Samstag, 23. November 2024

Kraft-Wärme-KopplungVom Nutzen des Eigenstroms

[24.07.2014] Die Reform des EEG führt auf einen bedenklichen Pfad, weil auch die Eigenstromerzeugung an den Umlagekosten der Energiewende beteiligt werden soll. Dies gefährdet die industrielle Eigenstromerzeugung. Die Forderung: Kraft-Wärme-Kopplung muss rentabel bleiben.
Kondensationsdampfturbine: KWK-Anlagen müssen auch in Zukunft rentabel betrieben werden können.

Kondensationsdampfturbine: KWK-Anlagen müssen auch in Zukunft rentabel betrieben werden können.

(Bildquelle: MAN Diesel & Turbo)

Derzeit werden entscheidende Weichen für das Gelingen und die weitere Umsetzung der Energiewende gestellt: Das so genannte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2.0 nimmt die von Wirtschaft und Bürgern gleichermaßen geforderte Reform des Gesetzes zur Förderung erneuerbarer Energien vor. Die Neufassung des Gesetzes ist in vielerlei Hinsicht ein Schritt in die richtige Richtung: Die erneuerbaren Energien werden in einem nachfrageorientierten Ansatz an den Markt herangeführt, während ihr koordinierter weiterer Ausbau über gleitende Marktprämien und Ausbaukorridore gewährleistet wird.
Zugleich führt das Gesetz auf einen bedenklichen Pfad. Denn künftig wird auch die Eigenstromerzeugung an den Umlagekosten der Energiewende beteiligt. Auf diese Weise soll – so die Überlegung – der über den Aufbau eigener Kraftwerke vorangetriebenen Entsolidarisierung der Wirtschaft Einhalt geboten und zugleich die überproportionale Belastung der privaten Verbraucher gebremst werden.

Wirtschaft trägt 50 Prozent der EEG-Umlage

Ein Blick auf die Zahlen zeigt allerdings, dass es dieser Argumentation an faktischer Grundlage mangelt: Im Jahr 2014 tragen Industrie, Handel und Gewerbe nach Angaben des BDEW mit rund zwölf Milliarden Euro etwa 50 Prozent der EEG-Umlagekosten. Weitere 14,5 Prozent tragen Landwirtschaft und öffentliche Einrichtungen. Die privaten Endverbraucher tragen hingegen mit 8,3 Milliarden Euro nur etwa 35 Prozent und sind damit die am geringsten belastete Verbrauchergruppe. Im Jahr 2013 fiel der Industrie-Anteil mit über 52 Prozent noch etwas höher aus. Der private Sektor leistete unverändert 35 Prozent der Kosten. Entgegen landläufiger Meinung wird die Energiewende also zu mehr als 50 Prozent von Handel, Industrie und Gewerbe finanziert, während die privaten Haushalte nur rund ein Drittel beitragen.
Ebenso wenig belegen lässt sich ein Anstieg der industriellen Eigenversorgung im Zuge der Energiewende. Das Gegenteil ist richtig: Eine aktuelle, im Auftrag der vier Übertragungsnetzbetreiber erstellte Studie zeigt für die Jahre ab 2010 sogar sinkende Strom-Mengen in diesem Segment. Für das Jahr 2014 wird ein Niveau von rund 42 GWh prognostiziert – das entspricht ungefähr dem Wert des Jahres 2007.

Industrielle Eigenstromerzeugung

Kaum gewürdigt wird dagegen der Nutzen stiftende Beitrag der industriellen Eigenstromerzeugung. Bis zu 25 Prozent des gesamten Industrieverbrauchs an Energie werden derzeit per Eigenversorgung und somit hocheffizient, emissionsarm und flexibel gewonnen. Die damit einhergehenden positiven Effekte für Wirtschaftsstandort wie Energielandschaft bleiben zu oft unerwähnt:
Die industrielle Energieerzeugung sichert Flexibilität: Der Ausbau fluktuierender Erzeugung als Rückgrat der deutschen Energieversorgung muss notwendig mit dem Aus- und Aufbau hochflexibler Erzeugungskapazitäten einhergehen, die hohe Effizienz auch im intermittierenden und Teillastbetrieb gewährleisten. Genau dies leistet die industrielle Eigenstromerzeugung, bei der in der Regel kleine Gasturbinen und Gasmotoren zum Einsatz kommen, die dafür technisch besonders geeignet sind. Sie sind emissionsarm und können wichtige Systemdienstleistungen erbringen.
Die industrielle Energieerzeugung sichert die Versorgung: Industriekraftwerke dienen in aller Regel der Absicherung der eigenen Stromversorgung gegen Ausfälle im öffentlichen Netz oder stellen punktgenau große Mengen an Energie zur Verfügung, die anders nicht beziehbar wären.
Die industrielle Energieerzeugung sichert den Ausbau der Kraft-Wärme-Kopplung (KWK): Das Energiekonzept der Regierung sieht einen Ausbau des KWK-Anteils an der Erzeugungsbasis auf 25 Prozent vor. Erreicht sind bislang aber erst 17 Prozent. Ohne den Beitrag der industriellen Eigenstromerzeugung ist das Ausbauziel schwerlich zu verwirklichen.
Tatsächlich ist ein Erreichen der KWK-Ziele ohne Industriekraftwerke nahezu ausgeschlossen. Schon jetzt stellen Kraftwerke, mit denen die Unternehmen Teile des eigenen Strom- und Wärmebedarfs decken, rund ein Drittel des erzeugten KWK-Stroms zur Verfügung. Dieser Beitrag ist in den vergangenen zehn Jahren nahezu kontinuierlich gestiegen. Dennoch ist der Ausbau der besonders effizienten Kraft-Wärme-Kopplung in den vergangenen Jahren ins Stocken geraten. Ohne den Industriebeitrag wird er weiter gebremst. Das können wir uns nicht leisten, denn Deutschland läuft den von der EU definierten Effizienzzielen deutlich hinterher.

