Sonntag, 22. Dezember 2024

OrtsnetztrafoDigitalisierung schafft Mehrwert

[21.06.2021] Einen Netzbetrieb im Blindflug gibt es bei den Stadtwerken München nicht mehr. In deren Ortsnetztrafostationen wird der Netzzustand jetzt automatisch erfasst und die Daten per LoRa-Technik übertragen.
Smart und kostengünstig ist die Lösung

Smart und kostengünstig ist die Lösung, die bei den Stadtwerken München ganz neue Möglichkeiten für den Netzbetrieb schafft.

(Bildquelle: Acal BFi Germany GmbH)

Die Netze müssen smarter werden. Nicht zuletzt die Energiewende mit der Förderung dezentraler Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen macht dies erforderlich. Noch gilt das allerdings in erster Linie für Hoch- und Mittelspannungsnetze, die schon seit Längerem mit Überwachungssystemen ausgestattet und mit Datenebenen vernetzt werden. Die Trafostationen regionaler Verteilnetze sind bislang hingegen kaum mit solch einer Technik ausgerüstet. Oft fehlt hier der Anschluss an moderne Datennetze. In Zeiten des Internet of Things (IoT) lässt sich das per Long-Range-Funktechnologie leicht ändern.
So geschehen bei den Stadtwerken München (SWM). „Wir wollten unsere Zehn-Kilovolt-Netztrafostationen nicht länger im Blindflug betreiben“, berichtet Andreas Mattivi, Leiter Netzinfrastruktur bei SWM Services. „Stattdessen wollten wir die Betriebsdaten erfassen, um mit den so gewonnenen Informationen Netzbetrieb und Kundenservice zu verbessern.“ Erreicht haben die SWM dieses Ziel im Verbund mit Partnerunternehmen. Acal BFi oblagen dabei die Kundenbetreuung und das Projekt-Management. EPS Energy lieferte die Messtechnik, insbesondere Rogowskispulen zur Messung der Belastungsströme. Krumedia kümmerte sich um die Kommunikationssoftware: Das Unternehmen entwickelte und nahm die Schnittstellen-Software in Betrieb. Auswertelektronik sowie Funktechnik wiederum produzierte die Firma Comtac. Gemeinsam erarbeiteten die Unternehmen eine End-to-End-Lösung, um Ortsnetztrafostationen zu digitalisieren und kabellos in die übergeordneten Überwachungssysteme einzubinden.

Kabellos und kostengünstig

Zur Digitalisierung des Ortsnetzes werden die relevanten Netzzustandsdaten in jeder Trafostation vom so genannten Trafo-Stationsmonitor (TSM) über standardisierte Schnittstellen erfasst und mittels der Long-Range-Funktechnologie LoRaWAN übertragen. Letztere ersetzt kabelgebundene oder auf Mobilfunktechnologien beruhende Datenübertragungstechniken. LoRaWAN gehört zur Low-Power-Netzwerk-Familie, die im unlizenzierten Spektrum im Sub-Gigahertz-Frequenzbereich arbeitet, weite Distanzen abdeckt und selbst zu Geräten in Kellern verlässliche Funkverbindungen ermöglicht. Und das bei sehr geringem Energieverbrauch und niedrigen Kosten für Netzaufbau- und -betrieb. Erkauft werden diese Vorteile durch eine begrenzte Bandbreite, die jedoch bei IoT-Anwendungen wie dem Energie-Management keine Rolle spielt.
Um die Vorteile des LoRaWAN nutzen zu können, versenden die TSM die gesammelten Daten über ihr integriertes LoRa-Funkmodul. Dank ihrer eingebauten Back-up-Batterie erfüllen die Nodes ihre Aufgabe sogar dann, wenn ihre Stromversorgung durch größere Defekte in den überwachten Netzstationen der Mittelspannungsringe unterbrochen wurde – ein wichtiges Element, um im Störungsfall reagieren zu können.

