Samstag, 23. November 2024

InterviewPumpspeicher sind ein absolutes Muss

[04.02.2015] Unter den erneuerbaren Stromerzeugungsformen ermöglicht Wasserkraft die größte regionale Wertschöpfung, sagt Dominik Mayr von Verbund Hydro Power. stadt+werk sprach mit dem Leiter des Projekts Energiespeicher Riedl über das Potenzial der Energieressource Wasser.
Dr. Dominik Mayr: „Wasserkraft genießt generell eine sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.“

Dr. Dominik Mayr: „Wasserkraft genießt generell eine sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung.“

(Bildquelle: Hydro Power)

Herr Dr. Mayr, Verbund ist nicht nur Österreichs führendes Stromunternehmen, sondern auch einer der größten Energieerzeuger aus Wasserkraft in Deutschland. Wie trägt das Unternehmen zur Energiewende hierzulande bei?

Verbund erzeugt in Bayern etwa 3,8 Milliarden Kilowattstunden an Wasserkraftstrom. Damit beträgt unser Anteil am Gesamtvolumen in Bayern etwa 30 Prozent. Mit dieser Erzeugung decken wir einen Teil der erforderlichen Grundlast mittels CO2-freier heimischer Energie ab und bilden so einen Basisgaranten für eine erneuerbare Energiezukunft. Und wir versuchen, durch innovative und ökologische Lösungsansätze sowie umfangreiche Gespräche mit allen Betroffenen auch einen sanften Ausbau der Wasserkraft in Bayern umzusetzen. Falls wir damit erfolgreich sind, können wir ab dem Jahr 2021 in einem positiven Marktumfeld etwa 355 Millionen Kilowattstunden mehr an Wasserkraftstrom ins bayerische Netz einspeisen und mit unserem Energiespeicher Riedl auch 300 Megawatt an gesicherter Kapazität beisteuern.

Der Pumpspeicher Riedl soll beim Donaukraftwerk Jochenstein gebaut werden. Wie ist der Stand des Projekts?

Das Projekt befindet sich zurzeit in der Entwicklung. Vor dem eigentlichen Genehmigungsverfahren steht das so genannte Raumordnungsverfahren. Dieses haben wir Mitte 2012 positiv abgeschlossen. Zum daran anschließenden Planfeststellungsverfahren, bei dem die Bevölkerung mit eingebunden wird, haben wir den ersten Schritt gesetzt und die umfangreichen Genehmigungsunterlagen eingereicht. In diesem Verfahren werden auch alle Aspekte des Umwelt- und Gesundheitsschutzes behandelt. Derzeit laufen die Nachbesserungsarbeiten zu den Unterlagen. Wir gehen davon aus, dass die öffentliche Erörterung in der zweiten Hälfte 2015 stattfinden wird. Je nachdem, wie das zweistaatliche Verfahren läuft, wäre ein positiver rechtskräftiger Bescheid frühestens Anfang 2017 zu erwarten.

Was zeichnet das Projekt Riedl besonders aus?

Der Standort wurde auf Grundlage einer umfangreichen Studie über mögliche Alternativen ausgewählt. Einer der Vorzüge des Projekts ist die hervorragende Eignung des Gesteins im Bereich des bestehenden Kraftwerks Jochenstein an der Donau. Das Gneisgebirge eignet sich besonders für die großteils unterirdische Anordnung der Anlage. Zudem kann auf der Hochfläche in einer natürlichen Geländemulde der Speichersee im so genannten Massenausgleich errichtet werden. Das heißt, dass Lkw-Fahrten auf ein Minimum reduziert werden. Da der Speichersee mit dem anstehenden Erdmaterial geschüttet wird, können die Böschungen flach ausgeführt und an das natürliche Gelände angepasst werden. Das Projekt Energiespeicher Riedl benötigt zudem nicht wie üblich ein zweites unteres Becken, weil das Wasser der Donau beim Kraftwerk Jochenstein entnommen und auch wieder in dieses zurückgeführt wird. Ein entscheidender Vorteil ist auch die vorhandene Transportleitung für die erzeugte Energie. Diese muss nur geringfügig verstärkt werden, eine komplett neue Trasse ist nicht erforderlich.