Augenmaß entscheidet

Über die einer Belastung der Eigenstromerzeugung folgenden und möglicherweise schädlichen Konsequenzen entscheidet das Augenmaß der Parlamentarier. Eine substanzielle Schwächung des Investitionsmodells wird den Bau neuer Industriekraftwerke in Deutschland zum Erliegen bringen – mit negativen Folgen für die Energieeffizienz des Wirtschaftsstandorts und der Energielandschaft. Ein moderater Solidarbeitrag hingegen ist denkbar: Der Gesetzgeber konnte sich bisher immer auf den guten Willen der deutschen Industrie verlassen, die sich wiederholt und deutlich zum Projekt der Energiewende bekannt hat und immer bereit war, einen Beitrag zu dessen Gelingen zu leisten.
Zwingende Voraussetzung aber ist, dass in Deutschland auch zukünftig noch rentabel KWK betrieben werden kann. Gerade in Anbetracht zunehmender CO2-Emissionen müssen Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Emissionsreduktion in das Zentrum der Energiewende rücken. Kann das EEG 2.0 die sichere Zukunft der KWK nicht gewährleisten, dann muss über das im Laufe dieses Jahres ebenfalls zur Neufassung anstehende KWK-Gesetz ein Ausgleich geschaffen werden.

Dr. Tilman Tütken

Dr. Tütken, TilmanDr. Tilman Tütken ist Vice President und Vertriebsleiter Kraftwerke Europa bei MAN Diesel & Turbo in Augsburg. Er ist seit über neun Jahren bei MAN Diesel & Turbo tätig, unter anderem im Kraftwerksbereich in Brasilien, Naher Osten, Asien oder Amerika. Zuvor arbeitete er mehr als zwölf Jahre bei ABB in den Bereichen Vertrieb, Service und Projektabwicklung.



Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik

Projekt PaDiSo: Tipps für die lokale Energiewende

[14.11.2024] Forscherinnen des Projekts PaDiSo haben Handlungsempfehlungen für deutsche Kommunen entwickelt, um sie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems zu unterstützen. Ziel ist es, kommunalen Akteuren praxisnahe Instrumente und Strategien an die Hand zu geben. mehr...

Das Bild ist ein Porträtfoto des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt

Energieministerkonferenz: Der Geist von Brunsbüttel

[11.11.2024] Die Energieministerkonferenz in Brunsbüttel hat mit der „Brunsbütteler Erklärung“ einen deutlichen Appell an die Bundesregierung verabschiedet: Die Ministerinnen und Minister fordern spürbare Entlastungen bei den Strompreisen, eine zügige Umsetzung der Gesetze und eine klare Strategie für erneuerbare Energien und Biomasse. mehr...

Das Bild ist ein Portätfoto von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

BDEW: Energiebranche besorgt über Ampel-Aus

[07.11.2024] Nach dem Bruch der Ampelkoalition warnt der BDEW vor den Folgen für die Energiepolitik. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt schnelles und einvernehmliches Handeln an. mehr...

Auf dem Bild ist ein Umspannwerk zu sehen, im Vordergrund zwei Personen, die sich über einen Plan beugen.

Bundesregierung: KRITIS-Dachgesetz beschlossen

[07.11.2024] Die Bundesregierung hat den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit des Gesetzes, um Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Katastrophen zu machen. mehr...

Auf dem Bild sind Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG, Hessens Energie- und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori und Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef zu sehen. Sie halten ein Plakat in Händen, das das Konzept der Energiewendeviertel illustriert.

