Freitag, 22. November 2024

Stadtwerke GaggenauEnergiebeschaffung unter der Lupe

[05.08.2016] Die Stadtwerke Gaggenau analysieren und bewerten regelmäßig ihre Energiebeschaffungsstrategie. Mit dem Stuttgarter Partner GasVersorgung Süddeutschland (GVS) haben sie sich methodisch dabei für technische Chart-Analysen entschieden.
Die Mitarbeiter der Stadtwerke Gaggenau ziehen bei der Optimierung ihrer Prozesse an einem Strang.

Die Mitarbeiter der Stadtwerke Gaggenau ziehen bei der Optimierung ihrer Prozesse an einem Strang.

(Bildquelle: Stadtwerke Gaggenau)

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs verpflichtet Energieversorger im Interesse ihrer Tarifkunden, die eigenen Kosten für den Energiebezug niedrig zu halten. Genau das liegt im ureigenen Interesse der Stadtwerke Gaggenau, die an die Menschen und Betriebe der Region Strom, Gas, Wasser und Wärme liefern. Gleichzeitig setzt Gaggenau mit seinen zahlreichen Stadtteilen auf regionale Nähe und Nachhaltigkeit anstatt auf Wachstum um jeden Preis. Nur so können die Stadtwerke den gestellten Aufgaben als zu 100 Prozent kommunales Unternehmen im Interesse der Kunden und Bürger nachkommen. Um dabei wettbewerbsfähig zu bleiben, wird einiges getan: Zum einen überarbeiten die Stadtwerke aktuell ihre Preis- und Tarifstrukturen und sorgen so für mehr Übersichtlichkeit und Transparenz. Zum anderen wird die Organisation, auch mit der Unterstützung externer Experten, auf die Veränderungen im Energiemarkt ausgerichtet und der Energiebezug weiter optimiert. Ein wichtiges Instrument hierfür ist eine detaillierte Analyse der Erdgas-Beschaffung, welche die Stadtwerke Gaggenau kürzlich erneut durchgeführt haben. Ansatz dabei war es, die bisherige Gasbeschaffung rückblickend zu betrachten und diese mithilfe analytischer Methoden und Fachexpertise zu bewerten und zu hinterfragen. Dabei ging es insbesondere darum herauszuarbeiten, wie die Stadtwerke zukünftige Beschaffung ausrichten, um den Kunden weiterhin gute Preise bieten zu können. Als Dienstleister haben sich die Stadtwerke für ihren langjährigen Partner, die GasVersorgung Süddeutschland, entschieden.

Sich ändernde Marktbedingungen

In den vergangenen Jahren haben sich die Bedingungen auf dem deutschen Energiemarkt signifikant verändert: Energiepolitische und regulatorische Vorgaben machen den Absatzmarkt in Deutschland schwierig – auch in Gaggenau. Gleichzeitig nimmt der Wettbewerb weiter zu und die Liquidität und Transparenz an den Handelsmärkten steigt stetig an. Transparente Preise sieht der Versorger als echte Chance für seinen Energieeinkauf und will daher seine Beschaffungsstrategie konsequent an den sich ändernden Marktbedingungen ausrichten. Da der Energiepreis sehr stark von Fundamentaldaten beeinflusst ist, spielt – neben der Art der Beschaffung – besonders der optimale Beschaffungszeitpunkt eine elementare Rolle. Verschiedene Analysemethoden helfen dabei, diese Zeitpunkte zu erkennen. Die Stadtwerke Gaggenau beschaffen ihre Energie mit einem Tranchenmodell – dabei wird frühzeitig mit dem Einkauf der benötigten Mengen begonnen, um Marktchancen vor Beginn des Lieferzeitraums nutzen zu können. Die Tranchen, oder die Preisfixierung der Teilmengen zu unterschiedlichen Zeitpunkten, streut das Preisrisiko. So sind die Stadtwerke Gaggenau weder täglichen Kursschwankungen ausgeliefert, noch müssen sie die gesamte Menge zu einem möglicherweise ungünstigen Zeitpunkt beschaffen. Und genau das ist der Knackpunkt. Denn den Zeitpunkt der Fixierung der einzelnen Tranchen bestimmen die Stadtwerke. Daher ist es wichtig, die täglichen Gasmarktentwicklungen im Blick zu haben und den Einfluss der Fundamentaldaten auf die Preise einschätzen und bewerten zu können. Umfassende Marktinformationen sind hierzu unabdingbar. Ganz konkret: Das Ziel eines jeden Energieeinkäufers ist es, den eigenen Portfoliopreis möglichst niedrig zu halten, die Marktchancen in Form günstiger Preise bestmöglich zu nutzen und ein „Klumpenrisiko“ in der Beschaffung zu vermeiden. Letzteres kann beim Kauf einer größeren Menge oder bei der Fixierung vieler Tranchen binnen kurzer Zeit beziehungsweise am gleichen Tag entstehen. Eine Beschaffung zu teuren Preisen wäre ein mögliches unkalkulierbares Risiko.

