Donnerstag, 25. April 2024

Marburg:
Wärme kühlt Server


[15.3.2012] Die Stadt Marburg setzt zur Kühlung ihrer Server auf innovative Kältetechnik. Der Energiebedarf kann mithilfe der Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungsanlage um über 70 Prozent gesenkt und Einsparungen von rund 15.000 Euro im Jahr erzielt werden.

Kältemaschine von InvenSor bringt der Stadt Marburg Kosten- und Umweltvorteile. Kommunen können durch die Erneuerung von technischen Anlagen ihre Energiekosten deutlich senken. Der Austausch von veralteter gegen moderne Technik lohnt sich doppelt, da sich Investitionen in wirtschaftliche und umweltfreundliche Technologien aufgrund deutlich niedrigerer Energiekosten schnell amortisieren und darüber hinaus staatlich gefördert werden. Ein aktuelles Beispiel, wie sich eine kommunale Investition zu einem solchen Sparmodell entwickeln kann, liefert die Stadt Marburg. Dort hatte der Magistrat entschieden, die zentralen EDV-Server mit einer hochmodernen Kraft-Wärme-Kälte-Kopplungs­anlage (KWKK) gegen Überhitzung zu schützen.

Kosten reduziert

Das neue System deckt seit Anfang September vergangenen Jahres rund um die Uhr den Kälte- und Strombedarf der EDV-Server. Der Spareffekt resultiert aus der hohen Energieeffizienz der KWKK-Anlage: Sie reduziert den Energiebedarf der EDV-Server um mehr als 70 Prozent. Die Stadt Marburg spart so pro Jahr rund 15.000 Euro an Energiekosten. In Verbindung mit Fördermitteln des Landes Hessen werden sich die Investitionskosten von rund 80.000 Euro somit in rund drei Jahren amortisiert haben.
„Zunächst hatten wir aus Brand-, Wasser- und Einbruchschutzgründen neue, hermetisch abgeschlossene Server-Schränke der Firma Rittal angeschafft, da unsere vorherigen Schränke den Anforderungen nicht mehr genügten“, erklärt Peter Wagner, Energiebeauftragter für städtische Liegenschaften der Stadt Marburg. „Die Herausforderung bestand nun darin, ein entsprechendes Kühlsystem zu wählen, das sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich ein Optimum darstellt“, so Wagner. Der Hintergrund: Gerade im Rechenzentrum ist der Energieeinsatz besonders hoch. Neben den Kosten für den Betrieb der IT entfallen bis zu 50 Prozent der gesamten Energiekosten auf die Kühlung.
Der Magistrat der Stadt Marburg folgte schließlich einer Empfehlung der Energieberatungsfirma Freischlad. Installiert wurde eine Adsorptionskältemaschine von Anbieter InvenSor mit 9 Kilowatt (kW) Nennleistung in Verbindung mit einem Senertec Blockheizkraftwerk (BHKW) mit 5,5 kW elektrischer und 12,5 kW thermischer Leistung. Der Marburger Energiebeauftragte Peter Wagner, der seinerseits dem Magistrat der Stadt eine Empfehlung für die InvenSor Adsorptionstechnologie ausgesprochen hatte, war vor allem von der perfekt aufeinander abgestimmten Technik der Kältemaschine und des BHKWs begeistert. „Die KWKK-Anlage erfüllt die besonderen Anforderungen vor Ort am besten“, ist Wagner überzeugt.

Abwärme liefert Energie

Die Kosten- und Umweltvorteile der neuen KWKK-Anlage liegen in ihrer energiesparenden Funktionsweise. Anders als handelsübliche Kältemaschinen nutzt die Adsorptionskältemaschine von InvenSor nicht teuren Strom, sondern die Abwärme des BHKWs als Antriebsenergie und spart dabei bis zu 70 Prozent Strom ein. Umweltfreundliches Kühlmittel ist reines Wasser. Während der kalten Jahreszeit können die Server mittels der integrierten Free-Cooling-Funktion direkt über die Außenluft gekühlt werden. Bis auf den relativ geringen Strombedarf von Pumpen und Rückkühlwerk wird dann keinerlei Energie für die Kälteversorgung der Server verbraucht. Dies bedeutet auch, dass die Abwärme des Blockheizkraftwerks während dieser Zeit vollumfänglich für die Gebäudebeheizung zur Verfügung steht und demnach zusätzlich Heizkosten spart.

