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Donnerstag, 28. März 2024

Smart Cities:
Sensoren für die smarte Stadt


[1.6.2015] Städte stehen vor komplexen Herausforderungen, die nur mithilfe von Informations- und Kommunikationstechnologien bewältigt werden können. Die Smart City von morgen ist intelligent vernetzt, ökologisch und bürgerbezogen. Internationale Beispiele weisen den Weg.

Die Stadt von morgen ist intelligent vernetzt. Warum wird die Stadt der Zukunft immer häufiger mit dem Paradigma der Smart City verbunden? Auf diese Frage gibt es zwei Antworten:
● Die Herausforderungen, denen sich Städte gegenübersehen, werden immer komplexer.
● Die allumfassende Digitalisierung bietet in technologischer Hinsicht neue Möglichkeiten.

Komplexe Herausforderungen

In den Städten schwindet die soziale Bindung. Wachsende Städte erleben, dass ihre Einwohner sich sowohl gegen großflächigen Wohnungsneubau aussprechen als auch über Gentrifizierung und steigende Mieten klagen. Die Integration von Einwanderern und Flüchtlingen hat politische und soziale Konflikte hervorgerufen. Darüber hinaus teilen sich die Bürger in Städten und Gemeinden in zwei Gruppen: Jene, die regelmäßig oder stets online sind und jene, die als Offliner hoffen, dass das Internet ihr Leben möglichst nicht behelligen wird.
Verstärkt fordern Bürger die Nachhaltigkeit der Stadtpolitik. Nachhaltige Stadtentwicklung war ursprünglich darauf ausgerichtet, die natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, klimaschädliche Stoffe zu vermeiden und eine Energiewende hin zu regenerativen Energien zu ermöglichen. Aber auch finanzielle Nachhaltigkeit ist durch operative Exzellenz bei den Prozessen sowie bei den Einnahmen durch zukunftsgerichtete Wertschöpfung zu erreichen. Zudem wachsen die Anforderungen an die Mitgestaltung von Politik und Verwaltung. Transparenz, offene Prozesse und die Möglichkeiten zu mehr Bürgerbeteiligung jenseits von Wahlakten erfordern eine smarte Verwaltung und Politik.

Allumfassende Digitalisierung

Auf der Grundlage eines superschnellen Internets – möglichst auf Glasfaserbasis – sind Cloud Computing oder die Nutzung sozialer Netzwerke für jedermann an jedem Ort und zu jeder Tageszeit möglich. Durch das Internet der Dinge werden Echtzeit-Messergebnisse aus Sensoren und anderen kleinsten digitalen Miniatureinheiten verfügbar. Daten sind das Öl des digitalen Informationszeitalters. Sie zu erheben, auszuwerten, miteinander zu verknüpfen und aus ihnen neue Geschäftsmodelle und Anwendungen zu generieren, werden die Ökonomie des ersten Teils des 21. Jahrhunderts prägen. In einer smarten Stadt nehmen vernetzte Informations- und Kommunikationstechnologien eine entscheidende Rolle bei der Lösung der oben skizzierten Herausforderungen ein.
Die Infrastruktur in deutschen Städten ist in die Jahre gekommen. Teilweise stammen Brücken, Abwasserkanäle oder U-Bahn-Strecken aus dem Anfang des letzten Jahrhunderts. Auch die Straßenverkehrsinfrastruktur wurde vernachlässigt. Die KfW ermittelte, dass zwischen 80 und 108 Milliarden Euro aufgewendet werden müssen, weil sonst die internationale Wettbewerbsposition in Gefahr gerät, andererseits aber auch der Anspruch an wachsende Städte nicht erfüllt werden kann.

Intelligente Infrastruktur

In einer smarten Stadt wird die Infrastruktur nicht nur erneuert, sondern intelligent gemacht. Dazu werden Sensoren und andere Messgeräte eingesetzt, die den Zustand oder die Auslastung der Infrastruktur in Echtzeit analysieren. Einige Beispiele zeigen auf, wohin die Reise gehen wird. Im Bereich des intelligenten Parkens setzen Städte wie Nizza oder Barcelona auf Sensoren, die am Bordstein angebracht sind. Die freien Parkflächen werden dann visuell an eine App übertragen und das Navigationssystem führt den Autofahrer zielgerichtet auf einen freien Parkplatz. Darüber hinaus kann die fällige Parkgebühr an Multimedia-Terminals oder via Smartphone direkt entrichtet werden. Berlin pilotiert eine Anwendung, die die Sensoren an den Straßenlaternen anbringt und damit bis zu sieben Parkplätze überwachen kann.
Die Optimierung der Auslastung des Straßennetzes geschieht in Los Angeles durch intelligente Ampelschaltungen. Alle 4.500 Ampeln wurden miteinander vernetzt. Sensoren auf der Fahrbahn senden Echtzeit-Informationen über die tatsächliche Verkehrssituation und Straßenauslastung. Diese Informationen werden mit Glasfaserkabeln übertragen und an eine Verkehrssteuerungsstelle gesendet. Hier analysiert der Computer das Verkehrsgeschehen und schaltet die Ampeln so, dass ein gleichbleibender Verkehrsfluss möglich ist. Weil er auch die Vergangenheitsdaten in seine Analyse einbezieht, macht der Computer – ohne menschliches Eingreifen – ebenso Vorhersagen über die künftige Verkehrssituation und schaltet die Ampeln entsprechend.

