EEG 2021Erneuerbare endlich entfesseln
Das Jahr 2021 begann mit dem Inkrafttreten der Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Kurz vor Weihnachten wurde es nach langem Ringen innerhalb der Regierungsfraktionen am letztmöglichen Termin von Bundestag und Bundesrat beschlossen. Die Erwartungen der Erneuerbaren-Branche an einen neuen Aufbruch im Stromsektor nach einem weiteren schwachen Jahr für die Windkraft, zu niedrigem Zubau bei der Photovoltaik und unzureichender Nutzung von Biomasse, Wasserkraft und Geothermie wurden allerdings nicht erfüllt.
Zwar wurden gegen Ende noch kleine Verbesserungen im Segment Bürgersolaranlagen und Mieterstrom aufgenommen, insgesamt ist das Gesetz aber von Leerstellen, Baustellen und Hindernissen geprägt. Die Erhöhung der Ausbaupfade ist vertagt, das Bekenntnis zur Energiewende als öffentliches Interesse wieder herausgestrichen und die Ausschreibungen, einst als marktwirtschaftliches Instrument gepriesen, sind weiterhin kompliziert und ins Absurde geführt.
Die Bundesregierung hat damit die Chance vertan, Versäumnisse aufzuarbeiten und den notwendigen Rahmen sowie konkrete Maßnahmen für Energiewende und Klimaschutz voranzubringen. Hier muss vor dem Hintergrund der beschlossenen Nachjustierung zeitnah ein Korrekturpaket auf den Weg gebracht werden. Im Superwahljahr 2021 ist der dringend benötigte Handlungsbedarf für eine ambitionierte Energiewende auch mit Blick auf die folgenden Regierungsjahre in Bund und Ländern zu lenken.
Ausbauziel erhöhen
Vor allem ist die auf dieses Jahr verschobene Erhöhung der Ausbaupfade im EEG entsprechend eines höheren EU-Klimaziels und realistischer Strombedarfsentwicklungen vorzunehmen. Mit der von der EU-Kommission und dem Europäischen Rat bereits beschlossenen Erhöhung des europäischen Klimaziels, das im Rahmen der Trilogverhandlungen auf mindestens 55 Prozent Treibhausgasminderung im Jahr 2030 gegenüber dem Jahr 1990 angehoben werden wird, wird es auch notwendig, das Ausbauziel für Erneuerbare im Stromsektor auf 80 statt bislang 65 Prozent bis 2030 zu erhöhen. Denn die Erneuerbaren sind der Schlüssel für mehr Klimaschutz.
Zudem wird der Bedarf an Ökostrom aufgrund der Zunahme an Wärmepumpen, Elektromobilität und grünem Wasserstoff erheblich steigen. Trotz Effizienzanstrengungen wird er nach Berechnungen des Bundesverbands Erneuerbare Energie (BEE) mit rund 740 Terawattstunden (TWh) im Jahr 2030 deutlich höher sein als die im Klimaschutzprogramm 2030 angenommene Menge von 481 TWh. Zumal im letztgenannten die Bedarfe aus der Nationalen Wasserstoffstrategie noch gar nicht eingerechnet sind. Ohne realistische Prämissen bei der Stromentwicklung droht eine Ökostromlücke von 100 TWh bis 2030.
Deswegen sind jetzt alle bürokratischen Hemmnisse im EEG zu beseitigen, das Stromsystem auf die erneuerbaren Energien umzustellen und auch die Hürden bei Genehmigungsverfahren und Flächenbereitstellung zu überwinden. Diese Korrekturen gehen über den vom Bundestag beschlossenen Entschließungsantrag hinaus, der von der Regierung die Umsetzung einiger im EEG 2021 nicht geregelter Punkte beinhaltet, wie etwa die Forderung zur Festsetzung der Ausbauziele im ersten Quartal 2021.
