Bioenergieregion H-O-TGemeinsam zur -Emissions-Region
Sanfte Wiesentäler und waldige Anhöhen prägen das Landschaftsbild der Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber. Aber auch Weinberge und Ackerflächen sind charakteristisch für die Umgebung. Wer genauer hinschaut, wird dabei ungewöhnlich bestellte Felder entdecken. Sei es die sonnenblumenähnlich blühende durchwachsene Silphie, der Riesen-Chinaschilf Miscanthus oder Kurzumtriebsplantagen, bestehend aus Pappeln oder Weiden – es handelt sich um die Feldversuche der Bioenergieregion Hohenlohe-Odenwald-Tauber (H-O-T).
Hohenlohe-Odenwald-Tauber ist eine von 21 Bioenergie-Modellregionen in Deutschland. Sie gehen auf einen Wettbewerb des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Jahr 2008 zurück. Ziel war es, im ländlichen Raum die Wertschöpfungspotenziale mit erneuerbaren Energien zu aktivieren. „In Deutschland haben die landwirtschaftlich genutzten Flächen in den vergangenen 15 Jahren um mehr als zehn Prozent abgenommen“, erklärt Sebastian Damm, Geschäftsführer der Bioenergieregion H-O-T. „Der Wettbewerb sollte für landwirtschaftliche Betriebe neue Perspektiven aufzeigen. Wie das in der Praxis aussehen kann, sollten die Modellregionen zeigen. Unterschiedliche Konzepte sollten gefördert werden, da die Rahmenbedingungen deutschlandweit regional verschieden sind.“ Beworben haben sich um den Titel rund 200 Regionen.
Neue Philosophie für die Kommune
Mit initiiert hatte die Bewerbung der Neckar-Odenwald-Kreis. Er hatte mit der Anlage in Obrigheim das älteste Atomkraftwerk der Bundesrepublik. Im Jahr 2005 wurde es abgeschaltet. Zu eben dieser Zeit trat Landrat Achim Brötel seinen Dienst an und brachte eine neue Philosophie in die Kommune: Energie sollte im Neckar-Odenwald-Kreis weiter erzeugt werden – jetzt aber nicht mehr über atomare oder fossile, sondern über erneuerbare Quellen. Der Wettbewerb passte gut zu diesem Vorhaben. „Als land- und forstwirtschaftlich geprägter Flächenlandkreis liegen im Projekt Bioenergie-Modellregion genau unsere besonderen Stärken“, erklärt Brötel. „Nach der Schließung des Kernkraftwerks Obrigheim im Mai 2005 standen wir vor der Alternative, entweder in das allgemeine Heulen und Zähneklappern einzustimmen, oder uns auf unsere Chancen zu besinnen. Wir haben uns ziemlich schnell für Letzteres entschieden und sind damit sehr gut gefahren.“
Allein konnte sich der Kreis um den Titel nicht bewerben. Laut H-O-T-Geschäftsführer Sebastian Damm hat man sich deshalb auf Landratsebene mit den Nachbarkreisen Hohenlohe und Main-Tauber zusammengetan. Eine besondere Herausforderung war es, das für den Wettbewerb erforderliche Regionalentwicklungskonzept aufzustellen, denn dieses musste sich auf zwei Regierungsbezirke beziehen. Damm: „Am Anfang hat jeder gesagt: Das funktioniert sowieso nicht. Da hängt viel zu viel Bürokratie dran. Aber dann ging es doch und wir wurden 2009 zur Bioenergie-Modellregion gekürt.“
Das Regionalentwicklungskonzept ist der zentrale Baustein zur -Emissions-Region Hohenlohe-Odenwald-Tauber. Es benennt fünf Kernziele, die stufenweise erreicht werden sollen:
• Es sollen energieautarke Räume hinsichtlich der Strom- und Wärmeversorgung geschaffen werden. Vorrangig soll das mit der Installation dezentraler Energieversorgungssysteme, etwa der Entwicklung von Bioenergiedörfern, gelingen.
• Die kommunale Wärmeversorgung soll von fossilen Energieträgern entkoppelt werden.
• Standortbedingt energetisch nicht genutzte Grünschnitt- und Anbauflächenpotenziale sollen aktiviert werden.
• Eine Kompetenzregion soll entwickelt werden, die sich durch Forschung und Innovation mit den beiden Schwerpunkten durchwachsene Silphie und Kurzumtriebsflächen auszeichnet. Damit sollen nicht nur innovative und effiziente Anbausysteme gefördert, sondern auch Konflikte bei der Flächenkonkurrenz reduziert werden.
• Bürger sollen Bioenergieträger liefern. Insbesondere sollen organische Reststoffe von Privathaushalten sowie aus dem Privatwald mobilisiert und energetisch genutzt werden.
