Samstag, 23. November 2024

ElektromobilitätLadepunkte richtig setzen

[16.06.2020] Wachsende Planungssicherheit und neue digitale Angebote bieten Chancen für Stadtwerke, die den Aufbau der Lade-Infrastruktur aktiv mitgestalten wollen. Drei Kriterien sind bei der Standortsuche für Ladepunkte entscheidend.
Bei der Suche nach den perfekten Standorten für neue Ladepunkte

Bei der Suche nach den perfekten Standorten für neue Ladepunkte, sollte zunächst die bestehende Lade-Infrastruktur betrachtet werden.

(Bildquelle: Patrick Daxenbichler/stock.adobe.com)

Die Elektromobilität kommt. In diesem Jahr rollen in Deutschland zum ersten Mal im Minutentakt Elektroautos vom Band. Und die europäischen Flottengrenzwerte setzen die Produzenten zusätzlich unter Druck: Verkaufte Autos eines Herstellers müssen im Mittel einen bestimmten Kohlenstoffdioxid-Grenzwert einhalten. Dies führt zu einer Rabattschlacht. Der Marktanteil von E-Autos in Deutschland wird nun deutlich steigen. Die zum Laden der E-Autos benötigte Infrastruktur ist bisher allerdings nur eingeschränkt vorhanden. Zudem stellt der Lade-Infrastruktur-Ausbau Marktakteure vor ein Investitionsproblem. Ladepunkte zu bauen, ist teuer und langwierig, schlecht genutzte Ladepunkte sind sogar unwirtschaftlich. Aber wie können die perfekten Standorte gefunden werden, und wie können diese schnell ans Netz gehen?
Fördergelder sind reichlich vorhanden: Das große Lade-Infrastruktur (LIS)-Förderprogramm der Bundesregierung wurde gerade von 300 Millionen Euro auf 3,5 Milliarden aufgestockt. Gefördert wird bis 2023 die Tank- und Lade-Infrastruktur für Autos und Lastkraftwagen mit CO2-freien Antrieben, also neben E-Ladepunkten auch beispielsweise Wasserstoff-Tankstellen.

Standort-Tool in der Entwicklung

Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur wird aktuell ein Standort-Tool entwickelt. Daran beteiligt sind die Ingenieurgruppe IVV, die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen (RWTH), das Institut für Verkehrsforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt sowie das Reiner Lemoine Institut in Berlin. Dieses Werkzeug soll zeigen, welche Orte sich besonders für Investitionen eignen und zwar auf Basis verschiedener standortbezogener Daten, soziodemografischer Faktoren, der Beschaffenheit der vorhandenen Stromnetze und des Verkehrs. Am Ende des Projekts soll eine Karte entstehen, welche die Ergebnisse der Bewertungen von Standorten für die Infrastruktur alternativer Kraftstoffe zeigt.
Wichtigster Punkt für ein langfristig funktionierendes System bleibt jedoch die Wirtschaftlichkeit. Stadtwerke haben dabei einen Heimvorteil und können sich früh die besten Standorte sichern. Schon jetzt helfen digitale Tools dabei, diese zu finden. Hierzu gehört etwa der Fast Finder des Berliner Start-ups Localiser. Localiser setzt auf Datenanalyse und Geodaten, analysiert Standortfaktoren und gewichtet diese so, dass die besten und wirtschaftlichsten Standorte automatisch identifiziert werden können.

Drei Kriterien

Worauf es bei der Suche ankommt, lässt sich in drei Kriterien zusammenfassen: Zunächst sollte die bestehende Lade-Infrastruktur betrachtet werden. Wo sind schon Ladepunkte installiert und welchen Bedarf decken diese ab? Entsprechend sollten neue in sinnvoller Ergänzung geplant werden. Informationen über bestehende Ladepunkte sind online auffindbar über Datenbanken oder Landkarten der Anbieter.
Das zweite Kriterium ist das lokale Elektromobilitätspotenzial: Wo genau sind in der Stadt die Hotspots im Hochlauf der Elektromobilität. Forschungsprojekte haben ergeben, dass eine Reihe von soziodemografischen Parametern hierfür ausschlaggebend ist. Es geht im Kern um folgende Fragen: Wie ist die Verteilung von Einfamilienhäusern im Vergleich zu Mehrfamilienhäusern? Wie ist die Altersstruktur in der Umgebung, wie ist die Kaufkraft? Wertet man diese Daten aus, identifiziert man die Gegenden mit dem größten Wachstumspotenzial.

