Dienstag, 5. November 2024

DirektvermarktungStrom direkt am Markt verkaufen

[31.10.2013] Direktvermarktung ist der Schlüssel zur Systemintegration der erneuerbaren Energien. Die Anlagenbetreiber können zudem unter bestimmten Voraussetzungen deutliche Mehrerlöse generieren. Für Stadtwerke eröffnet sich in doppelter Hinsicht ein interessanter Markt.

Die Direktvermarktung regenerativ erzeugten Stroms bietet Stadtwerken unterschiedliche Optionen, ihre Ertragssituation zu verbessern. Einerseits können sie als Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) selbst von den Mehrerlösen aus der Direktvermarktung profitieren, andererseits sind sie mit ihrem energiewirtschaftlichen Know-how erster Ansprechpartner für EE-Anlagenbetreiber bezüglich der Vermarktungsmöglichkeiten des regenerativ erzeugten Stroms.
2012 wurden nach den jüngsten Berechnungen des Bundesumweltministeriums 19,5 Milliarden Euro in die Errichtung von Windkraft-, Solar- oder Bioenergie-Anlagen investiert. Die Stadtwerke gehörten dabei neben institutionellen Investoren sowie Bürgerenergiegenossenschaften und Privatpersonen zu den Hauptakteuren. Nach den Stadtwerke-Erzeugungszahlen 2011 des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU) investierten allein kommunale Versorger rund 3,87 Milliarden Euro in erneuerbare Energien.

Fluktuierende Erzeugung steigt

Der Anstieg der Investitionen in EE-Anlagen spiegelt sich auch im wachsenden Anteil der erneuerbaren Energien am deutschen Bruttostromverbrauch. 2012 stieg der Anteil auf 22,9 Prozent. Mit der Zunahme der erneuerbaren Energien erhöht sich aber auch der Anteil der fluktuierenden Erzeugung mit erheblichen Auswirkungen auf die Netzstabilität und die Entwicklung der Börsenstrompreise. Problematisch sind dabei insbesondere Situationen, in denen durch ein unvorhergesehen starkes Windaufkommen und/oder hohe Sonneneinstrahlung ein Stromüberangebot entsteht. Insbesondere an Wochenenden oder Feiertagen trifft dieses große Angebot auf eine geringe Nachfrage. In der Spitze entstehen so immer häufiger negative Preise am Großhandelsmarkt, was das EEG-Umlage-Konto, durch das die Differenz zwischen gezahlten EEG-Vergütungen und erzielten Einnahmen ausgeglichen werden, weiter belastet.
Mit der Einführung der so genannten Marktprämie Anfang 2012 fördert der Gesetzgeber die Direktvermarktung und hat damit eine Basis geschaffen, auch die Einspeisung von erneuerbaren Energien an den Gesetzen von Angebot und Nachfrage auszurichten und sie damit in einem ersten Schritt in den Strom-Markt zu integrieren. Gut anderthalb Jahre nach Einführung des Marktprämienmodells vermarkten immer mehr EE-Anlagenbetreiber mithilfe von Energiehandelsunternehmen, die sich auf dieses Geschäftsmodell spezialisiert haben, ihren Strom direkt an den Großhandelsmärkten. Nach den neuesten Zahlen der Übertragungsnetzbetreiber wird schon deutlich mehr als die Hälfte des Stroms aus erneuerbaren Energien vollständig an den Großhandelsmärkten gehandelt.

