BraunschweigAltholz ersetzt Kohle
Auf eine klimafreundliche Zukunft setzt der Braunschweiger Energieversorger BS Energy und beendet bereits im Jahr 2022 die Wärme- und Stromerzeugung aus Steinkohle. Mit rund 220 Millionen Euro stellt das Vorhaben die größte Investition in der Firmengeschichte dar. Die Modernisierung der Energieerzeugung ist das Leuchtturmprojekt bei BS Energy. Dafür wurden in den vergangenen drei Jahren zahlreiche Szenarien für die Weiterentwicklung der Erzeugung erarbeitet und intensiv geprüft. Im Dezember 2018 fiel die Entscheidung für die Kombination aus einem Biomasse- und einem Gasturbinen-Heizkraftwerk, mit denen flexibel auf die Anforderungen des Energiemarkts reagiert werden kann. Im Fokus des Konzepts standen drei Anforderungen: Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Klimaschutz. Zudem gelingt es BS Energy mit dieser Lösung, möglichst viele Arbeitsplätze am Standort Braunschweig zu sichern. Die Umsetzung dieser wegweisenden Entscheidung treibt ein fast 30-köpfiges Projekt-Team voran – und das viel früher als es der Gesetzgeber fordert.
Ausgezeichnetes Konzept
Auch der „Europäische Verband der öffentlichen Arbeitgeber und Unternehmen“ (CEEP) ist auf das Leuchtturmprojekt aufmerksam geworden und hat BS Energy mit seinem CSR-Label für gesellschaftliche Verantwortung ausgezeichnet. Bei der Preisverleihung in Stockholm im Dezember hieß es: „BS Energy verfolgt eine äußerst ehrgeizige Dekarbonisierungsstrategie. Das Vorgehen bei der Umsetzung ist interessant, weil es innovativ und leicht übertragbar ist.“
Im neuen Erzeugungskonzept wird das Steinkohle-Heizkraftwerk, das am Standort Mitte in Braunschweig Strom und Wärme produziert, durch ein Biomasse-Heizkraftwerk mit dem Hauptbrennstoff Altholz in Kombination mit einem Gasturbinen-Heizkraftwerk ersetzt. Dritter wichtiger Pfeiler bleibt neben den zwei Neuanlagen die flexible Gas- und Dampfturbinenanlage (GuD), die erst 2011 in Betrieb genommen wurde und aktuell die modernste Anlage im Kraftwerksportfolio von BS Energy ist. Weitere grundlegende Bestandteile des Konzepts sind die bestehenden Wärmespeicher auf dem Kraftwerksgelände sowie das engmaschige, sternförmig aufgebaute, weitverzweigte Fernwärmenetz mit einer Länge von aktuell 255 Kilometern, das rund 50.000 Braunschweiger Haushalte mit Wärme versorgt.
Bedeutung der Fernwärme für Immobilienbesitzer
Das neue Konzept sichert nicht nur die Strom- und Wärmeversorgung. Durch die Dekarbonisierung der Energieerzeugung unterschreiten die Emissionen die Grenzwerte im Vergleich zur Kohleverbrennung erheblich. Bei Kohlendioxid sind es künftig etwa 59 Prozent weniger, bei Stickstoffoxid 75 Prozent, bei Schwefeldioxid 94 Prozent und bei den Staubemissionen 92 Prozent.Durch die Modernisierung der Energieerzeugung wird auch die Bedeutung der Fernwärme für Immobilienbesitzer weiter erhöht. Mit einem voraussichtlichen Primärenergiefaktor zwischen 0 und 0,22 stellt die neue Fernwärme eine attraktive Wärmelösung für Investoren und Eigenheimbesitzer dar. So wird dadurch beispielsweise die Umsetzung von Modernisierungsmaßnahmen erleichtert.
Vorgesehen ist der Bau eines Biomasse-Heizkraftwerks mit dem Hauptbrennstoff Altholz einschließlich einer neuen Turbine zur Strom- und Wärmeerzeugung sowie eines Brennstofflagergebäudes. Die geplante Fernwärmeleistung liegt bei circa 60 Megawatt thermisch, die elektrische Leistung bei rund 20 Megawatt. Das entspricht dem Wärmebedarf von etwa 50.000 Braunschweiger Haushalten. Die neue Anlage deckt die Grundlast und soll ganzjährig laufen. Im Biomasse-Heizkraftwerk kommen im Wesentlichen Altholz der Klassen A I bis A IV sowie kleinere Mengen Landschaftspflegeholz als Brennstoff zum Einsatz.
Mehrstufige Rauchgasreinigung
Bei der Verbrennung des Altholzes wird nicht mehr Treibhausgas freigesetzt als es bei seinem Wachstum aufgenommen und gespeichert hat. Da im verwendeten Altholz geringe Mengen an Schadstoffen enthalten sind, wird das Heizkraftwerk den sehr strengen Anforderungen der 17. Bundes-Immissionsschutzverordnung (BImSchV) entsprechen. Durch die hohen Temperaturen bei der Verbrennung werden die meisten Schadstoffe sofort verbrannt. Den Rest übernimmt eine mehrstufige Rauchgasreinigung nach dem neuesten Stand der Technik.
Etwa 184.000 Tonnen Altholz werden jährlich zum Einsatz kommen und aus einem Umkreis von 250 Kilometern um Braunschweig stammen, der Großteil sogar aus dem noch engeren Umfeld. In diesem Bereich sind mehrere Millionen Tonnen Altholz verfügbar. Mit dem Bau der neuen Anlage kann BS Energy über Kraft-Wärme-Kopplung etwa 90 Prozent der im Holz gespeicherten Energie nutzen und ist damit deutlich effizienter als bestehende Altholzkraftwerke, die oft nur Strom produzieren. Die Brennstoffversorgung wird dabei vom Partnerunternehmen Veolia Umweltservice übernommen, das auf diesem Markt schon umfangreiche Erfahrungen hat. Ein weiterer Vorteil: Durch die kurzen Transportwege des Hauptbrennstoffs Altholz können die Logistik-Emissionen um mehr als 72 Prozent gegenüber den bisherigen Kohletransporten reduziert werden.
Ehrgeiziger Zeitplan
Zweite Säule des neuen Konzepts ist das Gasturbinen-Heizkraftwerk mit Abhitze-Wärmetauscher zur Strom- und Fernwärmeerzeugung. Die geplante Fernwärmeleistung liegt bei 50 bis 70 Megawatt, die elektrische Leistung hat eine ähnliche Größenordnung. Die Anlage unterstützt die Erzeugung flexibel vor allem in der kälteren Jahreszeit. Dies hat in einem Umfeld mit zunehmender, oft wechselnder Einspeisung von Wind- und Solarstrom große Vorteile. Neue flexible Gas-Heizkraftwerke werden – insbesondere als Ersatz für Heizkraftwerke auf Kohlebasis – von der Bundesregierung deshalb besonders gefördert, wodurch die Wirtschaftlichkeit der Anlagen sichergestellt ist.
Spätestens im Dezember 2022 ist BS Energy mit den neuen Anlagen am Netz, so die selbstgesteckte Vorgabe. Voraussichtlich im Sommer 2019 sollen die vorbereitenden Arbeiten starten und im zweiten Quartal 2020 mit dem Bau der Anlagen begonnen werden. Das Kohlekraftwerk wird dann in den Jahren 2023/2024 sukzessive vom Netz genommen und abgebaut.
Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai/Juni 2019 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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