Mittwoch, 27. November 2024

GasErneuerbare Energie aus Gaskraftwerken

[26.09.2019] Gaskraftwerke können auch mit erneuerbarem Gas betrieben werden. Ab 2020 versprechen alle Hersteller, Turbinen anzubieten, die mit einem Anteil von 20 Prozent Wasserstoff im Gasnetz arbeiten können – ab 2030 sollen auch 100 Prozent möglich sein.
Die notwendigen Modifikationen und Neuentwicklungen

Die notwendigen Modifikationen und Neuentwicklungen, um Wasserstoff im Gasnetz verarbeiten zu können, werden in zwei Schritten ab den Jahren 2020 und 2030 verfügbar sein.

(Bildquelle: Siemens)

Gasturbinen haben als Technologie für das Energiesystem viele Vorteile: Sie produzieren verlässlich Energie unabhängig von Wetterlagen und Tageszeiten und sind so flexibel betreibbar, dass sie gut auf die schwankende Verfügbarkeit der Wind- und Photovoltaikanlagen reagieren können. Da sie zugleich noch deutlich sauberer als Kohlekraftwerke sind, gibt es in Europa einen breiten Konsens, dass Gaskraftwerke mittelfristig das Mittel der Wahl sind, um die Energiewende unter Beibehalt der Versorgungssicherheit voranzutreiben.
Trotz all dieser Vorteile stehen heute viele Kraftwerksbetreiber vor der Frage, ob sie in den kommenden Jahren in Gaskraftwerke investieren können, ohne fürchten zu müssen, dass diese aus Klimaschutzgründen vorzeitig abgeschaltet werden müssen. Die Nutzung von Erdgas ist mit dem Langfristziel der Klimaneutralität nicht vereinbar, Gaskraftwerke werden deshalb oft nur als Brückentechnologie angesehen. Dabei wird vergessen, dass Gaskraftwerke nur ein brennbares Gas brauchen – es spielt keine Rolle, ob dies Erdgas oder erneuerbares grünes Gas ist. Denkbare klimafreundliche erneuerbare Gase sind zum Beispiel Biomethan, Wasserstoff oder synthetisches Methan – ihre Nutzung in Gaskraftwerken würde es ermöglichen, die oben genannten Vorteile der Technologie klimaneutral weiter zu nutzen.

Nachrüstlösungen für bestehende Kraftwerke

Können Gaskraftwerke mit erneuerbarem Gas betrieben werden? Die im europäischen Verband EUTurbines organisierten Hersteller von Gasturbinen haben sich dazu sehr intensiv Gedanken gemacht und als Ergebnis eine Reihe von Versprechen abgegeben: Die notwendigen Modifikationen und Neuentwicklungen werden in zwei Schritten ab den Jahren 2020 und 2030 verfügbar sein. Schon heute können Turbinen mit Biomethan oder synthetischem Methan und in der Regel einer Beimischung von drei bis fünf Prozent Wasserstoff im Erdgas umgehen. Ab 2020 versprechen alle Hersteller, Turbinen anzubieten, die mit einem Anteil von 20 Prozent Wasserstoff im Gasnetz arbeiten können – ab 2030 sollen auch 100 Prozent möglich sein. Zudem sagen die Hersteller zu, Nachrüstlösungen für bestehende Kraftwerke bereitzustellen.
Insbesondere die Zusage der Industrie, Nachrüstlösungen anzubieten, schafft Planungssicherheit: Die Investition ist zukunftssicher, auch wenn im Moment Erdgas mangels Alternative als Brennstoff genutzt wird. Sobald erneuerbares Gas verfügbar ist, kann das Kraftwerk umgestellt werden. Die meisten Gasturbinen können nachträglich auf andere Gaszusammensetzungen optimiert werden. Bei einem Wasserstoffanteil von bis zu etwa 20 Prozent ist das – abhängig von der jeweiligen Brennkammer – meist ohne größere Modifikationen der Hardware möglich.

