InterviewRegenerative Wärme im Verbund
Frau Ministerin Höfken, Rheinland-Pfalz hat sich vorgenommen, die Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien umzustellen. Warum ist bei der Energiewende ein stärkerer Fokus auf den Wärmemarkt notwendig?
Bis zum Jahr 2050 wollen wir in Rheinland-Pfalz klimaneutral sein. Zur Erreichung dieses Ziels müssen wir unsere Anstrengungen im Wärmesektor verstärken und brauchen die Wärmewende. Denn der Wärmesektor hat in Deutschland einen Anteil an den energiebedingten CO2-Emissionen von rund 40 Prozent und verbraucht 56 Prozent der gesamten Endenergie. Dabei wird der weitaus größte Teil der Wärme noch immer aus fossilen Energieträgern gewonnen: Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Wärmeerzeugung lag im Jahr 2017 deutschlandweit bei rund 13 Prozent, in Rheinland-Pfalz bei elf Prozent. Es ist also überfällig, dass wir nach der erfolgreichen Energiewende im Stromsektor – fast jede zweite erzeugte Kilowattstunde Strom in Rheinland-Pfalz kommt aus Wind, Sonne, Wasser oder Biomasse – verstärkt die Wärmewende in den Blick nehmen.
Ihr Ministerium hat dazu Anfang des vergangenen Jahres ein Wärmekonzept für Rheinland-Pfalz vorgelegt. Was sind die wesentlichen Inhalte?
Wir haben acht Themengebiete identifiziert, die für die Umsetzung der Wärmewende in Rheinland-Pfalz zentral sind. Sie reichen von der Quartierssanierung über Nahwärmenetze bis hin zur Bioenergie und der Kopplung der Sektoren Wärme und Strom. Insgesamt werden in dem Konzept 49 Maßnahmen beschlossen, die zur Senkung des Wärmebedarfs und zur Umstellung der Wärmeversorgung auf erneuerbare Energien beitragen. Mit den Maßnahmen sprechen wir Kommunen, Unternehmen und Privatleute an. Das Konzept ist dynamisch angelegt, sodass künftige Erfahrungen, Prozesse und Entwicklungen Berücksichtigung finden. Die Umsetzung der Maßnahmen wird durch unsere Landesenergieagentur tatkräftig vorangebracht.
Erdgas hat in Rheinland-Pfalz einen überdurchschnittlichen Anteil an der Energieversorgung. Kann dieser fossile Energieträger bei der Wärmeerzeugung überhaupt ersetzt werden?
Erdgas wird noch eine Zeit lang als fossiler Energieträger eine Rolle bei der Wärmeerzeugung spielen. Das bestehende Erdgasnetz lässt sich künftig aber auch für eine regenerative Wärmeversorgung nutzen, wenn Erdgas immer mehr durch Gas aus erneuerbaren Quellen ersetzt wird. Insbesondere die Power-to-Gas-Technologie hat hier großes Potenzial, weil der überschüssige Strom aus Wind, Sonne oder Biomasse sinnvoll genutzt und gespeichert werden kann.
Welche Energieformen und Technologien sollen künftig für die regenerative Wärmeversorgung sorgen?
Wir setzen an zwei Stellen an, damit die Wärmewende gelingt: Einerseits müssen wir unsere Wärmeversorgung auf regenerative Energien umstellen, andererseits müssen wir unbedingt unsere Anstrengungen bei der Senkung des Wärmebedarfs verstärken. Der verbleibende Wärmebedarf wird dann sowohl aus thermischer als auch aus elektrischer Energie gedeckt werden. Durch die Kopplung der Sektoren Strom und Wärme wird eine teilweise Elektrifizierung des Wärmebereichs erfolgen. Die Bandbreite der Technologien reicht dabei vom Einsatz von Pelletheizungen und Wärmepumpen über Wärmenetze und Power-to-Heat-Anwendungen bis hin zu Power-to-Gas-Technologien und biogenen flüssigen Energieträgern.
„Bis 2050 wollen wir in Rheinland-Pfalz klimaneutral sein.”