Umfassende Analyse

Aggregiert und analysiert werden die von den TSM in den Trafostationen gefunkten Daten im Energie-Management-System Smart City Control. Außerdem wurden Schnittstellen für die Netz-Server-Software anderer LoRa-­Plattformanbieter programmiert. Die TSM besitzen diverse digitale und analoge Eingänge sowie Sensoren und bieten eine Vielzahl von Funktionen zur Messung von Spannungen, Stromstärken und Temperaturen. Mit den auf diese Weise gesammelten Daten können sie den Zustand einer Trafo­station umfassend analysieren und einfache Aktionen automatisch auslösen. So können sie beispielsweise Kurzschlussabschaltungen selbsttätig zurücksetzen. In einem weiteren Schritt soll bei den Stadtwerken München die Einbindung der TSM-Daten über eine vorhandene Schnittstelle ins Prozessleitsystem der Netzführung realisiert werden.
Langzeittests mit rund 50 der insgesamt mehr als 5.000 Trafostationen der Stadtwerke München haben gezeigt, dass diese Netzebene per LoRa-Technik sicher und günstig vernetzt und digitalisiert werden kann. Auch verfügen die SWM nun über völlig neue Möglichkeiten, um den Netzzustand zu beurteilen, Fehlerzustände früh zu erkennen und Ausfallursachen zu analysieren. Änderungen beim Verbrauch lassen sich ebenso zeitnah erkennen wie Schwankungen bei der Einspeisung durch dezentrale Erzeuger. Die Ausfallzeiten der überwachten Mittelspannungsringe im Störungsfall verringerte sich, die Anzahl der Serviceeinsätze vor Ort ging zurück. Das wiederum kann Netzausfallkosten senken.
„Wo die TSM im Einsatz sind, registrieren wir eine wesentliche Verbesserung der Informationslage. Für uns ist dies Grund genug, in den kommenden Monaten große Teile unserer Netztrafostationen zu digitalisieren und neben den Verbrauchern auch die Erzeuger einzubinden – der Nutzen überwiegt bei Weitem die Kosten“, beschreibt Andreas Mattivi die Erfahrungen mit der Lösung. Anhand der gesammelten Daten lässt sich zudem genau erkennen, an welchen Stellen zusätzliche Verbraucher wie Ladesäulen oder Wärmepumpen aber auch Baustrom möglich sind. Ebenso wird ersichtlich, an welchen Stationen Investitionsbedarf besteht. Darüber hinaus lässt sich mit den Daten bei entsprechenden Verträgen mit großen Verbrauchern die Netzstabilität sichern, insbesondere hinsichtlich des §14a im EEG.

Sebastian Ziegler ist Sales Manager Fibre Optics bei der Acal BFi Germany GmbH und hat die SWM im Projekt als Hauptansprechpartner für den Partnerverbund betreut.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Netze | Smart Grid

Zukünftige Stromnetze: Transformation der Energieinfrastruktur

[10.12.2024] Am 29. und 30. Januar 2025 diskutieren Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Politik und Netzbetrieb auf der Tagung Zukünftige Stromnetze in Berlin über Strategien und Innovationen für die Transformation der Energieinfrastruktur. mehr...

Voltaris: Entwicklungen im Messwesen diskutiert

[06.12.2024] Die Voltaris Anwendergemeinschaft hat sich Ende November in Kaiserslautern zur „Expertenrunde Metering“ getroffen. Im Fokus standen aktuelle Herausforderungen und Perspektiven des intelligenten Messwesens sowie der kommende Hochlauf des Smart Meter Roll-outs. mehr...

EnBW/Stadtwerke Düsseldorf: iMSys erfolgreich migriert

[22.11.2024] EnBW hat in einer neuen Zusammenarbeit mit den Stadtwerken Düsseldorf über 4.000 intelligente Messsysteme in ihre bestehende IT-Landschaft integriert. Der Dienstleisterwechsel wurde dank eines automatisierten Prozesses in rund neun Monaten erfolgreich umgesetzt. mehr...

TenneT/TransnetBW: Einsatz von VertiGIS bei SuedLink

[19.11.2024] Die Übertragungsnetzbetreiber TenneT und TransnetBW haben sich jetzt für VertiGIS Studio als zentrale Softwarelösung für die Planung und Umsetzung des SuedLink-Projekts entschieden. mehr...

Das Bild zeigt eine Situation in einem Testlabor.

Smight: Neue Lösung für Netzstabilität

[07.11.2024] Der 14a-Lastmanager von Smight wurde erfolgreich unter realitätsnahen Bedingungen getestet. Zusammen mit dem SMIGHT IQ Copilot kann nun die gesamte Prozesskette zur Erkennung und Steuerung von Netzüberlastungen abgedeckt werden. mehr...

Cunewalde: Ortsnetzstation mit Grips

[06.11.2024] Cunewalde erhält eine intelligente Ortsnetzstation. Für die Gemeinde und SachsenEnergie ist dies ein wichtiger Schritt für Digitalisierung und Transparenz des kommunalen Stromnetzes. mehr...