Points of Interest im Versorgungsgebiet

Drittens, der Ladebedarf und die passende Technik: Aktuell findet ein Großteil der Ladevorgänge noch zu Hause statt. Wenn die Anzahl der E-Fahrzeuge steigt, werden immer mehr Personen auch auf der Arbeit laden wollen, beim Einkaufen oder in anderen Situationen, in denen das Auto länger als fünfzehn Minuten parkt. Bedarfsgerechte Verteil-Algorithmen können diese Standorte identifizieren und Entscheidungshilfen anbieten, welche Ladeleistung oder -technik die passende ist. Und für Stadtwerke lohnt sich der Blick auf die Points of Interest im Versorgungsgebiet, denn die dort vorhandenen Parkplätze können in Kooperation mit den Parkplatzbetreibern in Ladestandorte umgewandelt werden.
Für den konkreten E-Mobility-Hochlauf an diesen Standorten liefert Localiser dann noch die Zahlen, sodass sich die Wirtschaftlichkeit der Ladepunkte berechnen und vergleichen lässt.

Geodatenbasierte Kundenanalyse nutzen

Stadtwerke können dadurch schneller ein gutes Ladenetz im eigenen Versorgungsgebiet schaffen, als das per Hand möglich wäre – und so die besten Standorte erschließen. Neue Geschäftsfelder sind dabei ebenfalls denkbar, wie etwa die geodatenbasierte Kundenanalyse. Mit ihrer Hilfe lassen sich ganz analog zur Suche von geeigneten Standorten auch so genannte High Potential Regions, also Regionen mit großem Potenzial, identifizieren, in denen gezielt private Ladetechnik wie Wallboxen vermarktet werden kann. Digitale Lösungen können demnach sowohl den Aufbau der öffentlichen, wie auch der halb-öffentlichen und privaten Lade-Infrastruktur beschleunigen.

DIN-Spezifikation erarbeitet

Ein weiteres Hindernis beim Ausbau wird gerade vom Deutschen Institut für Normung aufgelöst: die bislang fehlende Standardisierung. Gemeinsam mit dem Reiner Lemoine Institut, hat Localiser die DIN-Spezifikation 91433 zur automatisierten Standortsuche erarbeitet. Diese beinhaltet einen Leitfaden zur Suchraum- und Standortidentifizierung sowie Empfehlungen für Melde- und Genehmigungsverfahren. Für Stadtwerke bedeutet das neben klareren Prozessen vor allem eine verbesserte Planungssicherheit.
Es ist also ein guter Zeitpunkt für gezielte Investitionen: Der steigende Bedarf zeichnet sich deutlich ab, die Planungssicherheit ist gegeben und der Planungsaufwand ist durch die vorhandenen digitalen Tools geringer denn je. Eine aktive Rolle der Stadtwerke bietet dabei nicht nur Potenziale für die Stadtentwicklung, sondern auch wirtschaftliche Chancen.

Dr. Kathrin Goldammer

Dr. Goldammer, KathrinDr. Kathrin Goldammer studierte Elektrotechnik und promovierte 2007 in Physik; danach begann sie ihre Karriere in der Energiewirtschaft. Seit Februar 2016 ist sie Geschäftsführerin des Reiner Lemoine Instituts. Dort beschäftigt sie sich momentan mit Mobilitätskonzepten für Städte und ländliche Räume. 2018 gründete Goldammer die Firma Localiser RLI.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Elektromobilität

Bremen: Stadtreinigung präsentiert neue E-Flotte

[20.11.2024] Die Bremer Stadtreinigung hat erstmals seine Flotte von Elektrofahrzeugen vorgestellt, die zur Straßenreinigung und Abfallsammlung eingesetzt werden. Mit dieser Maßnahme wird ein entscheidender Beitrag zur Klimaneutralität der Stadt bis 2038 angestrebt. mehr...

Bis zum Jahr 2025 soll die Hälfte der Busflotte in Konstanz elektrisch fahren.

BMDV: Förderung von E-Bussen

[15.11.2024] Das Bundesministerium für Digitales und Verkehr zieht Bilanz zum Förderprogramm „Alternative Antriebe von Bussen im Personenverkehr“. Für das Programm stehen rund 1,2 Milliarden Euro zur Verfügung, rund 250 Verkehrsunternehmen haben bisher Fördermittel erhalten. mehr...

m8mit: Abrechnung diverser Ladeparks

[14.11.2024] Mit seiner cloudbasierten Abrechnungslösung für E-Mobilität begleitet m8mit gemeinsam mit den Unternehmen Autostrom plus und Westfalen Weser Ladeservice die Inbetriebnahme der ersten Ladepunkte des Deutschlandnetzes an der Autobahn. mehr...

Das Bild zeigt eine Frau an einer Ladesäule von EWE.

Netzdienliches Laden: CLS ON integriert Testprozesse

[12.11.2024] Ein neuer Prozess zum netzdienlichen Laden, der von EWE Netz mit Unterstützung von GWAdriga entwickelt wurde, ist in das Projekt CLS ON eingeflossen. Dies ermöglicht den flächendeckenden Einsatz von Steuergeräten zur stabilen und effizienten Steuerung von Elektrofahrzeugen. mehr...

