InterviewDer Aufwand lohnt sich
Herr Wagenschwanz, juwi hat im Jahr 2018 in den Ausschreibungen für Windenergie an Land 15 Zuschläge mit einer Gesamtleistung von über 130 Megawatt gewonnen. Wie kommt es, dass juwi nun bundesweit erfolgreich ist?
Schon Anfang 2015 haben wir an der Pilotausschreibung für Photovoltaikanlagen teilgenommen, um erste Erfahrungen mit dem neuen System zu sammeln. Wir haben uns dann frühzeitig mit unserem Mutterkonzern MVV Energie und unserer Schwester Windwärts zusammengesetzt und überlegt, wie wir unser Know-how bei den erneuerbaren Energien mit der energiewirtschaftlichen Expertise eines klassischen Energieversorgers erfolgreich zusammenbringen können. Schließlich verfügt die MVV über ein umfangreiches Wissen zur Einschätzung der Energiemärkte und viel Erfahrung in Ausschreibungssystemen, zum Beispiel für Regelenergie. Gemeinsam mit der MVV und Windwärts sowie dank unserer tiefgehenden Marktkenntnisse sind wir daher in der Lage, den Markt vor jeder Ausschreibungsrunde aufs Neue sehr detailliert einzuschätzen.
Wie muss man sich das vorstellen, wo kommen die Daten für die Markteinschätzung her?
Wir haben eine umfangreiche Datenbank aufgebaut, in der neben den Daten aus dem Anlagenregister der Bundesnetzagentur auch viele Datensätze zu laufenden Genehmigungsverfahren enthalten sind. Basierend darauf arbeiten wir mit detaillierten Ertragssimulationen, die unter anderem Zuschlagswahrscheinlichkeiten für bestimmte Gebotshöhen und mehrere Folgerunden berechnen. Dabei berücksichtigen wir auch psychologische Komponenten: Bietet wirklich jeder mit, der dazu berechtigt ist? In welcher Runde? Zu welchem Preis? All das lassen wir auf mehreren Rechnern simulieren und bewerten dann die Ergebnisse in einem Expertenkreis, unserem so genannten Gebotsgremium. Bei den letzten Wind-Ausschreibungsrunden lag wegen der im Vorfeld absehbar geringen Menge an Gebotsberechtigten der Fokus der Recherche natürlich auf der Frage: Wie viele werden überhaupt bieten?
Lohnt sich das, ist der Aufwand nicht zu hoch?
Das mag einem auf den ersten Blick so erscheinen. Aber unsere bisherigen Erfolge bei den Ausschreibungen geben uns Recht: Immerhin lagen wir bei den Wind-Ausschreibungen mit 14 von 15 Zuschlägen über dem Durchschnittswert der jeweiligen Runde. Rechnet man dies in Euro um, so sprechen wir über mehrere Millionen, die wir durch unsere weitgehend richtige Markteinschätzung für uns und unsere Kooperationspartner generieren konnten. Es geht uns also nicht alleine darum, irgendwie einen Zuschlag zu bekommen, sondern vor allem darum, das optimale Gebot in der für uns optimalen Ausschreibungsrunde abzugeben.
Das heißt, Sie schauen sich nicht nur die aktuelle Ausschreibungsrunde, sondern auch die nachfolgenden Runden an?
Richtig. Mithilfe unserer Datenbank schätzen wir auch ab, wie viele neue Genehmigungen bis zu den nächsten Ausschreibungsrunden voraussichtlich erteilt werden und wie stark der Wettbewerb in den Folgerunden voraussichtlich sein wird. Wir schätzen aber, wie erwähnt, immer auch die Marktpsychologie ein. Bieten die Wettbewerber in dieser Runde oder warten sie auf eine der Folgerunden? Welche politischen Veränderungen können kurzfristig eintreten? Wie wirken sich diese auf die Ausschreibungsrunden aus? Wir haben die Voraussetzungen geschaffen, um auf kurzfristige Veränderungen schnell reagieren zu können. Deshalb bin ich überzeugt davon, dass wir auch für kleinere regionale Projektentwickler der richtige Partner sind, wenn es darum geht, gemeinsam ein Projekt optimal in der neuen Ausschreibungswelt zu platzieren.