Das Bild zeigt die Leitstelle des Elektrizitätswerks der Stadt Zürich. Zu sehen ist ein Mitarbeiter vor mehreren Überwachungsbildschirmen.

Zürich: ewz nutzt Leitsystem ControlStar

[04.11.2024] Um die Netzsicherheit und -effizienz zu erhöhen, hat sich das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (ewz) für das Leitsystem ControlStar des IT-Anbieters Kisters entschieden. Das neue System bietet erweiterte Funktionen zur Fehlererkennung und Regelenergie sowie zur automatisierten Datenanalyse. mehr...

Bundesnetzagentur: Niedrigere Netzentgelte im kommenden Jahr

[28.10.2024] Ab Januar 2025 können Verbraucher in Regionen mit starker Wind- und Sonnenenergieerzeugung von deutlich reduzierten Netzentgelten profitieren. Die Bundesnetzagentur setzt dabei auf eine faire Kostenverteilung und sieht insbesondere für Haushalte spürbare Einsparungen vor. mehr...

Das Bild zeigt eine riesige Kabeltrommel mit Erdkabeln, die in einen Graben verlegt werden.

SuedLink: Erste Kabel verlegt

[23.10.2024] Der Kabelhersteller Prysmian hat mit der Verlegung der ersten Erdkabel für SuedLink begonnen. Die Leitung soll sauberen Strom aus Norddeutschland in den Süden bringen. mehr...

Das Bild zeigt das Innere einer Trafokompaktstation der Stadtwerke Völklingen Netz.

Stadtwerke Völklingen: Valide Daten für die Netzplanung

[21.10.2024] Die Stadtwerke Völklingen Netz setzen auf moderne Messtechnik, um das Stromnetz zukunftssicher zu machen. Mit digitalen Lösungen zur präventiven Netzüberwachung sorgt das Unternehmen für eine stabile Energieversorgung in der Region. mehr...

Netzleitstand: Eine minutenaktuelle Netzzustandserfassung löst bei Bedarf eine dynamische Ad-hoc-Steuerung aus.

Netzsteuerung: Grenzen Digitaler Zwillinge

[15.10.2024] Mit einer Kombination aus Digitalem Zwilling und Niederspannungsleitsystem können Netzbetreiber einen wichtigen Teil der §14a-Prozesse umsetzen. Der letzte noch fehlende Baustein ist ein massendatenfähiges Flexibilitätsmanagement. mehr...

Abgebildtet ist das Umspannwerk Mentzing mit Supraleiter-Kabel im Vordergrund.

München: Erster Supraleiter in Betrieb

[11.10.2024] Der Netzbetreiber SWM Infrastruktur hat zusammen mit Partnern einen 110.000-Volt-Supraleiter entwickelt und im Münchner Stromnetz erfolgreich getestet. Der Prototyp könnte die Grundlage für die Stromversorgung der Zukunft bilden. mehr...

Einfach und schnell: Der Einbau der Smight-Technologie erfolgt von den Mitarbeitenden selbst.

Stadtwerke Frankenthal: Lösungen für ein stabiles Stromnetz

[26.09.2024] Um ihr Stromnetz besser überwachen und planen zu können, setzen die Stadtwerke Frankenthal auf die Messlösung SMIGHT Grid2. Damit wollen sie Überlastungen frühzeitig erkennen und das Netz fit für die Zukunft machen. mehr...

Oberhausener Netzgesellschaft rüstet ihre Ortsnetzstationen mit SMIGHT Grid2 aus.

OB Netz: Digitale Netztransparenz

[09.09.2024] Die Oberhausener Netzgesellschaft nutzt jetzt Echtzeitdaten, um ihr Niederspannungsnetz besser zu überwachen und effizienter zu planen. Mit der neuen Sensorik von Smight können Stromflüsse und Spannungen minutengenau erfasst werden. mehr...

Neues Umspannwerk: Stadtwerke Bochum reagieren auf den steigenden Strombedarf.

Stadtwerke Bochum: Neues Umspannwerk in Betrieb

[02.09.2024] Nach vierjähriger Bauzeit haben die Stadtwerke Bochum ein neues Umspannwerk in Betrieb genommen. Die Anlage soll den steigenden Energiebedarf decken und die Energieversorgung des innovativen Bochumer Gewerbegebiets MARK 51°7 sicherstellen. mehr...