Montag, 23. Dezember 2024

NetzentgelteSolidarische Tarife

[07.04.2014] Bürger, die ihren Strom selbst erzeugen und verbrauchen, zahlen keine Netzgebühren. Langfristig gefährdet dies die Finanzierung der Stromnetze und die Versorgungssicherheit. Ein Plädoyer für leistungsbasierte Netzentgelte.
Leistungsbasierte Netzentgelte können zu einer gerechteren und nachhaltigeren Finanzierung der Netzinfrastruktur beitragen.

Leistungsbasierte Netzentgelte können zu einer gerechteren und nachhaltigeren Finanzierung der Netzinfrastruktur beitragen.

(Bildquelle: Fotolia)

Die neue Bundesregierung sollte den Ordnungsrahmen für die deutsche Energiewirtschaft zügig überarbeiten. Zu den vordringlichen Aufgaben zählt dabei auch die Reform der Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV). Es gilt, die Erhebung der Netzentgelte auf eine neue, tragfähige Basis zu stellen. Der Grund: Das gegenwärtige Verfahren gefährdet die Versorgungssicherheit und führt zu einer sozialen Schieflage. Derzeit werden die Netzkosten im Wesentlichen über ein mengenbasiertes Umlageverfahren aufgebracht. Das heißt, die Stromlieferanten verlangen vom Endkunden für jede Kilowattstunde einen bestimmten Betrag und führen dieses Netznutzungsentgelt an den Netzbetreiber ab. Laut Bundesnetzagentur beträgt das durchschnittliche Netzentgelt für Haushaltskunden gegenwärtig rund sechs Cent pro Kilowattstunde Strom. Addiert man hierzu die staatlich verordneten Strompreisbestandteile wie EEG-Umlage, Stromsteuer oder Umsatzsteuer, macht dies inzwischen rund 20 Cent pro Kilowattstunde und damit den Löwenanteil des Endkundenpreises aus. Die Folge: Für immer mehr Verbraucher rechnet es sich, Strom dezentral selbst zu produzieren und so die Netzgebühren und die staatlich verordneten Strompreisbestandteile zu vermeiden. Insbesondere für Eigenheimbesitzer stellt die Stromproduktion für den Eigenverbrauch eine Alternative gegenüber der Vollversorgung über das Netz dar. Eine Photovoltaikanlage auf dem Hausdach bietet in Verbindung mit einem Batteriespeicher inzwischen die Möglichkeit, einen erheblichen Teil des eigenen Stromverbrauchs selbst zu decken.

Trend zur Eigenstromproduktion

Kaum ein Eigenheimbesitzer mit eigener Stromproduktion wird sich indessen ganz vom Netz abkoppeln wollen und können. Schließlich bietet das Netz Versorgungssicherheit in sonnenarmer und einen Absatzkanal für überschüssigen Solarstrom in sonnenreicher Zeit. Das Netz wird also immer noch zu bestimmten Zeiten voll gebraucht. Die Kosten für seinen Unterhalt und seinen Ausbau reduzieren sich folglich nicht.
Der Trend zur Eigenstromproduktion ist sogar selbstverstärkend: Weil die Eigenverbraucher für den selbsterzeugten Strom kein Netzentgelt mehr bezahlen, müssen diese fehlenden Kostenbeiträge für die Finanzierung der Netzinfrastruktur von den verbleibenden Verbrauchern getragen werden. Das Netzentgelt und damit der Endkundenpreis für Strom aus dem Netz steigen dadurch weiter an. All diejenigen, die keinen Strom für den Eigenverbrauch produzieren, müssen deshalb noch tiefer in die eigene Tasche greifen. Das aber macht die Eigenstromproduktion noch attraktiver und noch mehr Eigenheimbesitzer wenden sich von der Vollversorgung ab.