Investition in LED-Lampen

Eine wesentliche Veränderung ist außerdem bei der städtischen Straßenbeleuchtung zu erwarten. Ab 2017 dürfen nach der EU-Ökodesign-Richtlinie Quecksilberdampflampen nicht mehr verkauft werden. Deshalb investierten viele Städte in LED-Lampen für die Straßenbeleuchtung. In einer smarten Stadt kann die Beleuchtung aber intelligenter werden. Dann leuchten die Lampen nur in voller Stärke, wenn es wirklich erforderlich ist, weil ein Auto, Fahrrad oder ein Fußgänger die Straße passiert. Ansonsten werden sie herunter gedimmt. Die jeweilige Umweltsituation wird durch Sensoren erfasst und analysiert, sodass die Straßenbeleuchtung angepasst werden kann.
Neben der Optimierung des städtischen Straßennetzes wird in einer smarten Stadt auch der ÖPNV intelligent. Echtzeitinformationen über den Fahrplan städtischer Busse und Straßenbahnen werden heute schon in großen Städten auf Smartphones übertragen. ÖPNV, motorisierter Individualverkehr und Fußgänger- und Radverkehr wachsen durch intelligente Plattformen zusammen, sodass die Zusammenstellung von Beförderungsketten wesentlich einfacher wird. Insbesondere für die E-Mobilität durch Elektro-Autos, E-Bikes oder Lastenräder wird eine neue intelligente Infrastruktur benötigt. Bis zum Jahre 2030 erwartet die Automobilindustrie den massenhaften Durchbruch des selbstfahrenden Fahrzeugs. Ohne intelligente Infrastruktur und den flächendeckenden Einsatz von Sensoren im Auto und in seiner infrastrukturellen Umgebung wird das nicht zu realisieren sein.

Klimaneutrale Energieerzeugung

In Smart Cities wie Wien oder Köln ging es am Anfang nicht um die Optimierung der Infrastruktur, sondern um die Reduzierung klimaschädlicher Stoffe. Ziel war die klimaneutrale Stadt, die einen wesentlichen Beitrag zur Reduktion von CO2 in der Erdatmosphäre leisten sollte. Energiepolitische Maßnahmen standen hier im Vordergrund. Angestrebt wird ein Dreiklang aus Energieeinsatz vermeiden, Energieproduktion und -verbrauch verlagern sowie Energie effizient steuern.
Beim effizienten Energieeinsatz stehen insbesondere intelligente Gebäudeinfrastrukturen im Fokus. Heizung, Kühlung, Lüftung und Beleuchtung werden über intelligente IP-Netzwerke gesteuert, die auch die Basis für neue Wertschöpfung werden können. Vor allem bei alten oder denkmalgeschützten Gebäuden ergibt sich hier ein lohnendes Feld für Gebäudeautomatisierung.
Aufgrund der wachsenden Bedeutung der vernetzten Informations- und Kommunikationstechnologie und der Erhöhung des Datenverkehrs steigen auch die Anforderungen an effiziente und umweltfreundliche Rechenzentren. Bei ihnen entfällt oft mehr als die Hälfte des Stromverbrauchs auf Kühlung, Lüftung und Netzteile. Deshalb setzen sie stärker auf alternative Kühlkonzepte, den Einsatz regenerativer Energien oder solare Kühlung. Auch der Trend zu einer zunehmenden Konsolidierung und Virtualisierung von Servern sowie die Nutzung des Cloud Computing für Infrastrukturen, Dienste und Anwendungen begünstigt die energetische Bilanz von Rechenzentren und die Verminderung des CO2-Ausstoßes.

Energiemix ist entscheidend

Bei der Energieverlagerung spielt der Energiemix eine große Rolle. Wenn eine Stadt klimaneutral werden will, muss sie den systematischen Einsatz erneuerbarer Energien im Energiemix so schnell wie möglich erreichen. Dabei kann sie aus der Palette der verfügbaren Möglichkeiten diejenigen einsetzen, die für sie am wirtschaftlichsten sind, aber dennoch die Versorgungssicherheit und die Generationengerechtigkeit gewährleisten. Für Unternehmen und Privathaushalte werden dezentrale Blockheizkraftwerke eine große Bedeutung bekommen, mit denen örtliche Erzeugungs- und Versorgungsstrukturen untermauert werden.
Schließlich wird in einer smarten Stadt das effiziente Management von Energieangebot und -nachfrage über Smart Grids gesteuert. Mit der Energie- und Umweltwende wachsen das traditionelle Internet und intelligente Energienetze zusammen. Hinter dem Konzept der Smart Grids steht der Gedanke, dass die Einspeisung von Energie künftig nicht nur aus Großkraftwerken, sondern von Millionen von kleinen und mittelgroßen Erneuerbare-Energien-Anlagen erfolgen wird. Diese Vielzahl von Akteuren und die Tatsache, dass diese erneuerbaren Energiequellen sehr schwankungsanfällig sind, machen intelligente Verteilnetze für den Strom nötig, damit Angebot und Nachfrage in Balance gehalten werden können. Bevor es zu einer intelligenten Steuerung von Energie kommen kann, muss der Verbrauch transparent werden. Intelligente Zähler wie Smart Meter erfassen, dokumentieren und übertragen den Energieverbrauch per Mikrochip an die Energieversorger bezüglich der in einem Zeitraum erforderlichen Mengen.