Das Marktprämien-Modell

Wenn sich EE-Anlagenbetreiber für die Direktvermarktung ihrer Strommengen nach dem Marktprämienmodell entscheiden, verzichten sie auf die fixe Einspeisevergütung und die Aufnahme ihres Stroms durch den Netzbetreiber. Während sie ansonsten nur die Einspeisevergütung erhalten, setzt sich der im Marktprämienmodell erzielbare Preis aus dem Wert des eingespeisten Stroms, der Markt- sowie der Management-Prämie zusammen. Der EE-Anlagenbetreiber hat weiterhin die Garantie, dass der von ihm erzeugte Strom mindestens die Höhe der EEG-Einspeisevergütung erwirtschaftet und kann, unter bestimmten Voraussetzungen, sogar deutliche Mehrerlöse generieren. Die Marktprämie setzt dabei allerdings Anreize, den erneuerbaren Strom nicht einfach nur einzuspeisen, sondern dann Strom zu liefern, wenn die Nachfrage hoch ist und damit der Börsenstrompreis über dem durchschnittlichen Marktpreis liegt. Im Gegenzug müssen sowohl EE-Anlagenbetreiber wie auch konventionelle Stromerzeuger Systemverantwortung übernehmen und mit Prognosen und Fahrplänen operieren, um eine möglichst verlässliche Stromversorgung zu gewährleisten. Daher übernehmen EE-Anlagenbetreiber diese Aufgaben meist nicht selbst, sondern lassen ihre Strom-Mengen über spezialisierte Stromhändler an den Großhandelsmärkten optimal vermarkten.

Stadtwerke punkten

Für Stadtwerke eröffnet sich durch die Direktvermarktung in zweierlei Hinsicht ein interessanter Markt. Sie sind über den Verteilnetzbetrieb oder als örtlich etablierter Energieversorgungsexperte häufig der erste Ansprechpartner für EE-Anlagenbetreiber, wenn es um die Umstellung der Anlagen auf die Direktvermarktung geht. Hier können Stadtwerke mit ihrem energiewirtschaftlichen Know-how punkten und aktiv die Überführung begleiten. Entweder können sie selbst die Direktvermarktung übernehmen oder über Kooperationen mit Direktvermarktern die gesamte Abwicklung von der Anmeldung beim Netzbetreiber bis hin zur Abrechnung übernehmen.
Stadtwerke, die selbst EE-Anlagen betreiben, können diese auch selbst in die Direktvermarktung führen und damit Mehrerlöse zwischen drei und fünf Prozent generieren. Je nach Größe und Zusammensetzung des Portfolios lohnt es sich für Stadtwerke, selbst als Direktvermarkter zu agieren oder aber gemeinsam mit Partnern Portfolios zu bündeln und damit mehr Marktgewicht zu entwickeln. Meistens ist die zweite Option für Stadtwerke besser, da nur wenige über ein Erzeugungsportfolio ausreichender Größe verfügen.
Die Fernsteuerbarkeit der Anlagen gewinnt vor diesem Hintergrund zunehmend an Bedeutung. Anlagen, die mit Steuerungseinheiten ausgestattet sind und deren Einspeisedaten in Echtzeit ausgelesen werden, erhalten einen Fernsteuerbarkeitsbonus zusätzlich zur Management-Prämie, der in den kommenden Jahren zudem noch deutlich zunehmen wird. Durch die Steuerungstechnik wird es möglich, die jeweilige Leistung der Anlagen praktisch in Echtzeit zu kontrollieren und sie entsprechend der Preisentwicklungen an den Märkten zu regeln. Direktvermarkter können so beispielsweise auf negative Preise am Großhandelsmarkt reagieren und die Anlagen drosseln oder sogar komplett abschalten. Damit leisten die Anlagen nicht nur einen Beitrag zur Netzstabilität, sondern helfen auch, flexibel auf Entwicklungen an den Stromgroßhandelsplätzen zu reagieren und sehr tiefe negative Preise zu vermeiden. Trianel und seine Kooperationspartner in der Direktvermarktung haben sich in den vergangenen zwei Jahren insbesondere um die Entwicklung technischer Lösungen für die Fernsteuerbarkeit bemüht. Heute werden bereits über 1.700 Megawatt des von Trianel verwalteten Portfolios ferngesteuert und die Leistung der verwalteten Anlagen der jeweiligen Nachfrage anpasst.

Burkhard Steinhausen ist Leiter Marktentwicklung Erneuerbare Energien bei der Stadtwerke-Kooperation Trianel aus Aachen. Seit seinem Einstieg bei Trianel im Jahr 2008 hat er sich intensiv mit dem Stromhandel sowie der Entwicklung der Direktvermarktung beschäftigt.


Stichwörter: Finanzierung, Netze


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