Ein bunter Verfahrensmix

Als Betrachtungszeitraum für die gemeinsam mit der GVS durchgeführte Analyse wurden die Kalenderprodukte 2015 und 2016 ausgewählt, die mittels Tranchenfixierungen über einen längeren Zeitraum beschafft wurde. Für diese Zeiträume haben die Experten der GVS die entsprechenden Beschaffungszeitpunkte vor dem Hintergrund der jeweiligen Marktlage ausgewertet. Zur Anwendung kamen dabei diverse Chart-Analysen und die sich daraus ergebenden Kauf- und Verkaufssignale. Dazu zählten beispielsweise der „Moving Average Convergence/Divergence Indikator“ (MACD), der „Relative Strength Index“ (RSI), diverse gleitende Durchschnitte und Bollinger Bänder. Außerdem wurden die Ergebnisse Algorithmus-gestützter Beschaffungslogiken vergleichend herangezogen und um das Verfahren einer subjektiven Chart-Analyse, also menschlicher Kauf- und Verkaufsentscheidungen ergänzt, die in Verbindung mit fundamentalen Marktentwicklungen getroffen werden. Am Ende dieser grundsätzlichen Analyse ging es weniger darum, die jeweiligen Cent- oder Euro-Beträge aufzuzeigen, bei denen eine historische Beschaffung günstiger oder teurer gewesen wäre, sondern vielmehr um den betrachteten Benchmark. Es sollten also auf Basis der ermittelten Ergebnisse die Gründe für die Beschaffungsentscheidung hinterfragt und daraus konkrete Optimierungen für das betrachtete Beschaffungsmodell abgeleitet werden. Im Anschluss sollte das Beschaffungshandbuch verfeinert werden, sodass es den aktuellen Marktentwicklungen entspricht. Die Analyse gab Antworten auf viele Fragestellungen: Wie können mögliche „Klumpenrisiken“, die bei mehreren Beschaffungsaufträgen binnen kürzester Zeit entstehen, minimiert werden? Wie lange vor Lieferbeginn sollen die Stadtwerke ihre Beschaffung am besten starten? Auf welche Markteinflussfaktoren soll besonders geachtet werden? Wie können die Stadtwerke auf einfache Art und Weise bestmöglich informiert sein und gleichzeitig ihre Beschaffungszeitpunkte gezielt steuern? Das wöchentliche GVS-Chart-Telegramm und der regelmäßige Austausch beim GVS Gas-Call liefert hierfür auch nach der Beschaffungsanalyse wichtige Informationen.
Unabhängig von den individuellen historischen Beschaffungszeitpunkten umfasste die GVS-Beschaffungsanalyse zudem eine Untersuchung grundlegender Beschaffungsüberlegungen. So sind etwa Analysen verschiedener mengengewichteter Beschaffungen über unterschiedlich lange Beschaffungszeiträume enthalten. Wird zum Beispiel ein Kalenderprodukt über den vollen Handelszeitraum eingekauft oder nur im Jahr vor Lieferbeginn? Wie wirken sich unterschiedliche Mengengewichtungen über den Beschaffungszeitraum aus? Auch Antworten auf mögliche Saisonalitäten in den ausgewählten Gaskontrakten werden gegeben. Die individuelle Analyse der Beschaffungszeitpunkte lieferte damit wichtige Anregungen für die Ausrichtung der zukünftigen Beschaffungsstrategie.

Optimierungspotenziale finden

Der größte Nutzen für die Stadtwerke Gaggenau ergab sich aus der Identifikation konkreter Optimierungspotenziale. Der Versorger erhielt nicht nur einen umfassenden schriftlichen Bericht, sondern diskutierte mit den Fachleuten der GVS die Ergebnisse und wie diese in das operative Tagesgeschäft eingeordnet und dort umgesetzt werden können. Ein weiterer Vorteil der Beschaffungsanalyse: Sie hebt die Beschaffung auf eine fundierte, analytische Ebene, die damit plausibel und nachvollziehbar wird und auch in der Kommunikation mit Kunden verwendet werden kann. Die Stadtwerke Gaggenau haben eine fundierte Experten-Einschätzung bekommen und erfahren, wo sie mit ihrer eigenen Markteinschätzung und Beschaffung richtig liegen und was sie zukünftig verbessern können.

Paul Schreiner

Schreiner, PaulPaul Schreiner ist seit dem Jahr 1995 Werkleiter der Stadtwerke Gaggenau. Nach seinem Studium der Physik übernahm er die Leitung der Entwicklungsabteilung bei einem Hersteller für Heizungs- und Klimageräte. Anschließend wechselte er zu einem international tätigen Anbieter für Kraftwerke.



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