Mittwoch, 4. Dezember 2024

Smart CityTreiber der Digitalisierung

[27.02.2019] Der Aufbau einer vernetzten Stadt ist keine Frage der Größe. Das zeigt das ostfriesische Emden. Die 50.000-Einwohner-Stadt liegt im Smart-City-Ranking weit vorn. Eine zentrale Rolle bei der Digitalisierung spielen die örtlichen Stadtwerke.
Stadtwerke-Chef Manfred Ackermann sieht Emden auf dem richtigen Weg zur Smart City.

Stadtwerke-Chef Manfred Ackermann sieht Emden auf dem richtigen Weg zur Smart City.

(Bildquelle: Stadtwerke Emden)

Über die Hälfte der Kommunen (55 Prozent) haben mit ihrer Digitalisierung noch nicht einmal begonnen. Das ist das nüchterne Ergebnis einer Untersuchung unter 394 Städten in Deutschland, welche die Unternehmensberatung Haselhorst Associates angefertigt hat. Demnach wird das Thema Smart City in vielen Kommunen aktuell weniger als Zukunftstrend denn als Marketing-Maßnahme angesehen. Selbst die Spitzenreiter des Rankings, Hamburg, Köln und München, seien noch keine durchdigitalisierten Städte.
Einen Lichtblick stellen einige mittelgroße Städte dar. Diese verfügten zwar über weniger Steuereinnahmen und damit weniger Geld für Investitionen, sie zeichneten sich „jedoch durch das pragmatischere Vorgehen aus“, heißt es in einer Analyse eines Wirtschaftsmagazins. Prominente Beispiele sind Darmstadt und Wuppertal. Bei den kleineren Städten fällt der Volkswagenstandort Emden auf Platz 19 auf: Die 50.000-Einwohner-Stadt in Ostfriesland überzeugt mit ihrer ganzheitlichen Road Map und punktet vor allem in den Kategorien „Digitalisierung“ und „Smart Energy and Environment“. Der Geschäftsführer der Stadtwerke Emden, Manfred Ackermann, sagt: „Das tolle Ergebnis freut uns natürlich. Es zeigt, dass die Stadtwerke als Treiber der Digitalisierung in unserer Region auf dem richtigen Weg sind.“

Emden mit Gesamtkonzept

Während andere Städte nur die Verknüpfung einzelner Infrastrukturen planen, ist Emden als einzige Stadt in Deutschland bereits vor zwei Jahren mit einem Gesamtkonzept angetreten, mit dem Ziel, in den kommenden Jahren alle wichtigen Lebensbereiche zu digitalisieren. Davon profitieren sollen die Bevölkerung wie die Wirtschaft gleichermaßen. Seit gut einem Jahr erhält Emden bei seinem ehrgeizigen Vorhaben in den Bereichen Verkehr, Energie und Gebäude Unterstützung vom Technologiekonzern Siemens. Im November 2017 wurde dazu ein Memorandum of Understanding (MoU) unterzeichnet.
Gut ein Jahr später heißt es in Emden: „Wir sind voll im Plan, alle Ziele wurden bisher erreicht. Unser Fokus liegt insbesondere auf den gemeinsamen Themen mit Siemens und natürlich auf dem Glasfaserausbau. Das wird auch das Jahr 2019 dominieren. Gleichzeitig entwickeln wir unsere Emden-App weiter, wir werden auf eine Web-App umstellen, über ein Bonussystem den Einzelhandel stärker einbinden und auch Bezahlfunktionen ermöglichen. Es ist wichtig, den Menschen vor Ort direkt Digitalisierung spielerisch erlebbar zu machen“, so Ackermann. „Es hat sich bewährt, dass wir für die Umsetzung unserer Road Map von Anfang an die lokale Wirtschaft, die Hochschule Emden/Leer und viele Dienstleister eingebunden haben. Das Interesse ist sehr groß. Wir schaffen mit der Smart City natürlich auch die Rahmenbedingungen, die Volkswagen für eine erfolgreiche Umstellung auf E-Fahrzeuge benötigt.“

Prädestiniert für E-Mobilität

Die Entscheidung von VW, in der Nordsee-Stadt künftig nur noch Elektrofahrzeuge zu bauen, ist für Emden sehr erfreulich, meint Ackermann. „Damit besteht die Möglichkeit, im Bereich Automotive ein komplett neues Wirtschaftsmodell in der Stadt aufzubauen. Die Überlegungen zu einer intelligenten Energiestadt, in der regenerative Energieerzeugung und Verbrauch intelligent ausgeglichen werden, bekommen damit einen enormen Impuls. Wir müssen jetzt in der Region mit Hochdruck sicherstellen, dass wir in den nächsten Jahren das Werk mit Grünstrom versorgen. Nur so lassen sich CO2-neutral E-Fahrzeuge herstellen. Angesichts einer installierten Onshore-Windleistung von über 120 Megawatt im Emder Stadtgebiet sollte das aber gelingen. Nicht zu vergessen der Offshore-Windstrom, der auch in Emden anlandet. Emden ist für E-Mobilität damit prädestiniert.“
Was die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft betrifft, ziehen alle an einem Strang. „Gerade das Thema Start-ups bekommt damit einen neuen Impuls. Wir brauchen neue innovative Geschäftsmodelle, um VW und Zulieferer zu unterstützen, aber auch, um einen absehbaren Arbeitsplatzabbau mit neuen, wachsenden Unternehmen aus anderen Branchen zu kompensieren. Wir müssen uns mit Geschwindigkeit neue Zukunftsbranchen in Emden aufbauen. Vielversprechend sind auch erste Kooperationsthemen mit der Start-up-Szene aus den Niederlanden, hier ist sicherlich einiges zu erwarten. Auf jeden Fall werden wir den großen Erfolg des Start-up Weekends Ostfriesland im Mai 2019 wiederholen“, so der Stadtwerke-Chef.