Paradoxon der Ausschreibungen
Kurzfristig wurden vor Verabschiedung des EEG unter Verweis auf EU-Wettbewerbsvorgaben weitreichende Änderungen des Ausschreibungsmechanismus für die einzelnen erneuerbaren Technologien vorgenommen. Bei der Windenergie droht nun nicht nur ein Netto-Rückbau, falls die jetzt enthaltene Lösung für den Weiterbetrieb keine Wirkung entfaltet, sondern es wurde auch noch eine neue Regelung eingeführt, mit der bei drohender Unterdeckung der Ausschreibung das Volumen gekürzt wird. So sollen Ausbaumengen erst ab dem Jahr 2024 neu ausgeschrieben werden, wenn die jeweilige Auktion unterzeichnet ist. Außerdem werden die Ausschreibungsvolumina nach unten angepasst, wenn aufgrund vorheriger Gebotsrunden zu erwarten ist, dass die neue Auktion wieder unterzeichnet sein wird. Damit wird das Ziel, den Markt anzureizen, völlig verfehlt, und der notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien zusätzlich entscheidend gefährdet.
Unsicherheit wird steigen
Ein ähnliches Problem besteht im Bereich der Bioenergie. Kurz vor der Verabschiedung des EEG wurden Verschlechterungen beim Flexibilitätszuschlag für Bestandsanlagen beschlossen. Zudem werden bei einer Unterzeichnung der ausgeschriebenen Menge nur 80 Prozent der Neuanlagen und 80 Prozent der Bestandsanlagen einen Zuschlag erhalten. Zwar wurden die zu niedrigen Gebotshöchstwerte, welche zur Unterdeckung der Ausschreibungen geführt hatten, in der EEG-Novelle von 14,3 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh) auf 16,4 ct/kWh angehoben, es muss sich aber noch zeigen, ob die Erhöhung ausreicht, um den Markt anzureizen. Durch die neue Regelung wird die Unsicherheit bei den Bietern vorerst jedenfalls steigen. Und der Wegfall der Ausschreibungsvolumina, die erst drei bis vier Jahre später wieder ausgeschrieben werden dürfen, führt faktisch dazu, dass die dringend benötigten Mengen verfallen.
Auch im Bereich der Photovoltaik führt die Anpassung der Ausschreibungen zu Problemen. Die Wahlmöglichkeit, ab 300 Kilowatt (kW) an der Ausschreibung teilzunehmen oder alternativ eine Vergütung für nur 50 Prozent des Stroms zu erhalten, stellt eine künstliche Marktbremse dar. Wenn die Projektierer in Zukunft an stark limitierten Förderauktionen teilnehmen müssen, um für mehr als 50 Prozent der erzeugten Strommenge eine Marktprämie zu erhalten, wird ein Großteil der ungenutzten Gewerbedächer weiterhin nicht erschlossen werden.
Lichtblicke in der Novelle
Neben Enttäuschungen und Leerstellen sowie vielen Versäumnissen enthält die EEG-Novelle auch einige Verbesserungen, die zum Teil aber nur Rücknahmen von Verschlechterungen darstellen. Eine Verbesserung ist etwa die Abschaffung der so genannten Sonnensteuer für kleine Anlagen, eine alte Forderung, die nun Photovoltaikanlagen bis 30 kW von der EEG-Umlage befreit, wenn der Strom für den Eigenverbrauch genutzt wird. Positiv hervorzuheben ist auch, dass Anlagen bis zu sieben kW zunächst nicht mit intelligenten Mess- und Steuerungseinrichtungen nachgerüstet werden müssen, denn diese Technologien sind für die Betreiber sehr kostenintensiv.
Zu begrüßen ist außerdem die Absenkung der ab 2022 einsetzenden Degression der Vergütung von Geothermie von 2 auf 0,5 Prozent. Damit wird ein gutes Zeichen für die Branche gesendet. Positiv ist auch das Signal für die kleine Wasserkraft, die mit einer installierten Leistung bis 500 kW für einen Bemessungsleistungsanteil von 100 kW einen Aufschlag in Höhe von drei ct/kWh auf ihre bestehende Vergütung erhält.