Weniger Strombedarf

Durch die ganzjährige Abnahme der Wärme des Blockheizkraftwerks – im Sommer zum Kühlen und im Winter zum Heizen – erreicht das Modul eine Laufzeit von rund 8.000 Betriebsstunden pro Jahr. Auf diese Weise erzeugt die KWKK-Anlage jährlich circa 44.000 kWh Strom, der größtenteils durch den Betrieb der Server direkt verbraucht wird. Überschüsse aus der Stromerzeugung des BHKWs werden in das öffentliche Stromnetz eingespeist und entsprechend vergütet. Die bislang zur Kühlung der Server eingesetzte stromintensive Kompressionskältemaschine konnte abgeschaltet werden, wodurch der gesamte Stromverbrauch der EDV-Anlage der Stadt Marburg um 41.000 kWh auf aktuell 23.000 kWh pro Jahr sinkt. Bezogen auf die zuvor erforderlichen 108.000 kWh für Betrieb und Kühlung der Server konnte der Strombezug so um rund 78 Prozent verringert werden. Durch den geringeren Energieverbrauch wird auch die Umwelt geschont: Auf das gesamte Rechenzentrum bezogen, reduziert sich der CO2-Ausstoß um 38 Tonnen pro Jahr.
Neben den positiven Umwelt- und Kostenaspekten spielte auch die doppelte Ausfallsicherheit der KWKK-Anlage eine wichtige Rolle bei der Entscheidung für das System – immerhin ist der Betrieb von über 700 Computern der öffentlichen Verwaltung von den Anwendungsprogrammen der zentralen EDV-Server abhängig. Würden die Server ausfallen, käme die Arbeit beispielsweise in der Passstelle, im Jugend- oder im Sozialamt zum Erliegen. Mit dem BHKW und dem öffentlichen Stromnetz sind nun zwei voneinander unabhängige Stromquellen vorhanden. Die mit Netzstrom betriebene redundante Kompressionskältemaschine wurde passend zum Gesamtkonzept ebenfalls von der Firma InvenSor geliefert.
Die vorhandene Raumklimatisierung wurde durch die InvenSor Kältemaschine, einen Kaltwasserpufferspeicher sowie einen Rückkühler mit EC-Ventilator ersetzt. Jeder Server-Schrank verfügt über seine eigene Umluftkühlung, welche über einen Kaltwasser-Wärmetauscher reguliert wird. Die gesamte KWKK-Anlage konnte platzsparend in einem Raum installiert werden.

Zukunftsweisende Technologie

Das Marburger Modell einer energie- und kostensparenden Server-Kühlung könnte auch in anderen Kommunen Schule machen, ist man in der Stadtverwaltung überzeugt. Bisherige effizienzsteigernde Anwendungen im Bereich der Server-Kühlung hätten nur partielle Lösungen für einzelne Energieströme geboten. Dank der speziell für den ganzjährigen Kühl- und Strombedarf von Rechenzentren entwickelten Lösung von InvenSor lasse sich nun die Server-Kühlung zu einem Bruchteil der bisherigen Stromkosten verwirklichen, so der Technische Leiter der Stadt Marburg. Das Bundesland Hessen kam nach intensiver Prüfung des Konzepts ebenfalls zu einem positiven Ergebnis und förderte die Installation der Anlage mit 32.000 Euro. Zudem verlieh das Bundesland dem Projekt gemäß §4-8 des Hessischen Energiegesetzes den Status einer Demonstrationsanlage, also einer technisch wie wirtschaftlich erfolgreichen, zukunftsweisenden Technologie.

Preisgekrönte Kältetechnik
Das Berliner Unternehmen InvenSor hat Kältemaschinen entwickelt, welche die Abwärme von BHKW, industriellen Prozessen oder Solarthermie als Antriebsenergie nutzen. Im Vergleich zu herkömmlicher Kältetechnik sparen sie damit bis zu 70 Prozent Strom ein.
Anstelle des üblichen Silicagels werden in den Adsorptionsmaschinen so genannte Zeolithe eingesetzt. Dank dieser Innovation erreichen InvenSor Kältemaschinen bereits bei 65°C Antriebstemperatur fast 100 Prozent ihrer Leistung. Wasser dient als umweltfreundliches Kältemittel, was den Wartungsaufwand minimiert. Alle InvenSor Kältemaschinen sind auf den Anschluss an das Internet vorbereitet, sodass Unterstützung bei der Inbetriebnahme auch aus der Ferne möglich ist. Über die Online-Schnittstelle können darüber hinaus kundenspezifische Wünsche und Anpassungen per Software Update vorgenommen werden, so etwa eine Änderung der Kaltwasser-Solltemperatur oder einer bestimmten Regelungsstrategie. Die Kältemaschinen von InvenSor wurden 2009 mit dem Kältepreis des Bundesumweltministeriums ausgezeichnet und haben 2010 den Intersolar Award erhalten.

bs

Dieser Beitrag ist in der Ausgabe März 2012 von stadt+werk erschienen. Hier können Sie ein Exemplar bestellen oder die Zeitschrift abonnieren. (Deep Link)

Stichwörter: Kraft-Wärme-Kopplung, InvenSor, Marburg

Bildquelle: InvenSor

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