WindenergiePerspektiven für den Weiterbetrieb
Noch vor Steinkohle, Erdgas und Solar ist die Windenergie mit 18,8 Prozent der deutschen Bruttostromerzeugung zur zweitwichtigsten Energiequelle aufgestiegen. Im Koalitionsvertrag haben CDU/CSU und SPD vereinbart, dass die erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 gut 65 Prozent des Strombedarfs decken sollen. Auch Sonderausschreibungen sind angekündigt und der Ausstieg aus der Kohleverstromung wird sichtbar. Das stärkt die Rolle der Windenergie als Leittechnologie des Energiesystems der Zukunft.
Ausbaukorridor zu schmal
In der gleichen Zeit scheiden erstmals Anlagen aus der Systematik des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) aus. Ob diese auch ohne Förderung wirtschaftlich weiterbetrieben werden können und zuverlässig CO2-freie Energie liefern, hängt von einer Reihe politisch bestimmter Faktoren ab. Um eine fundierte Grundlage für damit im Zusammenhang stehende Debatten zu liefern, hat der Bundesverband WindEnergie (BWE) die Studie „Perspektiven für den Weiterbetrieb von Windenergieanlagen nach 2020“ von der Deutschen WindGuard erarbeiten lassen. Parallel wurden in mehreren Leitfäden bereits bestehende Vermarktungsoptionen innerhalb und außerhalb des EEG sowie Möglichkeiten für die planerische Sicherung gut akzeptierter Bestandsflächen aufgezeigt.
Auf dem Weg hin zu einer klimaschonenden Energieversorgung legt das EEG Ausbaukorridore für die verschiedenen erneuerbaren Energieträger fest. Diese sollen die Einhaltung der deutschen Klimaschutzziele absichern, die sich in europäische und internationale Klimaschutzvereinbarungen einbetten. Die Ausbaukorridore sehen für die Windenergie an Land einen jährlichen Bruttozubau zwischen 2.800 und 2.900 Megawatt (MW) vor. Mit Blick auf die Dekarbonisierung der Sektoren Strom, Verkehr, Wärme und Gewerbe hält der BWE diese Bruttomengen für deutlich zu gering.
Wichtiger – und in der politischen Debatte oft vernachlässigt – ist jedoch die Entwicklung der installierten Leistung insgesamt. Ende 2020 endet für die ersten Anlagen der für 20 Jahre garantierte EEG-Vergütungsanspruch. Betroffen sind 3.800 bis 4.000 MW installierte Leistung. Bis 2025 werden sogar bis zu 16.000 MW installierte Leistung aus der EEG-Förderung fallen. Das entspricht knapp 8.000 der über 26.000 Windenergieanlagen in Deutschland oder rund 30 Prozent des deutschen Anlagenparks.
Negative Entwicklung droht
Die im EEG 2017 definierten Brutto-Ausbaukorridore nehmen darauf keine Rücksicht. Kommt es zu einem deutlichen Anlagenrückbau, droht nach 2020 ein Einbruch der Stromerzeugung aus Windenergie. Zusätzlich negativ auf den Zubau wirkt sich die Fehlsteuerung aus dem Ausschreibungsverfahren im Jahr 2017 aus, in dem sich politisch definierte Bürgerenergieprojekte mit hohem Umsetzungsrisiko rund 95 Prozent des Zuschlagsvolumens sicherten. Unter der Annahme eines Zubaus in Größenordnung der Ausschreibungsmenge (2.800 bis 2.900 MW pro Jahr) und eines eventuellen vollständigen Rückbaus der betroffenen Bestandsanlagen droht gegebenenfalls sogar eine negative Kapazitätsentwicklung. Deshalb muss der Rückbau von Anlagen im Ausschreibungssystem berücksichtigt werden.
Um das Ziel der Bundesregierung von 65 Prozent erneuerbaren Energien bis zum Jahr 2030 erreichbar zu machen und bis 2050 die Dekarbonisierung der Energiewirtschaft zu erreichen, sieht der BWE – gestützt auf eine gemeinsame Studie mit der Initiative Erdgasspeicher – einen jährlichen Zubau von 5.000 Megawatt netto als erforderlich an.
Weiterbetrieb kaum planbar
Technisch ist der Weiterbetrieb von Windenergieanlagen meist möglich. Ob die Anlagen weiterbetrieben werden, ist letztlich allein eine wirtschaftliche Frage. Die Analyse der Deutschen WindGuard rechnet je nach Weiterbetriebskonzept mit einem durchschnittlichen Einnahmebedarf von 2,8 bis 3,6 Cent pro Kilowattstunde (ct/kWh). Damit ist der Weiterbetrieb allerdings nur bis zum ersten (größeren) Schadensfall möglich und wird so weder für den Betreiber noch den Vermarkter und den Netzbetreiber planbar.
Deutlich wird, dass die klassische Direktvermarktung über die Börse ein Preisniveau erfordert, das einen Marktwert für Wind von rund vier ct/kWh gewährleistet. Erste Angebote im Markt bewegen sich um drei ct/kWh. Welche Einnahmen ab dem Jahr 2021 tatsächlich erzielbar sind, hängt unter anderem davon ab, wann fossile Überkapazitäten vom Markt genommen werden und ob eine nachhaltige Bepreisung des klimaschädlichen CO2 erfolgt. Beides ist politisch determiniert.
Vermarktungswege erschließen
Das Schlagwort Markt ist daher mit Leben zu füllen: Nach wie vor bestehen zu viele Barrieren, um die preiswerte Windenergie in allen Sektoren und allen Infrastrukturen im Energiebereich nutzbar zu machen. Heute zulässige Vermarktungswege jenseits der Strombörse, wie regionale Vermarktung, Eigenversorgung, Power-to-X-Modelle und das Bereitstellen von Regelleistung, stoßen regelmäßig an regulatorische Hürden. Deshalb engagiert sich der BWE stark dafür, zusätzliche Vermarktungswege – sowohl für Bestandsanlagen als auch für neue Anlagen – zu erschließen. Die Forderung nach einem direkten Zugang mit Business-to-Business-Lösungen in den Markt hat der BWE zwischenzeitlich mit einer rechtswissenschaftlichen Studie, die das Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität (IKEM) erstellt hat, unterlegt und europarechtlich geprüft. Der Verband will damit ein einfach handhabbares Instrument im Rahmen der sonstigen Direktvermarktung schaffen.
Zudem müssen akzeptierte und hinsichtlich der Infrastruktur finanzierte Bestandsflächen für die Windenergie nutzbar bleiben. Die Studie der Deutschen WindGuard zeigt, dass an vielen Standorten aktuell ein Repowering planungsrechtlich unmöglich ist. Dies ist zu überdenken.
Repowering rechtssicher erleichtern
Der BWE hat deshalb in seinem Leitfaden „Regionalplanung und Repowering – Planerische Gestaltungsmöglichkeiten“ die Handlungsspielräume für die zuständigen Planungsbehörden aufgezeigt, die ein Repowering rechtssicher erleichtern können. Dazu gehören beispielsweise verkürzte Abstandskriterien für Bestandsanlagen oder regionalplanerische Ausnahmen für Repowering-Projekte außerhalb neu dargestellter Eignungsgebiete. Hier stehen die Landesregierungen in einer starken Mitverantwortung, um die Energiewende engagiert fortzuführen.
Dieser Beitrag ist in der September/Oktober-Ausgabe von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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