Breitband-AusbauAnschluss nicht verpassen
Herr Pollak, in Deutschland ist der Ausbau des Glasfasernetzes vor allem im internationalen Vergleich noch nicht richtig in Schwung gekommen. Warum dauert es hierzulande so lange?
Über Ursachen, warum Deutschland im internationalen Vergleich hinterherhinkt, ließe sich streiten. Viel wichtiger ist aber die Frage: Was ist zu tun, damit sich das ändert? Hier sind unter anderem stabile regulatorische Rahmenbedingungen für Netzbetreiber notwendig, die in eine Glasfaserinfrastruktur investieren wollen. Immerhin geht es um Investitionen mit einer Lebensdauer von mindestens 15 Jahren, die Grundlagen für die Investitionsmodelle müssen daher klar und eindeutig sein. Zudem ist die Glasfaserinfrastruktur für Städte und Gemeinden ein Mittel der Wirtschaftsförderung. Hier gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten, bei denen angesetzt werden könnte. Denn nahezu jedes Unternehmen in einem Gewerbegebiet ist auf einen schnellen Breitband-Anschluss angewiesen.
Was sind die derzeit dringendsten Probleme, die in diesem Zusammenhang gelöst werden müssen?
Es wäre natürlich wünschenswert, wenn auch die öffentliche Hand mehr investieren würde, etwa in Form von Public Private Partnerships. Zusätzlich gibt es die Möglichkeit der Förderung durch die Europäische Union, den Bund und die Länder. Hier sollten sich Kommunen, in denen ein entsprechender Bedarf besteht, genauer darüber informieren, welche Optionen es gibt. Die Breitband-Büros von Bund und Ländern sind mittlerweile beim Informationsangebot gut aufgestellt. Allerdings sollte klar sein, dass öffentliche Gelder lediglich dabei unterstützen, private Investitionen in die Glasfaserinfrastruktur anzuschieben, diese aber keinesfalls vollständig ersetzen können.
„Versorgungsunternehmen sind es gewohnt, in langen Investitionszyklen zu denken.“
In welche Richtung werden sich Netztechniken und -architekturen in den kommenden Jahren entwickeln?
Kurzfristig wird sicher die Kupferader weiterverwendet. Mit VDSL2 und Vectoring steht eine Brückentechnologie zur Verfügung, die 100 Mbit/s bereitstellt und damit den Glasfaserausbau in einigen Gebieten verzögern kann. Mittel- bis langfristig läuft aber alles auf einen Glasfaser-Hausanschluss hinaus. Dabei konkurrieren zwei Varianten: passive optische Netze (PON) und Ethernet-Punkt-zu-Punkt-Netzstrukturen (Ethernet-PtP) mit aktiven Komponenten. PON teilt das Signal auf, damit eine Glasfaser von mehreren Kunden genutzt werden kann. Bei Ethernet-PtP-Netzstrukturen erhält dagegen jeder Teilnehmer eine eigene Glasfaser. Netzbetreiber müssen sich vor der Netzplanung also zwischen Ethernet-PtP und PON entscheiden. Kriterien können dabei etwa die maximale Bandbreite oder die Bebauungsstruktur der anzuschließenden Gebiete sein. Mit einer Multi-Service-Zugangsplattform wie dem MileGate von Keymile können Netzbetreiber Sprach-, Daten- und Fernsehdienste bis zu 1 Gbit/s pro Teilnehmer in Ethernet-PtP-Netzen anbieten. Aus einem Rack heraus lassen sich so rund 1.900 Teilnehmer anschließen. Auch ein Parallelbetrieb von Glasfaser- und VDSL2 mit Vectoring ist aus dem gleichen Subrack möglich. Für passive Netze steht mit MileGate GPON ebenfalls eine Lösung zur Verfügung, bei der bis zu knapp 4.100 Kunden aus einem System heraus angebunden werden können.
Wie müssen die Geschäftsmodelle für Glasfaser aussehen, um auf Dauer zum Erfolg zu führen und was halten Sie in diesem Zusammenhang von Open Access?
Nachbarländer haben mit Open Access bereits gute Erfahrungen gemacht. Beispiele sind etwa aus den Niederlanden, der Schweiz oder Skandinavien bekannt. Open Access bedeutet die Bereitstellung des Kundenzugangs über ein physikalisches Netz durch unterschiedliche Diensteanbieter. Insbesondere für kleine Städte und dünn besiedelte ländliche Regionen wird dieses Modell mittlerweile als wesentliche Grundlage für den kommerziellen Erfolg des Glasfaserausbaus angesehen. Aber nicht nur für den reinen Glasfaseranschluss ist Open Access sinnvoll. Auch bei FTTC-Netzen (Fibre to the Curb) ist der offene Zugang eine gute Möglichkeit, Parallelinvestitionen in die Verlegung von Glasfaserkabeln und Zugangstechnik weitgehend zu vermeiden und die Auslastung der neu verlegten Infrastruktur spürbar zu steigern. Die aktuellen Förderprogramme zum Breitband-Ausbau verlangen deshalb als Voraussetzung zur Förderung auch ein Open-Access-Angebot. Bei FTTH-Netzen (Fibre to the Home) ist die Wahl der richtigen Netzarchitektur von entscheidender Bedeutung. Ethernet-PtP-Strukturen eignen sich bei der Aufteilung der Netze auf verschiedene Diensteanbieter vor allem aufgrund des individuellen Zugangs pro Teilnehmer zum Netz.
Welche Chancen bietet das Thema Breitband-Versorgung in den kommenden Jahren für Stadtwerke?
Regionale und kommunale Energieversorger bringen sehr gute Voraussetzungen mit, um neue Glasfasernetze zu verlegen und diese gegebenenfalls auch selbst zu betreiben. Sie verfügen über bestehende Infrastrukturen, die den Glasfaserausbau erleichtern und verbilligen können. Synergieeffekte ergeben sich beispielsweise durch Leerrohre, die entlang von Gas- oder Wasserleitungen gelegt wurden. Teilweise wurden die Glasfaserkabel sogar schon vorsorglich verbaut. Betriebsstätten, an denen die Versorgungsleitungen gewartet und verwaltet werden, können auch für den Aufbau von Netzzugängen genutzt werden. Zudem sind es die Energieversorgungsunternehmen gewohnt, in langen Investitionszyklen zu denken, was sie von privatwirtschaftlich betriebenen Unternehmen mit kurzfristigen Umsatzerwartungen unterscheidet. Nicht ohne Grund haben zahlreiche Energieversorger bereits eigene Telekommunikationstöchter gegründet oder beteiligen sich an regionalen Telekommunikationsnetzbetreibern. Open Access stellt für Stadtwerke und regional tätige Energieversorger ein attraktives Modell dar. Dabei sind unterschiedliche Stufen der vertikalen Integration möglich. Die Betreibermodelle erstrecken sich von der ausschließlichen Bereitstellung der passiven Glasfaserinfrastruktur über die zusätzliche Bereitstellung des aktiven Zugang-Equipments bis hin zum Anbieten eigener Telekommunikationsdienste. So kann jeder Versorger je nach geplantem Aufwand und Investitionsvolumen das für ihn optimale Geschäftsmodell finden.
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