Montag, 18. November 2024

CrowdfundingFinanzierung aus dem Schwarm

[31.07.2013] Bei kleineren lokalen Energieprojekten könnte Crowdfunding ein ergänzender Finanzierungsbaustein sein. Mittlerweile haben sich in Deutschland einige Internet-Plattformen als Vermittler etabliert, um Gelder für Erneuerbare-Energien-Anlagen zu sammeln.
Über Crowdfunding-Plattformen können sich Investoren auch an Erneuerbare-Energien-Projekte beteiligen.

Über Crowdfunding-Plattformen können sich Investoren auch an Erneuerbare-Energien-Projekte beteiligen.

(Bildquelle: PEAK Agentur für Kommunikation)

Die aktuelle Stadtwerke-Studie von Ernst & Young weist den Weg: Stadtwerke und regionale Energieversorgungsunternehmen dürften bis zum Jahr 2020 rund 70 Milliarden Euro in die Energiewende investieren. Dies stellt kommunale Unternehmen jedoch nicht nur vor große Herausforderungen, sondern prägt auch neue Geschäftsmodelle und Wertschöpfungsmechanismen.
Zumindest bei kleineren lokalen Vorhaben könnte Crowdfunding ein ergänzender Lösungsbaustein sein, bei dem möglichst viele Anleger über das Netz ein konkretes Umweltvorhaben fördern. Hinzu kommt ein weiteres Argument: Angesichts von niedrigen Guthabenzinsen für Tages- und Festgelder hält so mancher Anleger nach neuen Horizonten Ausschau.

Festzins sichern

Warum also nicht über eine Crowdfunding-Plattform zum Beispiel in den Solarpark Liebenthal investieren, um sich über eine Laufzeit von bis zu 15 Jahren einen Festzins von fünf Prozent zu sichern? Der Einstieg in den Solarpark für private Anleger ist bereits ab 100 Euro möglich. Das Beteiligungsvolumen des Internet-Schwarms ist auf 643.900 Euro festgesetzt. Das entspricht etwas mehr als zehn Prozent des gesamten Investitionsvolumens am Projektstandort in Brandenburg. „Besonderen Wert legen wir auf die Sicherheit der Anlegergelder“, betont Johannes Laub, Geschäftsführer der Firma LeihDeinerStadtGeld, die das Portal LeihDeinerUmweltGeld und damit auch das Solarvorhaben in Liebenthal betreut. Dort werden die vergebenen Umweltkredite zunächst auf einem Treuhandkonto gesammelt und erst nach Prüfung und Freigabe an die Projektträgerin weitergeleitet.
Das Modell hat auch seinen Charme mit Blick auf die Stadtwerke. Der Vorteil: Eine Plattform wie LeihDeinerUmweltGeld ermögliche die Vernetzung der Bürger mit ihren Versorgern vor Ort auf einem neuen Niveau, so Jamal El Mallouki, bei dem Online-Portal für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Zudem bietet LeihDeinerStadtGeld anhand von White-Label-Lösungen die Integration des Vergabeprozesses in die Website von Projektträgern an. Dadurch können Stadtwerke den interessierten Bürgern direkt auf ihrer Homepage die Umweltkreditvergabe eröffnen. Letztlich stärke Crowdfunding damit indirekt auch die Renaissance des Stadtwerkemodells, bekräftigt Jamal El Mallouki.
Des Weiteren erhielten so auch kleinere Stadtwerke den direkten Zugang zum Bürgerkapital ohne besonderen Aufwand. „Gerade die dezentrale Ansprache und Organisation der Bevölkerung für deren finanzielle Beteiligung an lokalen Projekten nimmt Zeit und Ressourcen in Anspruch. Plattformen wie LeihDeinerUmweltGeld entlasten Bürgerschaft und Versorger“, fasst El Mallouki zusammen.