Mieter sind benachteiligt

Die Hauptleidtragenden dieser Entwicklung sind diejenigen, die diese Option nicht haben – also vor allem Mieter. Auf diese Weise benachteiligen die mengenbasierten Netzentgelte letztlich die einkommens- und vermögensschwächeren Teile der Bevölkerung. Sie laufen Gefahr, die Hauptlast der Finanzierung der Netzinfrastruktur stemmen zu müssen. #bild2 Doch damit nicht genug: Durch diese Entwicklung wird der Druck auf die Politik steigen, Maßnahmen gegen den steigenden Endkundenpreis für Strom zu ergreifen. Schon jetzt ist zu erahnen, was passieren kann: Da wenig Interesse besteht, Steuern und Abgaben zu reduzieren und sich der Preis für die Erzeugung des Stroms am Markt bildet, bleiben nur die Netzentgelte, um den Kostenanstieg zu bremsen. Es besteht daher die Gefahr, dass die Erlöse aus dem Netzbetrieb künftig noch stärker gedeckelt werden. So gefährden mengenbasierte Netzentgelte letzten Endes die auskömmliche Finanzierung der Netze – zum Schaden der Versorgungssicherheit. Für den Wirtschaftsstandort Deutschland wäre das fatal.
Um die Finanzierung der Netze gerecht und nachhaltig zu gestalten, bedarf es eines neuen Erhebungsverfahrens. Deutschland sollte zu leistungsbasierten anstelle von mengenbasierten Netzentgelten übergehen. Das heißt, Netzkunden sollten künftig für ihren Anschluss eine Pauschale bezahlen, die sich danach bemisst, wie viel Leitungskapazität sie benötigen. Bildlich gesprochen: Je dicker die Anschlussleitung, desto höher die zu entrichtende Pauschale. Der Preis, den ein Stromkunde pro abgenommener Kilowattstunde an seinen Lieferanten zahlen müsste, würde dadurch sinken. Im Gegenzug würde der Grundpreis steigen. Damit würden auch die Kosten fair und sozial angemessen verteilt.
Es wäre gut, wenn die Politik den Wechsel zu einem System leistungsbasierter Netztarife rasch einleiten würde. Auf diese Weise ließe sich eine gerechte und nachhaltige Finanzierung der Netzinfrastruktur gewährleisten, weil jeder, der in den Genuss von Versorgungszuverlässigkeit kommt, auch einen angemessen Beitrag entrichten würde.

Dr. Constantin H. Alsheimer studierte Rechtswissenschaften und war unter anderem bei einer Investment-Bank und im öffentlichen Dienst tätig. Von 2002 bis 2006 war er Geschäftsführer der AVA Abfallverbrennungsanlage Nordweststadt. Seit 2006 ist er Mitglied des Vorstands der Mainova AG, seit 2009 Vorstandsvorsitzender. Nebenamtlich ist er Sprecher der Stadtwerke Frankfurt.




Anzeige

Weitere Meldungen und Beiträge aus dem Bereich: Politik
Auf dem Bild sind Photovoltaikanlagen und im Hintergrund Windräder zu sehen.

ZSW/BDEW: Rekordjahr für Erneuerbare

[16.12.2024] Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien hat im Jahr 2024 einen neuen Höchststand erreicht. Nach vorläufigen Berechnungen von ZSW und BDEW lieferten Solar-, Wind-, Wasser- und Biomassekraftwerke mehr als die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Stroms. mehr...

Bayern: Grüne stellen Dringlichkeitsantrag

[13.12.2024] Die Grünen im Bayerischen Landtag haben gestern im Plenum einen Dringlichkeitsantrag für konsequenten Klimaschutz eingebracht. Ziel ist es, die bayerischen Klimaziele bis 2040 zu sichern und notwendige Maßnahmen, insbesondere in der Wärmepolitik, zügig umzusetzen. mehr...

Das Bild zeigt Franziska Giffey (SPD), Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe und Bürgermeisterin von Berlin, bei der Eröffnungsrede auf den Vienna Science Days in Berlin.
bericht

Wien/Berlin: Gemeinsam für die urbane Energiewende

[09.12.2024] Bei den Vienna Science Days in Berlin trafen sich Ende November Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft, um über die Herausforderungen der Energiewende und Dekarbonisierung in Großstädten zu diskutieren. Im Fokus standen die Zusammenarbeit zwischen Wien und Berlin. mehr...

Auf dem Bild ist das Kohlekraftwerk Weisweiler zu sehen, im Vordergrund stehen zwei Windräder.
bericht

Monitoringbericht: Energiemarkt in Bewegung

[09.12.2024] Der aktuelle Monitoringbericht von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zum Strom- und Gasmarkt zeigt: Die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien steigt, konventionelle Kraftwerke bleiben aber unverzichtbar. Und: Sinkende Strom- und Gaspreise entlasten die Verbraucher. mehr...

Das Bild zeigt einen Blick in den Plenarsaal des Deutschen Bundestags. Zusehen sind die Reihen der Abgeordneten und im Hintergrund der Bundesadler.