Stoffströme sinnvoll nutzen
Ziel der Bioenergieregion H-O-T ist es, die Stoffströme, die ohnehin vorhanden sind, ökonomisch und ökologisch zu nutzen. „Wir möchten keine neuen Monokulturen in die Region tragen, sondern mit dem arbeiten, was da ist. So setzen wir beispielsweise Gülle, Landschaftspflegematerialien oder Straßengrünschnitt ein. Zudem sorgen wir für die Strukturentwicklung, indem wir uns um freie oder frei werdende Flächen kümmern“, erläutert Damm. Der Fokus ist dabei auf den Wärmemarkt gerichtet. „Zwei Drittel der in Deutschland benötigten Energie entfallen auf die Wärmeenergie. Die Energiewende ist deshalb unserer Ansicht nach falsch aufgezogen, da immer nur über Strom gesprochen wird. Was wir aber eigentlich brauchen, sind Wärmeenergie und Energieeffizienz. Wir haben hierzulande gar nicht die Netzinfrastruktur, um regenerativ erzeugten Strom sinnvoll zu verwenden.“
Um ihre Ziele zu erreichen, sind Netzwerkarbeit und Kommunikation wesentliche Pfeiler der Bioenergieregion. Für jedes der Kernziele wurde ein Netzwerk zu den Themen Stoffstrom-Management, Anlagen und Netze sowie Verbraucher geschaffen. In das Stoffstrom-Management sind die Netzwerke Forst-, Land- und Abfallwirtschaft, Grünschnitt sowie Naturschutz und Kompetenzregion eingebunden. Anlagen und Netze umfassen die Netzwerke Technik sowie Betriebswirtschaft und Banken. Die Verbraucher werden durch Energie-Agenturen vertreten.
Kreisübergreifende Kampagne
Für die Kommunikation zeichnet in erster Linie das Energie-Management-Büro verantwortlich. Dazu gehört, den Bürgern die Projektergebnisse und -auswirkungen anschaulich zu präsentieren. Informationstafeln, Wegweiser oder Routenbeschreibungen machen beispielsweise auf Biomasseanlagen oder Nahwärmeverbünde aufmerksam. Auch eine kreisübergreifende Image-Kampagne, die Veranschaulichung von Best-Practice-Beispielen anhand von Flyern und Podcasts sowie eine umfassende Pressearbeit sind Teil der Kommunikation. Nicht zuletzt betreibt die Region Konflikt-Management. Im Vordergrund stehen dabei immer Maßnahmen, die eine naturverträgliche Erzeugung und Gewinnung von Biomasse ermöglichen.#bild2
Bereits mit Beginn der Bewerbungsphase zur Bioenergie-Modellregion konnte die energiepolitische interkommunale Zusammenarbeit verbessert werden. Größte Herausforderung war die Team-Bildung. Drei Landkreise mussten zusammenarbeiten.
Deshalb werden die 61 Städte und Gemeinden der Region H-O-T durch Regionalbüros in allen drei Kreisen betreut. Kreismitarbeiter, die sich ohnehin mit dem Thema beschäftigen, leiten die Regionalbüros in Öhringen, Buchen und Tauberbischofsheim. Das Beratungsangebot ist speziell auf Kommunen, Bürger und die Landwirtschaft zugeschnitten. „Wir sind als GmbH und Tochter von drei Landkreisen organisiert“, erklärt Geschäftsführer Sebastian Damm. „Wir haben drei hauptamtliche Mitarbeiter – die drei Landräte der H-O-T sind Aufsichtsräte. Da das Projekt einen hohen Stellenwert bei der Kommunalpolitik hat, haben wir einen 18-köpfigen Aufsichtsrat, der von Kreistagsmitgliedern gestellt wird.“ Zur Kommunikation und Netzwerkarbeit tragen zudem Energiebotschafter bei. Verdiente Persönlichkeiten aus der Region wie ehemalige Schulleiter, Landräte, Abgeordnete, Geschäftsführer oder Alt-Bürgermeister, können dieses Ehrenamt bekleiden. Welche Aufgabe sie übernehmen, können die Botschafter selbst auswählen. Sie machen Bildungsangebote, fungieren als Türöffner oder stellen wichtige Kontakte her. Über 20 Bioenergiebotschafter gibt es mittlerweile in der Bioenergieregion H-O-T sowie der Partnerregion Metropolregion Rhein-Neckar (MRN).