Pumpspeicherkraftwerke sind aufgrund des Eingriffs in die Landschaft oft umstritten. Wie steht es um die Akzeptanz in der Bevölkerung?

Die Wasserkraft genießt generell eine sehr hohe Akzeptanz in der Bevölkerung. Alle bisherigen Umfragen untermauern diesen Trend. Aber: Wie bei allen Infrastrukturprojekten bedeutet deren Realisierung Veränderung für die unmittelbar betroffene Bevölkerung. Wir versuchen, durch frühzeitige, dauerhafte und vor allem ehrliche Informationen mögliche Verunsicherungen und Ängste bei den direkt Betroffenen von Beginn an zu erkennen und aufzuklären. Beim Energiespeicher Riedl konnten wir mit einer breit angelegten Informationsoffensive viele der vorhandenen Unklarheiten beseitigen.

„Pumpspeicherkraftwerke sind eine grüne Batterie für die Stromversorgung in Europa.“
Wie bewerten Sie die Rolle von Pumpspeicherkraftwerken für das Energiesystem?

Wenn die stark wetterabhängigen erneuerbaren Energieträger Wind und Sonne zukünftig einen dauerhaften Beitrag zur Stromversorgung leisten sollen, dann sind Pumpspeicherkraftwerke ein absolutes Muss. Sie sind eine grüne Batterie für die Stromversorgung in Europa. Und genau aus diesem Grund bauen wir als Verbund auf neue Pumpspeicherkraftwerke, wie etwa jenes in Kaprun oder in Kärnten. Laufende Projekte sind Limberg III in Kaprun oder der für Bayern wichtige Energiespeicher Riedl in Jochenstein. Aktuell bietet Verbund rund sechs Prozent der gesamten Pumpspeicherleistung in der Europäischen Union.

Nun hat eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums kürzlich konstatiert: Pumpspeicherkraftwerke sind wichtig, aber aus wirtschaftlicher Sicht unrentabel. Können Sie das bestätigen?

Wie Sie sagen, gibt es in keiner der vielen aktuellen Untersuchungen einen Zweifel daran, dass Pumpspeicher zukünftig verstärkt benötigt werden, um die Stromversorgung aufrecht zu erhalten. Ebenfalls unumstritten ist die Tatsache, dass die Pumpspeicherkraftwerke die mit Abstand effizienteste großtechnische Speichertechnologie darstellen. Etwas komplexer sieht die Antwort auf die Frage der Rentabilität aus. Grundsätzlich erwirtschaften Wasserkraftwerke und auch Pumpspeicherkraftwerke selbst unter den heutigen tiefen Strompreisen noch positive Erträge. Allerdings müssen börsennotierte Unternehmen kurzfristig deutlich höhere wirtschaftliche Renditen erzielen, als beispielsweise kommunale Unternehmen. So ist die Antwort, ob eine Anlage rentabel ist oder nicht, immer auch davon abhängig, welche Vorgaben sie vonseiten der Eigentümer erhält. Allerdings sind Investitionsentscheidungen für Stromerzeugungsanlagen, die im vollen Wettbewerb stehen – wie Wasserkraftwerke und Pumpspeicherkraftwerke – derzeit kaum möglich. Hier ist auch und vor allem die Politik gefordert, entsprechende Zeichen in eine konstante Zukunft zu setzen, da ansonsten das Projekt Energiewende gefährdet ist.

Welches Potenzial sehen Sie für weitere Pumpspeicherkraftwerke?

Grundsätzlich eignen sich gebirgige Regionen mit bestehenden Kraftwerken an mittleren und größeren Flüssen für die Errichtung von Pumpspeicherkraftwerken. Dieses Potenzial ist in Deutschland noch bei Weitem nicht ausgeschöpft. So weist etwa eine jüngst vom bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit beauftragte Studie zur Analyse der Pumpspeicherpotenziale 16 geeignete Standorte für Großanlagen in Bayern mit einer Leistung von insgesamt elf Gigawatt aus.

