interview: Uwe Pagel

Im Interview, Martin Kloppenburg und Christian UngerMartin Kloppenburg ist Leiter Ablesesteuerung beim kommunalen Netzbetreiber Westfalen Weser Netz mit Sitz in Paderborn. Christian Unger leitet den Bereich Service beim Berliner Unternehmen GWAdriga, einem Dienstleister für Smart-Meter-Gateway-Administration, Messdaten-Management und digitale Mehrwertdienste.



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