Regionale Wertschöpfung unterstützen

Die Zielgruppe der kommunalen Projekte nimmt auch die Plattform Bettervest ins Visier. Die Macher setzen dabei vor allem auf das Energiesparen über LED-basierte Beleuchtungskonzepte. Das Besondere: Ein Teil der durch innovative Technologien erzielten Energieeinsparung fließt in Form einer zusätzlichen Rendite wieder an die Unterstützergemeinde zurück.
Künftig möchte Bettervest mit einem crowdbasierten Contracting-Modell weitere Geschäftsfelder erschließen, vor allem Green IT, Heizungs- und Klimatechnik, Kraft-Wärme-Kopplung oder die energieeffiziente Mobilität. Insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen aus der Cleantech-Branche sollen so an frisches Eigenkapital gelangen. „Denn quasi jeder kann Energie sparen“, betont Bettervest-Geschäftsführer Patrick Mijnals.
Der Experte sieht gerade die lokalen Akteure als Vorreiter bei der dezentral gestalteten Energiewende an. „Die Stadtwerke entwickeln sich immer mehr zu ganzheitlichen Energiedienstleistern, die sich um alle Belange in energetischen Fragen kümmern, was auch die Themen Energieeffizienz und eine klimaneutrale Ausrichtung der Kunden mit einschließt“, ergänzt Patrick Mijnals.
Untermauert wird diese Einschätzung durch eine aktuelle Untersuchung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Diese kommt unter anderem zu dem Ergebnis, dass bereits rund 87 Prozent der Energieversorger eine kostenlose Energieberatung anbieten.
„Bettervest positioniert sich vor diesem Hintergrund als Partner der Stadtwerke, der nicht nur eine alternative Finanzierungsform liefert, sondern sich auch als Informations- und Vernetzungsplattform für die gesamte Bandbreite von Akteuren vor Ort, also Bürgern, Unternehmen und Institutionen anbietet“, so Mijnals weiter. Das durch mehr Energieeffizienz gehobene Potenzial sei darauf ausgelegt, dem einzelnen Bürger die gezielte Förderung nachhaltiger Projekte seiner Wahl und – sofern möglich – in seinem direkten Umfeld zu ermöglichen, kurz: „nachhaltige, regionale und dezentrale Wertschöpfung zu unterstützen“, sagt der Geschäftsführer von Bettervest.

Mehrwert durch Web-Plattformen

Auch Jens-Uwe Sauer, Geschäftsführer beim in Deutschland führenden Crowdfunding-Spezialisten Seedmatch, ist vom Erfolg des Crowdfunding-Modells überzeugt. Er sieht den Mehrwert der Plattformen im einheitlichen und transparenten Zugang zu den Angeboten. Allerdings reicht ein schickes Projektvideo im Netz allein nicht aus. Die Idee sollte möglichst ausgereift sein, also bereits als fertiges Produkt oder Dienstleistung vorliegen. Denn nicht jedes grüne Projekt eigne sich für das Crowdfunding, gibt Sauer zu bedenken. Trotz gewisser Risiken – die Anleger scheinen bereit für neue Wege zu sein. So gelang dem Internet-Portal Greenvesting der erfolgreiche Start. In weniger als vier Wochen kamen mehr als 100.000 Euro für eine Photovoltaikanlage auf Usedom zusammen.
Auch die Firma Crowdenergy finanzierte bereits eine Dach-Solaranlage in Ahrenshagen (Mecklenburg-Vorpommern) über die Crowd. „Beteiligt haben sich daran 27 Investoren“, sagt Geschäftsführer Peer Piske, der die Plattform im vergangenen Jahr in Berlin gegründet hat. Durchschnittlich rund 1.500 Euro je Vorhaben steuern Anleger in ein derartiges Projekt ein. Die Rendite der Anleger für die ersten beiden bereits abgeschlossenen Projekte bei Crowdenergy liegt zwischen sechs und acht Prozent. Der Betreiber wiederum refinanziert sich durch eine fünf- bis zehnprozentige Erfolgsgebühr, entrichtet direkt von der Energiegenossenschaft.
Aber: „Scheitert das unterstützte Projekt, droht ein Totalverlust“, gibt Christian Urban von der Verbraucherzentrale NRW zu bedenken. Der Experte für ökologische Geldanlagen plädiert deshalb dafür, sich als Anleger bei jedem Vorhaben fundiert mit den jeweiligen Chancen und Risiken auseinanderzusetzen. Er rät auch dazu, sich unter anderem die Erfahrungsberichte anderer Nutzer über die Plattform anzusehen. Denn wer die Wahl hat, hat bekanntlich auch die Qual. So sind diverse Rechts- und Anlageformen zu prüfen, von GmbH & Co KG und Genussrecht, über Inhaberschuldverschreibungen, bis hin zum klassischen Darlehen. Allen gemeinsam sei aber ein Totalverlustrisiko, bilanziert Christian Urban.
Für generell zu riskant hält der Verbraucherschützer den Einstieg bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR): „Denn hier haften die Anleger sogar mit ihrem gesamten privaten Vermögen.“ Sein Ratschlag deshalb: Unabhängig von der Anlageform solle der Anleger sich nie in ein Vorhaben einkaufen, was dieser nicht vollständig verstanden habe.

Lothar Lochmaier ist Wirtschaftsjournalist in Berlin.


Stichwörter: Finanzierung, Crowdfunding


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