Anpassungen an das Gasgemisch

Wenn das Gemisch mehr als 20 Prozent Wasserstoff enthält, muss je nach Modell bei den meisten Herstellern eine Technologie genutzt werden, welche die Temperatur bei der Verbrennung senkt, um so die Stickoxid-Abgaswerte im gesetzlich zulässigen Rahmen zu halten. Meist geschieht dies durch die zusätzliche Einspritzung einer Flüssigkeit, etwa Wasser. Mittlerweile arbeiten alle Hersteller an technischen Lösungen, die auch hohe Wasserstoffanteile bis 100 Prozent ohne die zusätzliche Zugabe von Wasser ermöglichen werden.
Technisch anspruchsvoll bleibt in jedem Fall die Anpassung an kurzfristige Variationen in der Gaszusammensetzung. Dies ist allerdings kein spezielles Wasserstoffproblem. Während das in der Vergangenheit relativ regionale Gasnetz konstant ein in der Zusammensetzung sehr stabiles Gas lieferte, werden allein durch die Koppelung der europäischen Gasnetze, aber auch durch die steigende Einspeisung von Flüssigerdgas und erneuerbaren Gasen die Schwankungen größer. Für Effizienz, Sicherheit und Abgase ist das eine technische Herausforderung. Sie zu bewältigen wird einen Mix aus Maßnahmen benötigen – teils bei den Gasnetzbetreibern, teils durch einen optimierten und zeitigen Informationsfluss und auch durch Vorkehrungen auf Kraftwerksseite.

Dekarbonisierung vorantreiben

All die technischen Anstrengungen der Turbinenhersteller werden aber erfolglos sein, wenn die notwendige Menge an erneuerbarem Gas nicht zur Verfügung steht. Dies sicherzustellen wird eine der großen Aufgaben der Politik in den kommenden Jahren sein. Nach der europäischen Strommarktreform steht die Gasmarktreform an. Diese wird sich nicht darauf beschränken, den Gasmarkt effizienter zu organisieren, sondern sie wird – wie beim Strommarkt – die Dekarbonisierung vorantreiben.
Oft wird die Frage gestellt, ob es wirklich sinnvoll ist, knappe Wasserstoffmengen in der Rückverstromung einzusetzen. Am Ende wird die Verteilung auf Kundengruppen primär durch den Markt entschieden und da sind Gaskraftwerke zurzeit sicher nicht die zahlungskräftigste Kundschaft für Wasserstoff. Mit dem weiteren Ausbau von Wind und Solar werden allerdings auch die Überschuss-Strommengen ansteigen, die für Power to Gas zur Verfügung stehen und damit die Wasserstoffmengen.

Klimaneutrale Gaskraftwerke

Zudem weisen inzwischen selbst Klimaschutzorganisationen wie die European Climate Foundation darauf hin, dass es für die Abdeckung der Energienachfrage in Spitzenzeiten, wie kalten nordeuropäischen Wintern mit hohem Wärmebedarf, oder für die Sicherstellung der Versorgungssicherheit in den berühmten Momenten „wenn der Wind nicht bläst und die Sonne nicht scheint“ keine bessere klimaneutrale Lösung gibt als Gasturbinen, die mit Wasserstoff betrieben werden. Diese Kraftwerke werden keine hohen Laufleistungen haben und somit insgesamt keine großen Mengen an erneuerbarem Gas brauchen – aber die für den Einsatzfall vorzuhaltende Kraftwerkskapazität bleibt hoch, und die Verfügbarkeit erneuerbaren Gases für die Einsatzmomente muss gegeben sein.

Ralf Wezel

Wezel, RalfRalf Wezel ist Generalsekretär der beiden europäischen Industrieverbände EUTurbines und EUGINE mit Büros in Brüssel und Frankfurt am Main. Vor der Übernahme dieser Aufgaben im Jahr 2014 leitete Ralf Wezel die Geschäftsstellen verschiedener europäischer Industrieverbände im Bereich Maschinenbau in Brüssel.

Stichwörter: Erdgas, EUTurbines, Wasserstoff


Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Erdgas
Das Bild zeigt die Gasflamme eines Herds.

Mannheim: MVV legt das Gasnetz still

[11.11.2024] Das Mannheimer Energieunternehmen MVV plant den Ausstieg aus der Gasversorgung bis 2035. Die Bürgerinnen und Bürger sollen umfassend beraten werden, um frühzeitig auf zukunftsfähige Heizlösungen umzusteigen. mehr...

LNG aus Abu Dhabi: Vertragsunterzeichnung zwischen EnBW und der Abu Dhabi National Oil Company.

EnBW: LNG aus den Emiraten

[10.05.2024] Die Abu Dhabi National Oil Company wird die EnBW ab 2028 mit verflüssigtem Erdgas beliefern. Einen entsprechenden Vertrag haben die Unternehmen jetzt unterzeichnet. mehr...

Die Fertigstellung der EWE-Zukunftsleitung wurde mit einem Festakt gewürdigt.

