Breitband-AusbauStadtwerke werden zu Providern
Im Rahmen ihrer Breitband-Strategie hat sich die Bundesregierung vorgenommen, 75 Prozent der Haushalte in Deutschland bis Ende 2014 mit einem Internet-Zugang von 50 Mbit/s auszustatten. Dieses Ziel wird voraussichtlich nicht erreicht werden können, wie die Unternehmensberatung Roland Berger in einem Monitoring-Bericht zum Breitband-Ausbau errechnet hat, den das Bundeswirtschaftsministerium in Auftrag gegeben hatte. Demnach können – wird das bisherige Ausbautempo von rund einer Million Haushalte pro Jahr beibehalten – bis Ende 2014 statt der angepeilten 30 lediglich 19,4 Millionen Haushalte an das superschnelle Netz angebunden werden. „Trotz aller Anstrengungen von Bund, Land und Kommunen stehen wir immer noch vor der Frage, wie im ländlichen Raum eine flächendeckende, ausreichende und zukunftsorientierte Breitband-Versorgung zu realisieren ist“, meint Jörg Mielke, Landrat des Kreises Osterholz. Und Peer Beyersdorff vom Breitband Kompetenz Zentrum Niedersachsen sagt: „Für einen flächendeckenden Breitband-Ausbau im ländlichen Raum ist eine Zusammenarbeit mit den kommunalen Versorgungsunternehmen erforderlich.“
Geschäftsfeld Telekommunikation
Die Stadtwerke haben das Thema Breitband denn auch als neues Geschäftsfeld entdeckt und engagieren sich verstärkt für den Ausbau der Netze. So haben etwa die Stadtwerke Konstanz Ende vergangenen Jahres gemeinsam mit dem Kooperationspartner Stadtwerke Lindau im Industriegebiet Unterlohn ein flächendeckendes Glasfasernetz errichtet, 2012 soll das Gebiet Oberlohn folgen. Die Stadtwerke wollen aber nicht nur für die Infrastruktur sorgen, sondern später auch als Provider Produkte wie Telefonie, Fernsehen und Internet über das neue Netz anbieten. Bei einem erfolgreichen Verlauf des Pilotvorhabens ist geplant, in den nächsten acht bis zwölf Jahren die gesamte Stadt sukzessive mit einem Hochgeschwindigkeitsnetz auszustatten. Das Investitionsvolumen für dieses Vorhaben läge nach Angaben der Stadtwerke Konstanz bei etwa 58 Millionen Euro. Geschäftsführer Kuno Werner: „Für uns ist diese Entscheidung ein bedeutender Schritt. Wir möchten nachhaltige Werte schaffen, Arbeitsplätze sichern und ein weiteres wirtschaftliches Standbein aufbauen.“ Dieses Ziel verfolgen auch die Stadtwerke im hessischen Bad Nauheim, die Anfang 2011 im Rahmen eines Pilotprojektes rund 250 Haushalte mittels FTTH-Technologie (Fiber to the Home) an das Breitband-Netz angeschlossen haben. Geschäftsführer Berndt Hartmann: „Wir erproben die Rolle eines integrierten Netzanbieters, bauen und betreiben das Glasfasernetz, stellen den Datentransport sicher und nutzen unsere Kundennähe für Verkauf, Abrechnung und Service.“
Bereits über langjährige Erfahrung als Kommunikationsdienstleister verfügen die Stadtwerke Schwerte. Vor rund fünf Jahren fiel der Startschuss für den Aufbau eines eigenen Glasfasernetzes. Verantwortlich für Vermarktung und Betrieb ist das Tochterunternehmen Elementmedia. Für den Anschluss von Mehrfamilienhäusern kommt die Lösung MileGate 2011 von Anbieter Keymile zum Einsatz. Beim Aufbau des Glasfasernetzes wird insbesondere auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionen geachtet; Ausbau und Vermarktung sind daher eng aufeinander abgestimmt. Zunächst wird das Netz exklusiv von Elementmedia vermarktet und betrieben. „Mittel- bis langfristig ist aber auch denkbar, dass wir das Netz für andere Provider öffnen“, erklärt Geschäftsführer Oliver Weist.