Frankfurt am Main: Energiezukunft gemeinsam gestalten

[05.11.2024] Bei einer Veranstaltung der Mainova diskutierten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef und Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über den geplanten Ausbau der Strom- und Wärmenetze in Frankfurt. mehr...

Barcamp 2023 in der SMA Solar Academy. Foto: Heiko Meyer

Energieblogger: Energiewende in Krisenzeiten

[05.11.2024] Wie kann man Menschen trotz globaler Krisen und Konflikte für die Energiewende gewinnen? Mit dieser Frage beschäftigt sich das 12. Barcamp Renewables Mitte November in Kassel. mehr...

Stuttgart: Status zur Wärmeplanung

[30.10.2024] Die Landeshauptstadt Stuttgart plant bis 2035 eine klimaneutrale Wärmeversorgung und erhält Unterstützung durch das Regierungspräsidium. In einer Ausschusssitzung berichteten Verantwortliche über den Status und die Herausforderungen dieser nachhaltigen Wärmeplanung. mehr...

Die Säulen-Grafik zeigt die Entwicklung der installierten Leistung Erneuerbarer-Energien-Anlagen von 2023 bis 2029.

EWI-Gutachten: Milliardenanstieg bei EEG-Förderungen

[28.10.2024] Die EEG-Förderung für erneuerbare Energien könnte bis 2025 auf über 18 Milliarden Euro steigen – fast eine Milliarde mehr als 2023. Bis 2029 wird eine Verdoppelung der Erzeugungskapazitäten in Deutschland prognostiziert, die Förderzahlungen könnten auf über 23 Milliarden Euro steigen. mehr...

Das Bild zeigt Module einer Freiflächen-Photovoltaikanlage, imHintergrund sind Windräder zu sehen.

Bund-Länder-Kooperationsausschuss: Erneuerbare nehmen Fahrt auf

[28.10.2024] Der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland hat im vergangenen Jahr kräftig zugelegt und das Vorjahresniveau deutlich übertroffen. Allerdings bleibt der Ausbau der Windenergie hinter den Erwartungen zurück. mehr...

AEE: Hintergrundpapier zu regelbaren Kraftwerken

[28.10.2024] Um die Stromversorgung in Deutschland auch künftig stabil zu halten, sind ergänzend zu erneuerbaren Energien regelbare Kraftwerke notwendig. Dies zeigt ein neues Hintergrundpapier der AEE. mehr...

Sachsen-Anhalt: Ressortplan Klima beschlossen

[25.10.2024] Das Kabinett von Sachsen-Anhalt hat jetzt einen neuen Ressortplan Klima verabschiedet, der 75 Maßnahmen zur Förderung des Klimaschutzes umfasst. Umweltminister Willingmann betonte, dass trotz sinkender Treibhausgasemissionen zusätzliche Anstrengungen notwendig seien, um die Klimaziele zu erreichen. mehr...

Eine Freiflächensolaranlage.

Bremen: Stadtteile sollen direkt profitieren

[17.10.2024] In Bremen soll künftig ein Teil der Erträge von Windkraft- und Freiflächensolaranlagen direkt an die naheliegenden Quartiere fließen können. Dabei handelt es sich um eine freiwillige Abgabe der Anlagenbetreiber, mit denen die Bremer Senatorin für Umwelt, Klima und Wissenschaft entsprechende Verträge abschließen kann. mehr...

Die Grafik symbolisiert Zukunftsszenarien für die Energiewende, die sowohl technische als auch soziale Aspekte einbeziehen. Die in blau gehaltene Grafik zeigt Gebäude, Windräder und Strommasten.

Studie: Elektrifizierung im Fokus

[14.10.2024] Wie Deutschland bis 2045 ein klimaneutrales Energiesystem erreichen kann, haben Forscher des KIT, des DLR und des Forschungszentrums Jülich in einem neuen Bericht vorgestellt. Sie betonen die Bedeutung der Elektrifizierung und des Ausbaus der erneuerbaren Energien als zentrale Bausteine der Energiewende. mehr...

Zu sehen ist das historische Rathaus der Stadt Braunschweig.

Braunschweig: Erfolge bei Energieeinsparungen

[11.10.2024] Die Stadt Braunschweig hat einen Energiebericht für ihre städtischen Gebäude vorgelegt. Er dokumentiert, wie die Stadt in den vergangenen Jahren ihren Energieverbrauch und CO2-Ausstoß senken konnte. mehr...

Das Bild zeigt Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack.

Schleswig-Holstein: Solar-Erlass erleichtert Planung

[11.10.2024] Der Solar-Erlass soll den Kommunen in Schleswig-Holstein als Leitfaden bei der Planung und Genehmigung von Freiflächen-Solaranlagen dienen. Die Landesregierung hat den Erlass nun grundlegend überarbeitet. mehr...