Mittwoch, 12. November 2025

Bündnis 90 / Die GrünenÖkologische Bremser bei der Partei?

[10.11.2015] Eine Gruppe führender Parteimitglieder von Bündnis 90/Die Grünen haben einen Änderungsantrag für den nächsten Bundesparteitag vorbereitet. Darin wollen Sie das 100 Prozent Erneuerbare-Energien-Ziel von 2030 auf 2050 verschieben.

Hans-Josef Fell, Präsident der Energy Watch Group und Autor des EEG 2000, teilt auf seiner Homepage mit, dass sich auf der kommenden Bundesdelegierten-Konferenz von Bündnis 90/Die Grünen ein Machtkampf zwischen den ökologischen Bremsern und den Befürwortern einer schnellen Transformation des Energiesystems auf 100% Erneuerbare Energien anbahne. Auf dem Parteitag der Grünen im Jahr 2007 konnte sich laut Fell die kommunale Basis gegen die Berliner Grünen-Spitze durchsetzen und einen Antrag durchbringen, worin sich die Grünen klar zu einem schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien bekennen. Seitdem streben die Grünen bis zum Jahr 2030 im Stromsektor und bis 2040 in allen anderen Energiesektoren eine hundertprozentige Vollversorgung mit erneuerbaren Energien an. Fell weist darauf hin, dass der Anteil des Ökostroms in Deutschland dank des EEG von 12 Prozent im Jahr 2006 auf 32 Prozent Mitte 2015 gesteigert werden konnte. Schriebe man diese exponentielle Wachstumskurve fort, ergäbe sich tatsächlich circa 100 Prozent Ökostrom bis 2030.

Grüne Politiker haben Kurs von Merkel mitgetragen

Doch in den letzten Jahren habe es auch in der Grünen Partei nicht nur Freunde des schnellen Ausbaus der erneuerbaren Energien gegeben. Insbesondere die bürgerliche Energiewende sei von den Bundesregierungen Merkel/Rösler und Merkel/Gabriel massiv unter Druck gesetzt worden, grüne Entscheidungsträger hätten eine Verschlechterung der Förderbedingungen gegen den Protest eigener Parteimitglieder zum Teil mitgetragen. So sei etwa die Erhebung der EEG-Umlage auf die Ökostromerzeugung ein Vorschlag des Wissenschaftsinstituts Agora Energiewende gewesen. Agora habe unter dem damaligen Chef und grünem Parteimitglied Rainer Baake, ehemals Staatssekretär bei Jürgen Trittin, von Anfang an das Ausbremsen der starken Ausbaudynamik erneuerbarer Energien zum Ziel gehabt. Als Prämisse für die Energiewendearbeit habe Agora angegeben: „Wir arbeiten auf der Basis der gesetzlich formulierten Energiewende-Ziele: Ausstieg aus der Kernenergie bis zum Jahr 2022 und Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien an der Stromversorgung auf mindestens 80 Prozent bis spätestens zum Jahr 2050.“ Damit sei von Anfang an klar gewesen, dass Agora offensichtlich die Ziele der Bundesregierung zum Ausbremsen der Erneuerbaren wissenschaftlich begleitet, folgert Fell. Und ergänzt, dass die Auswirkungen schon jetzt gravierend sind: Die Dynamik der Neugründungen von Bürgerenergiegenossenschaften sei längst eingebrochen, der Ausbau der Solarenergie dümpele auf niedrigem Niveau dahin, der Zubau von Bioenergie, Wasserkraft und Erdwärme sei fast völlig zum Erliegen gekommen. Mit den angekündigten Ausschreibungen bei Windkraft drohe nun das Gleiche der Windbranche. Fell macht deutlich, dass die Bundesregierung ausgerechnet mit einem grünen Staatssekretär die weiteren Verschlechterungen der politischen Rahmenbedingungen für Erneuerbare erbarmungslos durchsetze.

Antragssteller halten es mit Bundeskanzlerin Angela Merkel

Dennoch strebe der Bundesvorstand der Grünen auch auf dem kommenden Parteitag das Ziel der hundertprozentigen Vollversorgung mit Ökostrom bis 2030 an. Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), stellvertretender Ministerpräsident und Minister für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und Ländliche Räume in Schleswig-Holstein, habe jedoch zusammen mit einer Gruppe führender Parteimitglieder nun einen Änderungsantrag eingereicht. Demzufolge solle das Ziel 100 Prozent Erneuerbare Energien auf 2050 verschoben werden. So heißt es in dem Antrag GW-KS-02-210: „Nur so schaffen wir es, bis Mitte dieses Jahrhunderts Deutschland weitgehend CO2-neutral zu entwickeln und binnen zwei Jahrzehnten aus der Kohle auszusteigen.“ Laut Fell will diese Gruppe Kohle- und Erdgaskraftwerke länger als nötig am Netz halten und die Umstellung auf Bürgerenergie verlangsamen. Begründet werde dies vor allem mit der Behauptung, die Umstellung scheine nicht mehr bis 2030 zu schaffen. Fell wirft den Antragstellern vor, es mit der Kanzlerin Angela Merkel zu halten, die auf dem Jahrestag 2015 des Bundesverbands Erneuerbarer Energien (BEE) sinngemäß gesagt haben soll, sie habe sich auch gewundert, wie schnell der Ausbau der Erneuerbaren Energien möglich war – aber in Zukunft könne das nicht mehr so gehen. Sollte dieser Änderungsantrag eine Mehrheit bekommen, dann verabschiedet sich Bündnis 90/Die Grünen vom Selbstverständnis einer offensiven fortschrittlichen ökologischen Partei, sagt Fell. Man würde zurückfallen in das ökologische Mittelmaß und an Glaubwürdigkeit verlieren. Die Parteiführung brauche nun alle Unterstützung von der Basis, um den Frontalangriff dieses Antrags auf die Ökopartei abzuwehren. Die hunderttausende Akteure der Bürgerenergiewende würden nie verstehen, warum ausgerechnet Bündnis 90/Die Grünen eine Verlangsamung des Umbaus der Energieversorgung befürwortet.





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