Highspeed für Bayern
Um beim Breitband-Ausbau wirtschaftlich tragfähige Lösungen für die künftigen Netzbetreiber zu schaffen, sind zudem kostengünstige Verlegemöglichkeiten wichtig. Synergien können etwa durch die Mitverlegung von Glasfaserkabeln im Rahmen von kommunalen Bauvorhaben genutzt werden. „Nah- und Fernwärmeprojekte sind dabei besonders hervorzuheben, da hier eine gewissermaßen flächendeckende Baumaßnahme zum Anschluss sehr vieler Gebäude innerhalb eines absehbaren Zeitrahmens erfolgt“, meint Harald Heinze, Geschäftsführer des Beratungsbüros tkt teleconsult. So hat sich die oberbayerische Gemeinde Oberhaching dazu entschlossen, im Zuge des Nahwärmenetzausbaus auch ein hochleistungsfähiges Glasfasernetz zu errichten. Die Verlegung des FTTB-Netzes (Fiber to the Building) erfolgt seit Sommer 2011 in mehreren Phasen in enger Abstimmung mit den Tiefbauarbeiten. Zusätzlich zu den Kostenvorteilen lassen sich über das neue Netz künftig auch interne Dienste wie Wärmezählerauslesung oder die intelligente, verbrauchsabhängige Steuerung des Stromnetzes realisieren. Die Gemeindewerke Oberhaching, welche Eigentümer des Netzes sind, stehen derzeit in Verhandlungen mit verschiedenen Betreibern. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass die Gemeindewerke selbst als Betreiber agieren werden.
In Bayern arbeiten darüber hinaus verschiedene Stadtwerke in Kooperation mit dem Telekommunikationsunternehmen M-net am Breitband-Ausbau. So wurde in der Landeshauptstadt in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken München mittlerweile die Hälfte aller Haushalte innerhalb des Mittleren Rings an ein Highspeed-Glasfasernetz angeschlossen, nach 2014 sollen Gebiete außerhalb des Mittleren Rings folgen. Darüber hinaus hat M-net Ende 2010 zusammen mit dem regionalen Energieanbieter Allgäuer Überlandwerk (AÜW) das erste Highspeed-Netz im Allgäu in Betrieb genommen. „Das hier erfolgreich umgesetzte Infrastrukturprojekt unterstreicht, welch bedeutende Rolle und Verantwortung kommunale Versorgungsunternehmen in Bezug auf die Standortattraktivität einnehmen können“, meint AÜW-Geschäftsführer Michael Lucke.
Konkurrenz für Platzhirsche
Dem kann Daniel Rapp, Oberbürgermeister der Stadt Ravensburg, nur zustimmen. Schnelles Internet sei gerade im ländlichen Raum einer der entscheidenden Standortfaktoren. Rapp: „Wir wollen und müssen hier vorne mit dabei sein und für unsere Betriebe hervorragende Verbindungen bieten.“ Um dies zu gewährleisten, haben sich am Bodensee jüngst die Technischen Werke Schussental (TWS) und das Telekommunikationsunternehmen TeleData, eine Tochter der Technischen Werke Friedrichshafen (TWF) zusammengetan: Der Ravensburger Energieversorger TWS beteiligt sich mit rund 1,8 Millionen Euro an TeleData. Ziel der Kooperation ist es, die Breitband-Infrastruktur in den Städten Ravensburg und Weingarten auszubauen. Rund drei Millionen Euro wollen die beiden Unternehmen in den kommenden Jahren in dieses Vorhaben investieren. „Mit der Beteiligung an einem kommunalen Unternehmen haben wir es selbst in der Hand, Investitionsentscheidungen bei Datenverbindungen zu treffen“, meint Weingartens OB Markus Ewald. Oberbürgermeister Andreas Brand aus Friedrichshafen ergänzt: „Den Platzhirschen im Telekommunikationsmarkt setzen wir ein regionales Unternehmen entgegen, das sich noch dazu erfolgreich am Markt etabliert hat.“
Gemeinschaftlich wird der Ausbau des schnellen Netzes auch im rheinland-pfälzischen Landkreis Cochem-Zell betrieben: Hier haben die fünf Verbandsgemeinden in Kooperation mit dem Telekommunikationsunternehmen inexio, den Energieanbietern RWE sowie Energieversorgung Mittelrhein und dem Unternehmen mps Ende vergangenen Jahres eine Breitband-Infrastrukturgesellschaft (BIG) gegründet. Im Rahmen der Gemeinschaftsfirma BIG soll innerhalb der nächsten zwei Jahre für alle 92 Ortsgemeinden im Kreisgebiet eine ausreichende Breitband-Versorgung sichergestellt werden, rund 17 Millionen Euro stehen hierfür zur Verfügung. Das zugrunde liegende Geschäftsmodell ist nach Angaben der Partner wirtschaftlich tragfähig und bedarf keiner Baukostenzuschüsse vonseiten der öffentlichen Hand. Die Gesellschafter beteiligen sich mit Geld- und/oder Sacheinlagen, welche sie im Laufe des Betriebs innerhalb von 20 Jahren zurückerhalten. Die Kommunen im Kreis wollen das neue Netz als technische Grundlage für die umfassende Einführung von E-Government nutzen und arbeiten bereits an einem gemeinsamen Konzept.
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