„Viele Argumente gegen Windkraft sind Fake News.”
Wie bewerten Sie die Aussichten für das laufende Jahr?
Das Jahr 2019 wird in mehrfacher Hinsicht spannend. Schließlich soll es die ersten, seit Langem angekündigten Sonderausschreibungsmengen geben. Außerdem sollen technologieübergreifende Innovationsausschreibungen hinzukommen. Da wir uns sowohl im Wind- als auch im Solarmarkt gut auskennen, hatten wir im vergangenen Jahr richtig analysiert, dass die gemeinsamen Ausschreibungen besonders attraktive Zuschlagsniveaus für Photovoltaikprojekte bieten würden. Aus diesem Grund werden wir auch die Vorgaben für die Innovationsausschreibung genau analysieren, um für unsere Wind- und PV-Projekte möglichst attraktive Zuschläge zu generieren.
Wie kann die Windenergiebranche aus Ihrer Sicht wieder zu mehr genehmigten Projekten kommen?
Da erwarte ich neue Impulse der Branche und vor allem auch der Politik. Wir müssen beispielsweise gemeinsam etwas für die Akzeptanz tun. Die Bundespolitik sollte sich ebenso wie die lokale Politik noch mehr als bisher zum Klimaschutz bekennen und hinter den Ausbau der Windenergie stellen. Immerhin zeigen ja auch nahezu alle Umfragen, dass die Bevölkerung mit großer Mehrheit für mehr erneuerbare Energien ist. Dazu würde auch gehören, dass vor allem dort, wo bislang wenig passiert ist, einvernehmlich mit den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort neue Windvorranggebiete ausgewiesen werden.
Wie lässt sich sicherstellen, dass in diesen Gebieten dann auch wirklich Windenergieprojekte geplant werden?
Natürlich müssen diese Windvorranggebiete dann wirtschaftlich auch so attraktiv gemacht werden, dass es zu einer tatsächlichen Nutzung kommt. Aufgrund der derzeitigen Differenzierungsgrenze von 70 Prozent im so genannten Referenzertragsmodell gibt es viele ausgewiesene Flächen im Norden wie im Süden, die nicht entwickelt werden, da ihre Windhöffigkeit unter der Grenze liegt. Hier diskutieren wir seit Jahren mit der Politik, diese Grenze auf 60 Prozent abzusenken, um für die Energiewende dringend erforderliche Flächenpotenziale zu heben. Kostenseitig ist die Windenergie inzwischen so effizient, dass nur geringe Auswirkungen auf die Förderkosten zu erwarten sind. Demgegenüber steht aber ein großer Effekt zusätzlicher Projektpotenziale.
Und wie ließe sich garantieren, dass auch die Kommunen finanziell tatsächlich etwas von den Windenergieprojekten in ihren Gemeinden haben?
Die im Koalitionsvertrag festgehaltene kommunale Beteiligung sollte sehr zeitnah umgesetzt und auf eine rechtlich sichere Basis gestellt werden. Wichtig ist, dass sich tatsächlich ein positiver Effekt einstellt. Unserer Einschätzung nach kann dies über eine jährliche Abgabe in einer Größenordnung von drei Prozent der Stromerlöse im Projekt erfolgen. Mit diesen Einnahmen können kommunale Strukturen unterstützt, erhalten und ausgebaut werden. Das fördert schlagartig die Akzeptanz, und die Lokal- und Regionalpolitiker haben ein weiteres gutes Argument für die Windenergie zur Hand.
Reicht die finanzielle Beteiligung der Kommunen aus, um mehr Akzeptanz zu erreichen?
Sie ist ein wichtiger Baustein. Selbstverständlich müssen wir darüber hinaus kontinuierlich viele Themen im Bereich des Natur- und Artenschutzes bearbeiten und wissenschaftlich belegbare Fakten liefern. In den vor Ort oft emotional geführten Diskussionen hören wir leider sehr häufig wirklich Unsinniges. Viele Argumente gegen die Windkraft sind im Grunde genommen Fake News.
Dieser Beitrag ist in der Januar/Februar-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren
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