EWE: Zukunftsleitung in Betrieb genommen

[02.04.2024] Innerhalb von nur 22 Monaten hat das Unternehmen EWE eine 70 Kilometer lange Erdgasleitung realisiert und an das LNG-Terminal in Wilhelmshaven angebunden. Bereits ab 2028 könnte die Leitung wesentlicher Bestandteil des deutschen Wasserstoff-Kernnetzes werden. mehr...

Öko-Institut: Erdgasverbrauch drastisch senken

[27.02.2024] Eine neue Studie des Öko-Instituts fordert, den Erdgasverbrauch in Deutschland schnell zu senken, um die Klimaziele zu erreichen. mehr...

evm hat das Projekt Erdgasumstellung abgeschlossen.

evm: Erdgasnetz auf H-Gas umgestellt

[20.12.2023] Alle Gasgeräte im Versorgungsgebiet der evm wurden von L- auf H-Gas umgestellt. Das bisher größte Infrastrukturprojekt des Unternehmens kostet rund 85 Millionen Euro. mehr...

Trianel Gaskraftwerk Hamm erhält jetzt nächstes Leistungsupgrade.

Hamm: Gaskraftwerk erhält Upgrade

[31.08.2023] Der zweite Block des Trianel Gaskraftwerks in Hamm geht jetzt in Revision. Danach soll es über mehr Leistung und einen höheren Wirkungsgrad verfügen. mehr...

BDEW: Neues Fundament für Erdgas

[31.08.2023] Ein Jahr nach dem russischen Gaslieferstopp zieht der BDEW ein positives Fazit: Die Gasversorgung sei erfolgreich auf ein neues Fundament gestellt worden. mehr...

Zukunft Gas: Stellungnahme des Verbands

[01.08.2023] Der Verband Zukunft Gas wehrt sich gegen Vorwürfe, Erdgas als klimafreundlichen Energieträger zu bewerben. Eine Stellungnahme. mehr...

Klima-Bündnis: Keine Zukunft für Gas

[31.07.2023] Mit dem Aufruf „Unsere Stadtwerke raus aus der Gaslobby!“ will das Klima-Bündnis Deutschland die kommunalen Mitgliedsunternehmen von Zukunft Gas zum Austritt aus dem Verband bewegen. mehr...

Gasmarkt-Studie: Bedeutung von LNG steigt

[06.03.2023] Das EWI hat untersucht, wie sich die globalen Gasmärkte bis 2035 entwickeln werden. Die Forscher gehen davon aus, dass die Gaspreise wieder sinken und Norwegen und die USA die wichtigsten Gaslieferanten für Europa werden. mehr...

Baden-Württemberg: Biogas statt Erdgas

[10.10.2022] Biogasanlagen im Südwesten könnten durch Leistungssteigerung dank flexibler Einsatzzeiten Erdgas in Teilen schnell ersetzen, so eine Berechnung der Plattform EE BW. mehr...

enervis: Atomkraft spart Gas

[30.09.2022] Nach einer enervis-Studie erhöht der AKW-Weiterbetrieb die Versorgungssicherheit und reduziert den Gasverbrauch. mehr...

LNG-Terminal (3D-Darstellung): Vor allem die USA werden Flüssiggas nach Europa liefern.

EWI-Studie: Erdgas aus den USA muss es richten

[23.09.2022] Eine EWI-Studie betrachtet die Folgen ausbleibender Gasmengen aus Russland auf die globalen Gasmärkte bis 2030. Flüssigerdgas aus den USA hat demnach das größte Potenzial für Lieferungen nach Europa. mehr...

Das Trianel Gaskraftwerk in Hamm wird jetzt einer Revision unterzogen.

Hamm: Gaskraftwerk erhält Leistungs-Upgrade

[02.09.2022] Das Trianel Gaskraftwerk in Hamm wird nach 15 Jahren Betrieb jetzt technisch überprüft. Im Zuge der Revision soll die Leistung des Kraftwerks gesteigert und am Einsatz von Wasserstoff gearbeitet werden. mehr...

Der Brunsbütteler Elbehafen wird zum Standort für ein schwimmendes Flüssiggasterminal.

Brunsbüttel: Zeitplan für Flüssiggasterminal steht

[25.07.2022] Im Elbehafen Brunsbüttel in Schleswig-Holstein wird künftig ein schwimmendes Flüssiggasterminal dazu beitragen, die Gasversorgung in Deutschland zu sichern. Bereits zum Jahreswechsel 2022/2023 soll es den Betrieb aufnehmen. 
  mehr...