KWKG: Bundestag berät über Verlängerung

[09.12.2024] Ein Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sieht vor, die Geltungsdauer des KWK-Gesetzes bis zum 31. Dezember 2030 zu verlängern. Der Bundestag hat jetzt erstmals darüber beraten. Unterstützung für die Initiative der Unionsfraktion kommt aus der Energiewirtschaft. mehr...

Biogasalage: Der Bundesverband Bioenergie (BBE) hat die herausragende Bedeutung der Bioenergie betont.

BMWK: Bioenergiepaket soll Anreize schaffen

[09.12.2024] Die Flexibilität und Planungssicherheit für Biogasanlagen sollen verbessert werden. Dazu hat das Bundeswirtschaftsministerium ein Bioenergiepaket vorgelegt. Der Entwurf zur Änderung des EEG 2023 ist allerdings noch nicht innerhalb der Bundesregierung abgestimmt. mehr...

interview

Interview: Volle Unterstützung für Holzenergie

[05.12.2024] Die energetische Holznutzung ist eine wichtige Säule für die Wertschöpfung im ländlichen Raum, sagt Hubert Aiwanger. stadt+werk sprach mit dem bayerischen Wirtschaftsminister über die Ziele des Pakts Holzenergie Bayern. mehr...

SAENA: Neues Umfragetool

[04.12.2024] Die SAENA bietet jetzt für die finanzielle Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger Umfragetools und Workshops an. mehr...

Saarland: Förderprogramm für Straßenbeleuchtung

[02.12.2024] Das saarländische Ministerium für Wirtschaft, Innovation, Digitales und Energie fördert jetzt mit dem neuen Programm ZEP-Kommunal die Umrüstung von Straßenbeleuchtungen in Kommunen auf LED-Technologie. mehr...

Das Bild zeigt das Gaskrafterk Irsching.

Kraftwerkssicherheitsgesetz: Die Politik ist gefordert

[25.11.2024] Ein Referentenentwurf für ein Kraftwerkssicherheitsgesetz liegt vor, berichten Medien. Er sieht neben neuen Regelungen für wasserstofffähige Gaskraftwerke auch eine Verlängerung des Kraft-Wärme-Kopplungsgesetzes vor. Der BDEW betont den dringenden Handlungsbedarf für die Energieversorgung. mehr...

Projekt PaDiSo: Tipps für die lokale Energiewende

[14.11.2024] Forscherinnen des Projekts PaDiSo haben Handlungsempfehlungen für deutsche Kommunen entwickelt, um sie bei der Gestaltung eines klimaneutralen Energiesystems zu unterstützen. Ziel ist es, kommunalen Akteuren praxisnahe Instrumente und Strategien an die Hand zu geben. mehr...

Das Bild ist ein Porträtfoto des schleswig-holsteinischen Energieministers Tobias Goldschmidt

Energieministerkonferenz: Der Geist von Brunsbüttel

[11.11.2024] Die Energieministerkonferenz in Brunsbüttel hat mit der „Brunsbütteler Erklärung“ einen deutlichen Appell an die Bundesregierung verabschiedet: Die Ministerinnen und Minister fordern spürbare Entlastungen bei den Strompreisen, eine zügige Umsetzung der Gesetze und eine klare Strategie für erneuerbare Energien und Biomasse. mehr...

Das Bild ist ein Portätfoto von Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.

BDEW: Energiebranche besorgt über Ampel-Aus

[07.11.2024] Nach dem Bruch der Ampelkoalition warnt der BDEW vor den Folgen für die Energiepolitik. Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, mahnt schnelles und einvernehmliches Handeln an. mehr...

Auf dem Bild ist ein Umspannwerk zu sehen, im Vordergrund zwei Personen, die sich über einen Plan beugen.

Bundesregierung: KRITIS-Dachgesetz beschlossen

[07.11.2024] Die Bundesregierung hat den Entwurf des KRITIS-Dachgesetzes beschlossen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betont die Notwendigkeit des Gesetzes, um Deutschland widerstandsfähiger gegen Krisen und Katastrophen zu machen. mehr...

Auf dem Bild sind Michael Maxelon, Vorstandsvorsitzender der Mainova AG, Hessens Energie- und Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori und Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef zu sehen. Sie halten ein Plakat in Händen, das das Konzept der Energiewendeviertel illustriert.

Frankfurt am Main: Energiezukunft gemeinsam gestalten

[05.11.2024] Bei einer Veranstaltung der Mainova diskutierten Frankfurts Oberbürgermeister Mike Josef und Hessens Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori über den geplanten Ausbau der Strom- und Wärmenetze in Frankfurt. mehr...