Bürger als Sensoren

Dienten die bisherigen Beispiele des Sensoreneinsatzes eher der Optimierung der städtischen Infrastruktur, so gibt es im Gesamtkonzept einer smarten Stadt auch den Fall eines weiteren Sensoreneinsatzes. Scharfsinnige Bürgermeister nutzen auch die Stadtgesellschaft in verschiedenster Form als Sensoren von unten. Drei Beispiele illustrieren diesen Trend: In London wurden beim Thronjubiläum der Königin die Standorte aller Mobiltelefone erfasst, um ein genaueres Bild von den Aufenthaltsorten der eine Million Menschen umfassenden Besuchermenge zu bekommen. Schließlich musste für sie später eine reibungslose An- und Abfahrt organisiert werden. Dabei zeigte sich allerdings, dass sich die Menschenmenge nicht – wie ursprünglich angenommen – in der Nähe des Buckingham Palace aufhielt, sondern vielmehr an der wesentlich weiter entfernten Tower Bridge. Mit diesem Wissen ausgestattet, konnten Sicherheitskräfte zu diesen neuralgischen Punkten dirigiert und der Verkehrsfluss organisiert werden.

Verstärkte Bürgerbeteiligung

Großflächige neue Infrastrukturen – sei es für Verkehrs- oder für Wohnzwecke – sind ohne vorherige intensive Bürgerbeteiligung in Deutschland nicht mehr möglich. Eine smarte Stadt setzt deshalb auf verstärkte Bürgerbeteiligung sowie auf die Aufnahme der Ideen der Stadtgesellschaft. Kürzlich hatte die Stadt Köln im Rahmen ihrer Smart-City-Initiative dazu aufgerufen, Ideen für das Wohnen von morgen zu entwickeln. Neben einer Online-Plattform konnten diese Impulse auch in Offline-Kreativworkshops eingebracht und diskutiert werden. Die Stadt Wien startete im vergangenen Jahr gar einen Ideenwettbewerb für ihr Gesamtkonzept einer Smart City Wien.
Schließlich ist Politik und Verwaltung in einer smarten Stadt gut beraten, auch bei städtischen Dienstleistungen auf den Sachverstand der Bürger zu setzen. Auf der mehrfach mit Preisen ausgezeichneten Plattform Märker Brandenburg können Bürger auf Missstände aufmerksam machen, die die Verwaltung dann alsbald beheben soll. Auf diese Weise werden die Sensoren der Bürgerschaft für ein ordentliches Stadtbild eingesetzt. Die Erfahrungen waren derart positiv, dass diese Anliegenplattformen kurz darauf Verbreitung fanden.

Smart City Cockpit

Ganzheitliche Smart-City-Konzeptionen nehmen alle drei genannten Elemente auf. Die smarte Stadt von morgen ist intelligent vernetzt, ökologisch und bürgerbezogen. Das Transparenzgebot wird durch Versuche erfüllt, ein Smart City Cockpit zu schaffen. Insbesondere in Großbritannien gibt es dazu erste Ansätze. Ein Smart City Cockpit liefert auf einer Website ein Abbild des Echtzeitzustandes der Nutzung der städtischen Infrastruktur. So sehen die Nutzer in London beispielsweise auf einen Blick, für welche U-Bahn-Linien gerade eine Störung vorliegt, welche aktuellen Klima- und Umweltbedingungen herrschen oder wie viele Leihfahrräder derzeit verfügbar sind. Aus sehr unterschiedlichen städtischen und staatlichen Datenquellen werden diese Angaben visualisiert. Ähnliches wird derzeit in Singapur durch eine deutsche Firma realisiert. Dabei liegt der Ansatz jedoch hauptsächlich bei Steuerungsinformationen, die in Echtzeit für Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung zur Verfügung stehen sollen.
Willi Kaczorowski

Kaczorowski, Willi
Willi Kaczorowski ist freiberuflicher Berater für digitale Verwaltung und Politik. Zuvor war er beim Technologieunternehmen Cisco und bei namhaften Unternehmensberatungen tätig. Kaczorowski ist Autor des Buches „Die smarte Stadt. Den digitalen Wandel intelligent gestalten. Herausforderungen, Handlungsfelder, Strategien“.

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe Mai/Juni von stadt+werk im Titelthema Smart Cities erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Informationstechnik, Smart Cities

Bildquelle: creativ collection Verlag/PEAK Agentur für Kommunikation

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