Vorbildkommune Emden

Hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Siemens sind die Emder froh, einen erfahrenen Partner an der Seite zu haben. Auch bei Siemens ist man über die bisherige Zusammenarbeit erfreut: „Wir können in Emden eine neue Technik einführen. Die Stadt hat schon heute Vorbildcharakter für die Möglichkeiten der Digitalisierung in Deutschland“, betont Bernd Koch, Leiter Dezentrale Energiesysteme bei Siemens. Nur in Wien gibt es europaweit ähnliche Kooperationen im Bereich Smart City.
Fortschritte verzeichnet Emden zum Beispiel bei der Verkehrssteuerung, bei den dezentralen Energiesystemen, in der Gebäudetechnik sowie der Entwicklung einer Plattform für das Internet der Dinge (IoT-Platform). Andreas Trautmann, Experte für städtische Infrastrukturlösungen bei Siemens, weist darauf hin, dass zum Beispiel im Bereich Gebäudetechnik größere Transparenz über den Energieverbrauch erreicht werden soll. „Betreiber sollen auf einen Blick Fehlfunktionen erkennen und erfahren, wie Energieeinsparungen möglich sind“, so Trautmann. Aktuell wird daran gearbeitet, das Kulturviertel an das Energiedaten-Management-System Navigator anzubinden. Eine erste Kopplung ist bereits in der Umsetzung, acht weitere sollen folgen. Darüber hinaus werden verschiedene Projekte für einen besseren Brandschutz und schrittweise intelligente Gebäude realisiert werden.

Parken mit der Keptn App

Ein weiteres Stichwort ist die Verkehrssteuerung: Zurzeit wird die Parkplatzsituation in Emden analysiert und erfasst. Nutzer der städtischen Keptn App werden künftig auf ihrem Handy sehen, wo ein Parkplatz frei ist. Schrittweise soll die Anbindung an das Parkleitsystem und die Parkscheinautomaten erfolgen. Ziel ist es, die Infrastruktur mit zusätzlicher Sensorik und intelligenten Steuerungseinheiten auszustatten, sodass der Verkehr in Emden bedarfsgerecht geregelt werden kann.
Beim zentralen Projekt des Entwicklungskonzepts „Intelligente Energiestadt“ wurden als erste Schritte eine Visualisierung des Energiesystems Emden und Berechnungen für den Fall einer hundertprozentigen erneuerbaren Versorgung inklusive notwendiger Speicher vorgenommen. Darüber hinaus wird an der Entwicklung der IoT-Platform gearbeitet. Hier werden alle relevanten Daten gesammelt und zusammengeführt, was letztendlich für einen erheblichen Mehrwert für die Stadt, die Unternehmen und die Bevölkerung sorgen soll. Auch hierbei setzt die Stadt Emden darauf, möglichst viele Beteiligte an einen Tisch zu bekommen. In Workshops mit der eigens gegründeten Emden Digital, Wohnungsbauunternehmen, dem Entsorgungsbetrieb und der Wirtschaftsförderung sowie interessierten Bürgern werden Ideen und Lösungsvorschläge gesammelt. Beispiele sind Services der Müllabfuhr und die Mitteilung über Leerstände. Erstes konkretes Projekt ist die begonnene Umsetzung zur Transparenz im Stromnetz an einem Emder Schalthaus inklusive einer App für Servicetechniker.

Ganzheitliches Denken

Auch für die Zukunft setzen die Stadtwerke in der ostfriesischen Kommune auf ganzheitliches Denken. In den kommenden Wochen soll eine Power-to-Gas-Anlage live gehen. Dazu Stadtwerke-Chef Ackermann: „Neben der Bedeutung als chemischer Speicher hat die Anlage eine neue Bedeutung gewonnen: Wasserstoff muss in Emden ein weiteres Schwerpunktthema sein. Wir dürfen nicht nur auf Batteriezellen setzen, auch die Brennstoffzelle ist eine Form des E-Antriebs. Und da wird das Ganze spannend: Power to Gas als zentrales Element der Energiewende auf der einen Seite und andererseits als Rohstoff für Elektromobilität. Hier gilt es, ganzheitlich zu denken.“

Christina Hövener-Hetz ist freie Autorin in Berlin.




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