ElektroautosLaternen zu Ladesäulen
Kaum einem Praxisbericht über eine Fahrt im Elektroauto fehlt der Hinweis auf die schwierige Suche nach einer Ladesäule zum Nachtanken von Strom. Die meisten Fahrer oder Besitzer von E-Cars kennen die Situation: Nach einer entspannten Fahrt steigt der Stresspegel sofort an, wenn drei Viertel der elektrischen Ladung verbraucht sind und noch keine Ladestation in Sicht ist. Häufig stellt sich dann heraus, dass viele Ladesäulen entweder von Benzinern zugeparkt oder gerade in Betrieb sind, das Ladekabel inkompatibel ist oder die nötige Ladekarte des Fremdanbieters fehlt. Zieht jetzt noch ein Sommergewitter auf und verlangt Licht, Scheibenwischer und Klimatisierung, gelangt die Elektromobilität schnell an ihre Grenzen und der Fahrer ernsthaft ins Schwitzen.
Leiden der Nutzer
Die Internet-Foren sind voller Erfahrungsberichte: Car-Sharing-Nutzer beschweren sich darüber, dass andere Autos den kostbaren städtischen Parkplatz blockieren, obwohl dieser doch ausdrücklich für die E-Flotte der Leihfirmen reserviert ist. Car-Sharing-Firmen regen sich darüber auf, dass aus diesem Grund ihre Wagen auf normalen Stellflächen landen und dort nicht aufgeladen werden können, was aufwendiges Umparken und sogar Notladen zur Folge hat. Die Kommunen, die im Rahmen ihrer Klimaschutzstrategien grundsätzlich möglichst viele Elektroautos begrüßen und ihnen eigene Parkflächen zugestehen, kommen den Beschwerden nicht mehr hinterher. Es fehle „normalen“ Autofahrern an Bewusstsein über ihr Fehlverhalten und die Kette von Problemen, die es mit sich bringt. Vor konsequentem Abschleppen drückt man sich freilich.
Laut Nationaler Plattform Elektromobilität (NPE) gibt es in Deutschland über 5.500 öffentliche Ladepunkte für normales Laden und rund 100 Schnellladestationen (Stand Dezember 2014). Im vergangenen Jahr hat das Bundeswirtschaftsministerium das Projekt SLAM (Schnellladenetz für Achsen und Metropolen) verabschiedet und will bis zum Jahr 2017 weitere 600 Ladepunkte einrichten. Noch basieren die Ladesäulen jedoch auf verschiedenen Standards. In Europa wird das Combined Charging System (CCS) als universeller Standard für normales und schnelles Laden favorisiert. Doch auch das japanische Chademo-System ist hierzulande im Einsatz. Der amerikanische Elektroauto-Pionier Tesla wiederum versucht, ein proprietäres Schnelllade-System aufzubauen und betreibt deutschlandweit zurzeit 35 Supercharger-Stationen, die Tesla-Fahrer umsonst nutzen können.
Kooperationen und gute Ideen
Allgemein wird beklagt, dass im Markt zu viel Unklarheit für Konsumenten herrscht. Das liegt vor allem an fehlenden Standards. Es gibt zu viele unterschiedliche Ladesysteme, Steckertypen und Abrechnungsverfahren. Am 9. Januar 2015 hat das Bundeswirtschaftsministerium einen Entwurf für eine Ladesäulenverordnung vorgelegt. Der europäische CCS-Standard soll verpflichtend für alle neu zu errichtenden Ladepunkte festgelegt werden und sowohl das Aufladen des E-Autos mit Gleichstrom als auch mit Wechselstrom ermöglichen. Das bedeutet für einen Anbieter wie Tesla, dass er künftig in allen neu installierten Superchargern zusätzlich auch CCS-Ladepunkte anbieten muss. Diese überfällige Initiative des Ministeriums stieß prompt auf Kritik des Bundesverbands E-Mobilität, dessen Präsident, Kurt Sigl, in einem ZEIT-Interview eine Gleichbehandlung des japanischen Chademo-Systems forderte. Wie man mit dieser Interessenpolitik der E-Mobilität insgesamt auf die Sprünge helfen will, erscheint fraglich.