Wie kann aus Ihrer Sicht der Anteil der Wasserkraft an der Energieerzeugung in Deutschland insgesamt erhöht werden?

Es ist in Deutschland leider immer noch zu wenig bekannt, dass die Wasserkraft die nicht nur effizienteste unter den erneuerbaren Stromerzeugungsformen ist, sie ist auch jene mit der größten regionalen Wertschöpfung. Und sie verfügt im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieträgern über die höchste gesicherte Leistung und die höchsten großtechnischen Flexibilitäten. Potenzial für die Wasserkraft sehen wir aufgrund der Topografie vor allem in Süddeutschland. Der Bestand könnte hier noch maßvoll erweitert werden, womit die Anlagen dann weiterhin ihrer tragenden Rolle als Grundlastlieferant nachkommen. Voraussetzung dafür sind unter anderem stabile Rahmenbedingungen, eine Gleichstellung aller Erzeugungsanlagen bezüglich der technischen Verantwortlichkeiten für die Systemstabilisierung und eine generationenübergreifende Anerkennung als wichtige heimische Ressource.

Interview: Alexander Schaeff

Dr. Mayr, DominikDr. Dominik Mayr ist Projektleiter Energiespeicher Riedl beim Unternehmen Verbund Hydro Power. Mayr studierte Bauingenieurwesen an der Universität Innsbruck und promovierte an der Technischen Universität Graz.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Wasserkraft
BDW: Wasserkraft ist eine zuverlässige und regelbare Energiequelle.

Strommarktdesign: BDW fordert Wasserkraftstrategie

[27.09.2024] Der Bundesverband Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) appelliert an die Bundesregierung, die Potenziale der Wasserkraft stärker zu nutzen und fordert eine umfassende Wasserkraftstrategie, um ungenutzte Kapazitäten zu erschließen. mehr...

Die zweite Power-to-Gas-Anlage von naturenergie in Grenzach-Wyhlen entsteht neben der ersten Anlage aus dem Jahr 2018.

Grenzach-Wyhlen: Spatenstich für Power-to-Gas-Anlage

[17.06.2024] Der Bau einer zweiten Power-to-Gas-Anlage am Wasserkraftwerk Wyhlen hat begonnen, um die Produktion von grünem Wasserstoff bis Ende 2025 um fünf Megawatt zu erweitern. Dieses Projekt ist Teil des staatlich geförderten Reallabors H2-Wyhlen und wird mit 7,5 Millionen Euro unterstützt. mehr...

Das Thesenpapier zeigt

Niedersachsen: Thesenpapier zur kleinen Wasserkraft

[11.06.2024] In einem Thesenpapier hat das Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz jetzt die kleine Wasserkraft kritisiert. Angesichts der ökologischen Schäden ist sie oft nicht sinnvoll. mehr...

In diesem Winter liefen Wasserkraftwerke unter Volllast.

Branchenverbände: Mehr Wasserkraft im Winter

[29.04.2024] Die bayerischen Wasserkraftverbände prognostizieren einen Anstieg der Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund vermehrter Niederschläge in den Wintermonaten. Dies stärkt die Rolle der Wasserkraftwerke für die Energiewende und die Netzstabilität. mehr...

Laut einer Studie kann Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung spielen.

Bayern: Flusswärme als Heizquelle

[26.04.2024] Eine neue Studie zeigt, dass Flusswärme in Bayern eine wichtige Rolle für die Wärmeversorgung und den Klimaschutz spielen kann. Mindestens die Hälfte der bayerischen Städte und Gemeinden könnte ihre Gebäude damit beheizen. mehr...

Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergeben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft.
bericht

Wasserkraft: Unterschätzte Wärmequelle

[25.03.2024] Die flächendeckend in Deutschland zur Verfügung stehenden Fließgewässer bergen ein bislang wenig beachtetes Potenzial für die grüne Wärmegewinnung. Durch kombinierte Wasser-Wärme-Kraftwerke ergäben sich vollkommen neue Nutzungsperspektiven für die Wasserkraft. mehr...