Welche Förderprogramme hat Rheinland-Pfalz aufgelegt, um die Wärmewende voranzubringen?
Für die Maßnahmen des Wärmekonzepts sind in diesem Jahr knapp vier Millionen Euro an Landesmitteln vorgesehen – ergänzt um EU- und Bundesmittel. Durch das Förderprogramm Zukunftsfähige Energieinfrastruktursysteme – ZEIS unterstützen wir Kommunen beim Ausbau von Wärmenetzen auf Basis von erneuerbaren Energien. Bisher wurden zehn Wärmeverbünde mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von nahezu 13 Millionen Euro gefördert. Mit dem Programm Wärmewende im Quartier fördern wir die Erstellung von Quartierskonzepten sowie die sich daran anschließende Einstellung eines Sanierungsmanagers. Ziel des Förderprogramms „1.000 effiziente Öfen für Rheinland-Pfalz“ ist es, Anreize zu schaffen, alte Einzelraumfeuerungsanlagen – rund 40 Prozent sind älter als 20 Jahre – durch moderne und hocheffiziente Anlagen zu ersetzen. Bisher haben wir knapp 650 Anträge positiv beschieden.
Ein Schlüsselthema der Wärmewende ist die energetische Quartiersentwicklung. Wie ist die Resonanz in den Kommunen auf das entsprechende Förderprogramm?
Das Programm wird von den Kommunen sehr gut angenommen: Wir haben seit Oktober 2017 bereits 37 Anträge beschieden – über 50 sind bislang eingegangen. Fast alle Kommunen waren auf dem ersten Netzwerktreffen zum Programm vertreten, das wir kürzlich bei uns im Ministerium veranstaltet haben.
Welche kommunalen und regionalen Wärmekonzepte würden Sie als beispielhaft nennen?
Viele Akteure im Land haben bereits beeindruckende Projekte umgesetzt, ein Beispiel ist Neuerkirch-Külz. Hier haben sich zwei Ortsgemeinden zusammengeschlossen und gemeinsam ein Nahwärmenetz gebaut. Das Projekt zeigt, wie eine Energieversorgung mit 100 Prozent erneuerbarer Energie aus der eigenen Region funktionieren kann. Solche Ansätze bringen Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Lebensqualität in unser ländlich geprägtes Bundesland. Ein weiteres besonderes Projekt ist das Nahwärmenetz in Kappel. Hier haben die Bürger ihre Wärmeversorgung in die Hand genommen. Denn das Nahwärmenetz wird von der Bürgerenergiegenossenschaft Kappel betrieben. Ein anderes Beispiel: In der Verbandsgemeinde Wittlich-Land haben sich sechs Ortsgemeinden zusammengeschlossen und beschäftigen gemeinsam zwei Sanierungsmanager. Sie unterstützen die Akteure vor Ort bei der Umsetzung der Quartierssanierungskonzepte.
Wie lange wird es aus Ihrer Sicht dauern, bis die Wärmewende in Rheinland-Pfalz und auf Bundesebene geschafft ist?
Wie schon angesprochen, ist es unser Ziel, bis 2050 klimaneutral zu sein. Hierzu muss die Wärmewende ihren Beitrag leisten. Daher haben wir uns auf den Weg gemacht und mit dem Wärmekonzept für Rheinland-Pfalz einen starken Fokus auf die Wärmewende gelegt. Auch auf Bundesebene setzen wir uns für eine Stärkung der Wärmewende ein. Wir fordern, dass ein Niedrigstenergiestandard im Gebäudeenergiegesetz festgeschrieben wird. Und wir setzen uns für eine Erhöhung und Verstetigung der Fördermittel sowie für eine steuerliche Förderung energetischer Gebäudesanierung und den Ausbau der Energieberatung ein. Es gibt noch einiges zu tun. Ich bin mir aber sicher, dass uns die Wärmewende gemeinsam mit unseren Kommunen, Unternehmen sowie Bürgerinnen und Bürgern gelingen wird.
Dieser Beitrag ist in der Juli/August-Ausgabe 2018 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren.
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