Initiativen wie ladenetz.de, ein Unternehmen der Stadtwerke Aachen, sind längst weiter und betreiben ein standardisiertes Lade- und Abrechnungsverfahren. Das Ziel ist eine deutschlandweit flächendeckende Infrastruktur, die das Laden von Elektrofahrzeugen einfach und überregional ermöglicht. Bereits 49 Stadtwerke haben sich angeschlossen. Durch Roaming-Kooperationen mit großen Energieunternehmen wie Vattenfall und EnBW in Deutschland sowie über das europäische E-Clearing.net haben ladenetz.de-Kunden inzwischen Zugang zu fast 4.000 Ladestationen mit rund 7.000 Ladepunkten. Noch fehlt RWE als Kooperationspartner, der kürzlich den europaweit 4.000. Ladepunkt in Betrieb genommen hat – mit eigener Ladeinfrastruktur und passendem Abrechnungssystem.
Strom aus Straßenlaternen
Für Furore hat unlängst das Unternehmen Ubitricity gesorgt. Das Berliner Start-up will in der Hauptstadt das dichteste Netz an Ladesäulen für Elektroautos in Europa aufbauen. Und zwar mit Strom aus Straßenlaternen. Die Idee mutet genial an: An Haupt- und Nebenstraßen finden sich in gleichmäßigen Abständen städtische Laternen, meist sogar mit Parkbucht. Da sie in Berlin direkt an das Stromverteilnetz angeschlossen sind, bieten sie sich als Stromlieferant für Elektroautos gut an. Ubitricity versieht die Laternenmasten mit einer Steckdose und hat ein Kabel als mobilen Stromzähler entwickelt, das per Mobilfunk den Stromverbrauch und die ID des Nutzers an das Abrechnungswesen funkt.
Statt mehrerer 1.000 Euro für eine Ladesäule soll die Umrüstung von Straßenlaternen gerade einmal 400 Euro kosten. Die Ladeinfrastruktur wird dadurch für Kommunen besonders effizient und kostengünstig; bis zu 90 Prozent Kosten sollen sich einsparen lassen. Der Nachteil: Das Laden mit einphasigem Wechselstrom bei 16 Ampere geht vergleichsweise langsam vonstatten.
Zeit der Wende
Noch steckt die Elektromobilität in den Anfängen. Wie bei jeder Innovation, die einen Paradigmenwechsel bedeutet, verhalten sich die Akteure übervorsichtig. Energieunternehmen blockieren sich gegenseitig im Kampf um Standards und Vertragskunden, die Automobilbranche lässt nur zaghaft serienreife Elektroflitzer vom Band, die Politik tut sich schwer mit Steuererleichterungen und Subventionen, und der Verbraucher wartet erstmal ab. Ihn schrecken die hohen Kosten und geringen Reichweiten der E-Autos, die komplizierten Abrechnungssysteme und die unterschiedlich hohen Preise an der Stromtankstelle ab. Bis zu fünf Euro pro Stunde können für Fremdnutzer mit der falschen Ladekarte fällig werden. Bis sich ein E-Roaming zu vernünftigen Preisen wie im Mobilfunk etabliert hat, dauert es wohl noch eine Weile.
Politik ist gefragt
Schon hat sich die Bundesregierung von ihrem im Koalitionsvertrag vereinbarten Ziel von einer Million Elektroautos bis 2020 verabschiedet. Es erscheint auch aussichtslos: Aktuell sind in Deutschland gerade einmal 24.000 E-Cars zugelassen. Noch immer ist die erste Zugangsvoraussetzung für Elektromobilität die eigene Steckdose in der Garage. Bewohner von Großstädten, wo möglichst viele Elektroautos aus Emissionsgründen besonders notwendig wären, haben das Nachsehen. Es muss nur ein Wagen näher an der Straßenlaterne parken, und schon ist das Ladekabel zu kurz. Kurzum: Politische Regulierung ist gefragt, um den Markt anzukurbeln.
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