Die Modernisierung und Reaktivierung von Wasserkraftwerken könnte eine zusätzliche Leistung von 7

Studie: Wasserkraft als Gamechanger

[25.03.2024] Die Energy Watch Group stellt eine Studie vor, die Wasserkraftwerke als zentrale Kraft im Kampf gegen den Klimawandel sieht. Das Potenzial zur Energieerzeugung liegt bei über sieben Gigawatt. mehr...

Die bestehende Schwarzenbachtalsperre wird um eine unterirdische Kaverne ergänzt.
bericht

Pumpspeicher: Starkes Leistungsplus aus Forbach

[07.11.2023] Seit über 100 Jahren erzeugt das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach mit Wasserkraft Energie. Nun wird der Standort zum leistungsstarken Pumpspeicherkraftwerk ausgebaut. Da Technik und Speicher in Kavernen verlagert werden, sind die Auswirkungen auf die Umgebung gering. mehr...

Referenten und Verbandsvertreter der Wasserkraft auf dem Wasserkraftseminar 2023 an der TUM Straubing.

Bayern: Wasserkraft mit viel Potenzial

[19.10.2023] Unterschätzte Potenziale der Wasserkraft wurden auf dem diesjährigen Seminar der beiden bayerischen Fachverbände aufgespürt. mehr...

Das 26. Internationale Anwenderforum Kleinwasserkraft findet vom 28. bis 29. September 2023 an der Technischen Hochschule Rosenheim statt.

Anwenderforum Kleinwasserkrafte: Praxisorientierter Austausch

[05.09.2023] Beim diesjährigen Anwenderforum Kleinwasserkraft stehen unter anderem die Themen Cyber-Sicherheit, Planung und Finanzierung von Kleinwasserkraftwerken im Mittelpunkt. Die Veranstaltung findet am 28. und 29. September in Rosenheim statt. mehr...

Das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach erzeugt seit rund 100 Jahren Strom aus Wasserkraft.

EnBW: 280 Millionen für Wasserkraft

[19.05.2023] Das Unternehmen EnBW investiert jetzt in den Um- und Ausbau des Rudolf-Fettweis-Werks in Forbach. mehr...

Als BlueBattery-Standort kann das Wasserkraftwerk Wallsee-Mitterkirchen auch Primärregelleistung liefern.
bericht

Wasserkraft: Grünstrom und Primärregelleistung

[25.04.2023] Im Wasserkraftwerk Wallsee-Mitterkirchen ist die mit Abstand größte Kraftwerksbatterie Österreichs verbaut. Als so genannter BlueBattery-Standort liefert es nun nicht mehr nur Strom, sondern kann auch kurzfristig Primärregelleistung zur Verfügung stellen. mehr...

Traditionelle Standorte wie das Jugendstil-Kraftwerk Heimbach können bis heute wertvolle Energie aus Wasserkraft liefern.
bericht

Wasserkraft: Potenziale naturverträglich nutzen

[04.04.2023] In Nordrhein-Westfalen könnte aus der Wasserkraft noch mehr Energie erzeugt werden. Bestehende Anlagen sollten modernisiert und an vorhandenen Staustufen neue Kraftwerke errichtet werden. Hemmnisse und Hürden erschweren aber entsprechende Vorhaben bis hin zur Aufgabe. mehr...

Das Rudolf-Fettweis-Werk in Forbach soll ausgebaut werden.

EnBW: Wasserkraftwerk kann erweitert werden

[16.03.2023] Das Laufwasser- und Speicherkraftwerk in Forbach im Schwarzwald soll umgebaut und erweitert werden. Dafür hat EnBW jetzt die behördliche Genehmigung erhalten. mehr...

Wasserkraft: Potenziale rechtlich neu bewertet

[15.03.2023] Ein vom Wasserkraftverband Mitteldeutschland in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Ergebnis, dass die neuen Gewichtungsvorgaben nach § 2 EEG 2023 bei allen behördlichen Entscheidungen zu berücksichtigen sind. Dies würde einen erheblichen Schub für Wasserkraftprojekte bedeuten. mehr...