Baden-Württemberg: Neue Förderprogramme für Elektro-Lkw

[31.10.2024] Baden-Württemberg unterstützt jetzt den Umstieg auf klimafreundliche Elektro-Lkw mit neuen Förderprogrammen. Das Land bietet finanzielle Anreize für Fahrzeuge und Lade-Infrastruktur, um das Ziel einer klimaneutralen Güterverkehrslogistik bis 2030 zu fördern. mehr...

Kaiserslautern: Stadt setzt auf Elektrobusse

[29.10.2024] Ab Mitte 2025 sollen die ersten Elektrobusse in Kaiserslautern im Einsatz sein. Mit der schrittweisen Einführung von 16 batteriebetriebenen Bussen leistet die Stadt einen wichtigen Beitrag zur Förderung umweltfreundlicher Mobilität und zur Reduktion von CO2-Emissionen im öffentlichen Nahverkehr. mehr...

Personen vor einer Schnellladesäule in Düsseldorf

Düsseldorf: Superschnell laden

[18.10.2024] Im Rahmen des Projekts Multi-Mo-DUS sollen in Düsseldorf bis 2026 insgesamt 18 Mobilitätsstationen mit superschnellen Ladesäulen erreichtet werden. Die erste wurde jetzt in Betrieb genommen. mehr...

Grafik zum Speicherpotenzial bidirektional-fähiger E-Autos

E.ON: Speicherpotenzial von E-Autos nutzen

[15.10.2024] Eine Schwarmbatterie aus Elektroautos, die vorbereitet sind für das bidirektionale Laden, könnte rechnerisch die Stromproduktion von mehreren Gaskraftwerken ersetzen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Potenzialanalyse von E.ON Deutschland. mehr...

Elektrobus der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm.

Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU): 46 neue Elektrobusse bis 2027

[15.10.2024] Die Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU) beschaffen bis zum Jahr 2027 46 neue Elektrobusse. Über die Hälfte ihrer Stadtbusse werden dann emissionsfrei betrieben. Die neuen Fahrzeuge sollen bis zum Inkrafttreten des neuen Nahverkehrsplans der SWU vollständig in Betrieb sein und unter anderem bessere Taktungen ermöglichen. mehr...

Das Bild zeigt einen Schnelllader in der Tiefgarage eines REWE-Markts.

Mainova: Laden bei REWE

[08.10.2024] Mainova und REWE haben ihr gemeinsames Schnellladenetz für Elektroautos in Frankfurt am Main erweitert. Im August wurden zehn neue Ladepunkte an mehreren REWE-Standorten in Betrieb genommen. mehr...

Elektromobilität auf dem Land: Wegen Sprakebülls klimafreundlicher Mobilität wurde die Gemeinde Klimakommune des Monats.

Sprakebüll: E-Autos in Nordfriesland

[27.09.2024] Die AEE zeichnet im September 2024 Sprakebüll als Energie-Kommune des Monats aus. Grund ist die klimafreundliche Mobilität der nordfriesischen Gemeinde. mehr...

Bei Ultraschnelllader (HPC) verzeichnet der BDEW-Elektromobilitätsmonitor ein besonders starkes Wachstum.

BDEW-Elektromobilitätsmonitor: Lade-Infrastruktur wächst

[24.09.2024] Die Lade-Infrastruktur in Deutschland wächst weiter stark: Im ersten Halbjahr 2024 wurden über 16.000 neue öffentliche Ladepunkte installiert. Gleichzeitig ist die Auslastung der Ladepunkte mit durchschnittlich 14,5 Prozent nach wie vor gering. mehr...

Bremen: Strategie für Lade-Infrastruktur

[06.09.2024] Der Bremer Senat hat jetzt eine Strategie für den Ausbau der Lade-Infrastruktur im öffentlichen Raum beschlossen. Ziel ist es, E-Autos in allen Stadtteilen sozial gerecht mit Ladestationen zu versorgen. Ein entscheidendes Konzept ist die Definition von Suchräumen für Ladepunkte. mehr...

Ein neues Pilotprojekt in Kassel untersucht die Nutzung von bidirektionalem Laden im Kontext der Energie- und Mobilitätswende.

Kassel: Pilotprojekt zum bidirektionalen Laden

[28.08.2024] Ein neues Pilotprojekt in Kassel untersucht die Nutzung von bidirektionalem Laden im Kontext der Energie- und Mobilitätswende. Es soll zeigen, wie Elektrofahrzeuge nicht nur Strom laden, sondern auch ins Netz zurückspeisen können, um Netzstabilität zu fördern und Kosten zu senken. mehr...

Braunschweigs Oberbürgermeister Thorsten Kornblum (2.v.l.) nimmt einen Ladepunkt an einer Straßenlaterne in Betrieb.

Braunschweig: Laden an Laternen

[07.08.2024] An 17 Straßenlaternen in Braunschweig können künftig Elektroautos aufgeladen werden. Das Pilotprojekt bietet Bürgern ohne eigenen Stellplatz eine neue Lademöglichkeit. mehr...