Gleichzeitig gibt es Verbesserungen beim Mieterstrom, weil hier die Voraussetzungen für die Einstufung der erzeugten Strommengen als Eigenverbrauch angepasst wurden. Die konkretisierte Formulierung im EEG mit der Fokussierung auf das Quartier macht es möglich, auch anteilig von der EEG-Umlage befreit zu werden, wenn der erzeugte Strom im Quartier geteilt wird, ohne dass entsprechendes Eigentum gegeben sein muss. Ob damit rechtliche Sicherheit geschaffen wurde, wird sich allerdings noch zeigen.
Neues Strommarktdesign
Ein besonderes Problem bleibt auch nach der Novellierung des EEG im Bereich der negativen Strompreisfenster bestehen. Die Regelung des Paragrafen 51 sah bisher einen Wegfall der Förderung vor, wenn in sechs aufeinanderfolgenden Stunden negative Strompreise auftraten. Mit der Neugestaltung des EEG wurde diese Regelung verschärft – zukünftig fällt die Förderung schon nach vier Stunden weg. In Anbetracht der Tatsache, dass die Regelung schon in der Vergangenheit nicht dazu führte, negative Strompreise zu vermeiden, wird sie das auch in Zukunft nicht tun.
Zusätzlich muss ein angemessener Kompensationsmechanismus eingeführt werden, der die durch negative Strompreise entgangene Einspeisung über einen Abrechnungsmechanismus am Ende eines jeden Jahres ausgleicht. Die nun gefundene Lösung soll die ausgefallenen Stunden nach der 20-jährigen Förderdauer nachholen. Ein Ausgleich der Stunden kompensiert allerdings nicht die verfallene Strommenge und berücksichtigt auch nicht, dass Anlagen möglicherweise gar keine 20 Jahre betrieben werden.
Überproduktion wird bestraft
So lange der Strommarkt weiterhin auf die Bedürfnisse der konventionellen Kraftwerke ausgerichtet ist, wird die inzwischen kostengünstige Produktion erneuerbarer Energie nicht an den Verbraucher weitergegeben. Vielmehr werden die Erneuerbaren für die Überproduktion am Strommarkt auch noch bestraft. Dabei ist längst klar, dass in den meisten Fällen konventionelle Kraftwerke die Verursacher der negativen Strompreisfenster sind.
Eine Neugestaltung des Strommarktdesigns auf Basis der erneuerbaren Energien muss deshalb auf der Tagesordnung stehen. Die EE-Technologien sind zur tragenden Säule des Energiemarkts aufgestiegen. Die Ausgestaltung des Strommarkts muss sich also auf die regenerativen Energien ausrichten, welche bereits heute die Verantwortung übernommen haben.
Fazit
Wenn das Stromsystem weiter flexibilisiert wird, indem Optionen wie der Zubau erneuerbarer Energien, Speicher, zuschaltbare Lasten und Sektorkopplungstechnologien angereizt und genutzt werden, und auch die noch im Markt vorhandenen fossilen Energien ihren Flexibilitätsbeitrag leisten, wird der Strommarkt mehr und mehr zukunftsfest. Eingebettet in den europäischen Verbund, in dem die Anteile erneuerbarer Energien ebenfalls weiterwachsen und Bürgerenergie gestärkt wird, steht der Modernisierung des Energiesystems nichts im Wege.
Dafür müssen in den kommenden Monaten die Weichen gestellt werden. Das Superwahljahr wird zeigen, wer es versteht, das Energiesystem der Zukunft sauber und versorgungssicher aufzustellen, und so gleichsam für regionale Wertschöpfung, Klimaschutz und eine hohe demokratische Legitimation durch konkrete Bürgerbeteiligung zu sorgen.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe März/April 2021 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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