Vermittlung von Fachwissen
Die Bioenergieregion Hohenlohe-Odenwald-Tauber ist mittlerweile in der zweiten Wettbewerbsphase. Eine Auflage war dabei, eine Zwillingsregion zu finden, die von den gewonnenen Erkenntnissen der ersten drei Jahre profitieren soll. Nicht nur aufgrund der räumlichen Nähe kam die Kooperation mit der Metropolregion Rhein-Neckar zustande. Auch die Wirtschaftsstärke sowie die ähnliche Interessenlage und Struktur haben die Zusammenarbeit angestoßen. „Die H-O-T-Zwillingsregion fördert in Zusammenarbeit mit der Metropolregion Rhein-Neckar den Wissenstransfer in Sachen erneuerbarer Energieformen und der energetischen Verwertung von Biomasse“, sagt Clemens Körner, Landrat des Rhein-Pfalz-Kreises. „Hier können konkrete Erfahrungen der Bioenergiedörfer in Regionen transportiert werden, die bislang noch wenig Biomassenutzung betreiben. Dazu gehört auch die Vermittlung von Fachwissen zu diesem Themenkomplex.“ „Die Zusammenarbeit läuft sehr gut“, ergänzt Damm. „Die ländlich geprägten Kreise Rhein-Neckar, Bergstraße, Rhein-Pfalz und Germersheim nehmen das Angebot aktiv an und suchen sich aus, was sie von unseren Erfahrungen übertragen können.“
Mit der MRN betreut die Bioenergieregion H-O-T sieben Landkreise. Das Operationsgebiet umfasst 9.000 Quadratkilometer und erstreckt sich von Landau in der Pfalz bis nach Creglingen an der bayerischen Landesgrenze. „Der fachliche Austausch zwischen der H-O-T-Zwillingsregion und der Metropolregion Rhein-Neckar fördert auch das Zusammenwachsen der Landkreise und Städte innerhalb der Metropolregion“, erklärt Landrat Körner. „Konkrete Ziele dabei sind die Förderung der Energieunabhängigkeit und der Ersatz fossiler Rohstoffe. Ein praktisches Beispiel kann sein, dass Biomasse aus der Landwirtschaft energetisch genutzt und damit auch der ländliche Raum gestärkt wird. Dabei kommt der regionalen Wertschöpfung eine große Bedeutung zu.“
Ziele gemeinsam erreichen
Laut Geschäftsführer Sebastian Damm war von Anfang an klar, dass die H-O-T nur dann erfolgreich sein wird, wenn sie es schafft, möglichst viele Menschen dazu zu bewegen, selbst aktiv zu werden. Und so hat sich die H-O-T dann auch aufgestellt: Bereits vorhandene Netzwerke sollten genutzt, neue Ideen eingebracht und die Menschen dafür gewonnen werden. „Die herkömmliche Projektplanung haben wir deshalb umgekehrt: Wir haben zuerst Ideen verkündet und die Bürger begeistert. Erst danach sind wir mit den Kommunen in die Planung gestartet. Dadurch haben wir eine große Akzeptanz erreicht. Natürlich dauert es etwas länger, wenn man die Bürger von Anfang an einbindet. Aber es war auf jeden Fall zielführender.“ Es sei nicht immer einfach gewesen, jeden Bürgermeister, Planer oder die Genehmigungsbehörden von dieser Vorgehensweise zu überzeugen. „Aber wann immer wir diesen Weg konsequent gegangen sind, waren wir auch erfolgreich.“
Die im Regionalentwicklungskonzept formulierten Ziele hat die Region nach drei Jahren erreicht und teilweise übertroffen. So können seit Ende 2010 rein rechnerisch alle 400.000 Einwohner mit Ökostrom aus der eigenen Region versorgt werden. Der CO2-Ausstoß wurde durch den Ausbau erneuerbarer Energien um weit über 50.000 Tonnen pro Jahr gesenkt. 2012 ist es dann gelungen, den fünfmillionsten Liter Heizöl durch Nahwärmeprojekte zu ersetzen. „Dafür haben wir nicht primär neue Biogasanlagen gebaut, sondern erst einmal ermittelt, wo Biogasanlagen stehen, die noch keine Wärme nutzen. Für diese haben wir dann Wärmekonzepte entwickelt.“ Die Projektideen für die Bioenergieregion kommen häufig von kommunalen Entscheidern. Aber auch Regionalstudien haben schon Potenzial aufgedeckt. Die Bioenergieregion H-O-T greift diese Ideen auf und formuliert sie gemeinsam mit den Bürgern und Unternehmen für die Umsetzung. „Die H-O-T hat unsere gesamte Region entscheidend vorangebracht“, bewertet Landrat Achim Brötel die bisherigen Ergebnisse. „Inzwischen ist die Bioenergieregion nicht nur zu einem echten Markenzeichen, sondern auch zu einem wichtigen Motor der regionalen Wertschöpfung geworden. Und: Wir alle profitieren davon. Ökologisch und ökonomisch ist die H-O-T ein Volltreffer!“
http://www.bioenergie-hot.de
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